E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Meding / Samarow Die Römerfahrt der Epigonen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-3742-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
ISBN: 978-80-272-3742-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Die Römerfahrt der Epigonen' ist eine faszinierende Anthologie, die tief in die Ära nach den großen literarischen Meistern eintaucht und die Entwicklung des literarischen Ausdrucks in dieser nachfolgenden Generation erforscht. Bedeutsame Beiträge von Oskar Meding und Gregor Samarow offenbaren eine Reise durch vielfältige narrative Landschaften, von historischen Erzählungen bis hin zu intensiven persönlichen Betrachtungen. Diese Sammlung illustriert nicht nur die Vielfältigkeit der literarischen Formen und Stile, sondern spiegelt auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche und die kulturelle Dynamik ihrer Zeit wider. Die Werke dieser Sammlung sind daher von unschätzbarem Wert, um die historische und kulturelle Evolution in der Literatur zu verstehen. Die Autoren dieser Kollektion, Oskar Meding und Gregor Samarow, beide bekannt für ihre scharfsinnigen politischen und geschichtlichen Einblicke, verkörpern eine bedeutende kulturelle Brücke zwischen dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Ihre Texte sind geprägt von den tiefen Veränderungen ihrer Epoche, die die Themen ihrer Schriften beeinflussten. Das Zusammenspiel ihrer Werke in dieser Anthologie ermöglicht es den Lesern, den transformativen Einfluss der historischen Ereignisse auf das literarische Schaffen direkt zu erleben und ein tiefes Verständnis für die reflectierende Kraft der Literatur zu entwickeln. 'Die Römerfahrt der Epigonen' bietet Lesern eine seltene Gelegenheit, durch verschiedene Epochen und Ideologien zu reisen, umfassend in die Welt der Literatur nach der Blütezeit großer literarischer Ikonen einzutauchen. Diese Sammlung ist besonders empfehlenswert für Leser, die an historischen Übergängen interessiert sind und verstehen möchten, wie sich kulturelle und politische Veränderungen in literarischen Werken manifestieren. Der Band fordert zum Nachdenken auf und fördert den Dialog zwischen den Werken seiner Autoren, eine lehrreiche und bereichernde Erfahrung für jeden enthusiastischen Leser.
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Zweites Capitel.
Der Kaiser Napoleon III. saß in früher Morgenstunde in seinem Cabinet im Schlosse der Tuilerien. Vor ihm lagen auf seinem Schreibtisch eine große Anzahl eingegangener Berichte, welche sein Cabinets-Chef Mocquard nach den Materien geordnet und ihm zur Durchsicht unterbreitet hatte.
Wie der Kaiser so da saß, in seinen Fauteuil zurückgelehnt, so daß man die etwas stark gewordene Figur und das Embonpoint, welches seinem früher so schlanken und geschmeidigen Wuchs die anmuthige Eleganz genommen, weniger bemerken konnte – lag auf seiner ganzen Erscheinung noch der Schimmer eines letzten Hauchs der Jugend. Sein dunkelblondes Haar war sorgfältig geordnet, und nur erst ganz unmerklich mit Grau untermischt.
Sein dichter Schnurrbart war an den Enden in zwei gerade Spitzen gedreht und ein langer nach unten hin breit auslaufender Knebelbart bedeckte sein Kinn, das ein wenig kurz und zurücktretend nicht jene stolze und unbeugsame Willenskraft verrieth, welche in der Gesichtsbildung des ersten Kaisers so besonders bemerkbar hervortrat. Seine in starker Wölbung heraustretende Stirne erschien im Verhältniß zu ihrer Höhe ein wenig schmal. Unter den dichten Augenbrauen, zwischen denen sich wie gewohnheitsmäßig kleine Falten bildeten, blickten seine Augen von unbestimmbarer Farbe und einem stets wechselnden Ausdrucke hervor. Es war eine besondere Eigenthümlichkeit dieser merkwürdigen Augen, daß sie bald sich unter den herabsinkenden Lidern, wie hinter verhüllendem Schleier verbargen, bald langsam sich öffnend oder in plötzlichem Aufblick groß hervortretend eine Fülle von Licht und Gluth ausstrahlten, welchen man einen Augenblick vorher kaum hätte in diesem so ruhig gleichgültigen und fast trägen Blick erwarten sollen. Ebenso wechselnd erschien dann auch die Farbe dieser Augen. Vom trüben und matten Grau ging sie plötzlich in einen tiefdunklen Ton über und ein leuchtender Phosphorglanz schimmerte aus den erweiterten Pupillen hervor.
Die Gesichtszüge des Kaisers waren weich bis zur Schlaffheit. Es lag in denselben ein tiefer, sinnender Ernst, ein Ausdruck von fast schwermüthiger Resignation – oft eine krankhafte, müde Erschöpfung und Abspannung. Doch waren diese Züge in wunderbarer Beweglichkeit, eines jeden Ausdrucks fähig, den der Kaiser auf ihnen erscheinen lassen wollte, wen er sich in Gesellschaft befand. Immer aber lag in seinem Gesicht der verbindliche Ausdruck einer liebenswürdigen und herzlichen Höflichkeit, jener Höflichkeit, welche die Franzosen so treffend politesse du coeur nennen, und welche Alles, auch die unangenehmsten Dinge so zu sagen weiß, daß niemals eine Verletzung persönlicher Gefühle stattfindet.
Der Kaiser trug einen leichten Morgenanzug von dunklem Stoff und rauchte eine jener großen dunkelbraunen Havanna-Cigarren, welche eigens für ihn aus den feinsten Deckblättern angefertigt wurden. Neben ihm auf einem kleinen Tisch stand ein einfaches Kaffee-Geschirr von Silber und aus einer Tasse von Sêvresporzellan duftete ein überaus starker Extrakt der reinsten Moccabohne.
Hier in der Einsamkeit seines Cabinets hatte der Kaiser jeden Zwang, jede sozusagen officielle Toilette seiner Gesichtszüge abgelegt. Seine Augen waren weit geöffnet und richteten sich mit träumerischem Ausdruck durch den offenen Fensterflügel nach den Baumwipfeln des Tuileriengartens hin; auf seinem Gesicht lag ein noch düsterer Ernst als gewöhnlich. Er hatte ein Papier, das er aufmerksam durchgelesen, wieder vor sich auf den Tisch gelegt und blies in großen Zügen die Rauchwolken aus seiner Cigarre empor, welchen in bläulichen Ringen dahinzogen und das Zimmer mit ihrem aromatischen Duft erfüllten.
»Ich habe eine mächtige Bresche gelegt in diese Verträge von 1815,« sagte er halb leise – »in diese Verträge, welche die Grundsätze der heiligen Allianz zur Basis des europäischen Völkerrechts machten und welche,« fuhr er mit halb zornigem, halb höhnischem Zusammenziehen der Lippen fort, »die napoleonische Dynastie für immer von dem Throne Frankreichs und von den durch ihren Gründer eroberten Rechten ausschließen.
»Oesterreich hat sich von jener östlichen Coalition, welche man die heilige Allianz nannte, und welche durch ihr Schwergewicht Europa beherrschte für immer getrennt – Rußland wird ihm seine Undankbarkeit nie vergessen – Italien ist regeneriert nach den Grundsätzen des neuen Völkerrechts, das an Stelle der Legitimität die Monarchie auf dem Willen des Volkes begründet, – aber noch steht ein mächtiges und gewaltiges Bollwerk jener alten Verträge da, welches wie eine starre Mauer sich an den Grenzen Frankreichs erhebt. Dieses Bollwerk, dessen Bau die Diplomatie des Wiener Congresses auf die Macht und den Einfluß Frankreichs gesetzt hat, wie einst die Berge Siciliens auf die Brust der niedergeworfenen Titanen gewälzt wurden, dies Bollwerk ist der Deutsche Bund; dieser Deutsche Bund, so schwerfällig und bewegungslos für die politische Initiative, aber von so gewaltiger Kraft in der Vertheidigung des bestehenden Rechts, weil er dieses vielgliedrige Deutschland vereinigt unter der Führung von zwei europäischen Großmächten und so eine Macht bildet, gegen welche kaum ein Kampf möglich ist. – So lange der deutsche Bund besteht,« fuhr er düster fort, »so lange besteht der festeste und innerste Kern dieser Verträge von 1815, welche meinem Thron die völkerrechtliche Grundlage nehmen und das Kaiserreich zu einem factischen Zustand machen, den die Mächte Europas annehmen, ohne ihn als sich ebenbürtig anzuerkennen.«
Er stand auf und ging langsam im Cabinet auf und nieder.
»Mein Oheim,« sprach er dann, vor dem geöffneten Fenster stehen bleibend und in tiefem Nachdenken hinaufblickend, »mein Oheim würde seinen Degen gezogen haben und mit gewaltigem Schlage dieses völkerrechtliche Gebäude zertrümmert haben, wie er es einst mit dem deutschen Reiche that, – aber das deutsche Reich war schwach und in sich verbröckelt, während dieser deutsche Bund sich bei einem Angriff von außen in gewaltiger und einiger Kraft erheben wird. –
»Mein Oheim wollte seine Dynastie zur ältesten in Europa machen, indem er die Throne zertrümmerte, aber selbst seine gewaltige Kraft zerschellte an diesem Werke, weil in ihm ein innerer Widerspruch lag. Er entfernte die Könige, aber er glaubte, seinen Thron auf derselben Basis der Legitimität aufbauen zu können, auf welche jene alten Dynastieen ihr Recht begründeten. Dadurch machte er sich zum Feinde Aller, er rief die europäische Coalition hervor, der er einsam gegenüberstand, nachdem er das Prinzip der Revolution verläugnet, das allein als übermächtiger Bundesgenosse ihm den Sieg in seinem Kampfe hätte sichern können. –
»Wie der einzelne Mensch,« sprach er weiter, indem er sich wieder in den Lehnstuhl vor seinem Schreibtisch niedersetzte, »aus seinen Fehlern lernen muß, so ist dies noch mehr die Pflicht der Dynastieen, welche die Zeit dazu haben, die dem Einzelnen so oft fehlt. Nicht die Throne zu zertrümmern, nicht die Dynastieen zu stürzen, ist die Aufgabe, die ich mir nach dem Studium der Geschichte meines Hauses zu stellen habe – mein Ziel muß es sein, allen Thronen in Europa dieselbe Rechtsbasis zu geben, auf welcher der meinige beruht, die Rechtsbasis des Volkswillens, der demokratischen Monarchie. Das aber ist nicht möglich, so lange die Macht dieses Deutschlands in seiner monarchischen Gliederung und in seiner nationalen Einigkeit in Europa dasteht. –
»Ich habe die Idee des europäischen Congresses mehrfach angeregt,« – sprach er nach einer Pause, indem er den Kopf langsam auf die Brust niedersinken ließ, »ich hoffte, an die Stelle der Wiener Congreß-Akte ein neues vertragsmäßiges Völkerrecht zu setzen, in welchem meine Schöpfungen ihren Platz finden würden. – – –
»Sie haben mit diesen Congreß verweigert, die stolzen Fürsten Europa's,« rief er, sich emporrichtend mit flammendem Blick, – »Weil sie trotz aller Freundlichkeit, mit der sie die vollendete Thatsache annahmen, trotz aller Dankbarkeit, welche sie wirklich für mich empfanden, weil ich die Revolution, die sie alle bedrohte, gebändigt habe, – weil sie trotz alle dem den Boden ihres legitimen Rechts nicht verlassen wollen, – weil sie mir nicht den völkerrechtlich gleich Platz in ihrer Reihe einräumen wollen.
»Nun,« fuhr er fort, indem er lächelnd über seinen Schnurrbart strich, – »sie haben den Boden der Negociation, den Boden des diplomatischen Conferenzsales nicht gewollt, so mögen sie es sich selbst zuschreiben, wenn ich die Dämonen entfessele. – Aber nicht ich werde es sein, der die Brandfackel in das Gebäude des alten Völkerrechts schleudert, – sie selbst sollen diesen Bau zerstören, auf den sie so stolz sind, – und in welchem sie mir den Platz nicht einräumen wollen.
»Der Augenblick ist günstig,« rief er abermals aufstehend, – »Rußland, das noch an seinen Wunden des Krimkrieges heilt, – ist von Neuem gebunden und an jedem Eingreifen in die Verhältnisse Europa's gehindert durch diese polnische Frage, welche wie ein offenes Geschwür all' seine Kräfte absorbiert.
»Der Ehrgeiz Oesterreichs ist mächtig aufgeregt durch die Reformbewegung, welche einen Theil des deutschen Volks, im Gegensatz zu den früheren Traditionen, seine Blicke nach Wien richten lassen wird. Der innere Conflikt, welcher dem preußischen Staatsleben scheinbar seine Kraft raubt, erregt in Wien die Hoffnung, die populären Sympathieen Deutschlands zu erhalten, und der Kaiser Franz Josef hat die größte Neigung, mit raschem Griff die Hand auszustrecken nach der alten Kaiserkrone seines Hauses.
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