McDonald | Der Sturz des Raben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 544 Seiten

Reihe: Schwarzschwinge

McDonald Der Sturz des Raben

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-21634-4
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 3, 544 Seiten

Reihe: Schwarzschwinge

ISBN: 978-3-641-21634-4
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Durchdrungen vom Bösen ist dieser Held die letzte Hoffnung für die Freiheit.

Die finsteren Könige der Tiefe gewinnen immer mehr an Macht, und die Namenlosen – jene Götter, die die freien Menschen beschützen – müssen lernen, was es heißt zu sterben. Da holen die Könige der Tiefe zum letzten, alles vernichtenden Schlag aus. Nur ein Mann kann sie aufhalten. Ein Mann, der tiefer in die magische Öde des Elends eingedrungen ist als jeder andere. Ein Mann, der nun die Verderbnis des Elends selbst in sich trägt. Und doch sind die letzten Verteidiger der Freiheit bereit, ihm in eine verzweifelte Schlacht zu folgen. Es ist Ryhalt Galharrow, der letzte Kommandant der Rabenschwingen!

Die komplette Schwarzschwinge-Trilogie:
1. Im Zeichen des Raben
2. Der Schrei des Raben
3. Der Sturz des Raben

Ed McDonald hat viele Jahre lang zwischen verschiedenen Berufen, Städten und Ländern gewechselt, und das Einzige, was ihnen gemeinsam war, ist, dass sie ihm genug Zeit zum Schreiben gelassen haben. Derzeit lebt er mit seiner Frau in London, einer Stadt, die ihn ständig inspiriert und wo er als Universitätsdozent arbeitet. Wenn er nicht schreibt, kann man ihm beim Fechten antreffen – mit Langschwertern, Rapieren und Langäxten.
McDonald Der Sturz des Raben jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1


Ich warf mich in den Sand. Sie hatten mich nicht gesehen, und ich wusste nicht genau, mit wie vielen Gegnern ich es zu tun hatte. Nur dass ich viele von ihnen töten müsste.

»Wie ist der Plan?«, fragte Nenn. Sie saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Felsen und kratzte sich die Schwarzholzfasern aus den Zähnen.

»Entweder verschwinden wir, oder wir sind weiterhin still«, antwortete ich leise. »Wenn sie dich sehen, geht das Ganze ziemlich schnell nach hinten los.«

»Du hast mir beigebracht, nie gegen eine Übermacht zu kämpfen.« Nenn bekam die Faser zu fassen und warf sie in den Sand, wo sie auf Nimmerwiedersehen verschwand.

»Ich hab dir beigebracht, mit Verstand zu kämpfen«, knurrte ich. »Auch wenn uns das bisher nie was gebracht hat.«

Nenn dachte darüber nach und schnaubte verächtlich. »Zumindest hatten wir Spaß.«

»Würdest du zur Abwechslung mal tun, was ich sage, und verdammt noch mal die Klappe halten?«

Ich kroch vor, um eine bessere Sicht auf die trostlose Felslandschaft am Fuß des Hangs zu bekommen. Wogende braune Wedel wuchsen aus dem roten Sand, die jedoch eher an Wolle als an Pflanzen erinnerten. Das Elend wusste nicht mehr genau, was hier was sein sollte, dennoch boten mir die Büschel der merkwürdigen Vegetation ein wenig Deckung. Ich zog mein Fernrohr hervor und beäugte damit die Gegner vor uns. Zählte rasch durch. Mir gefiel nicht, was ich sah.

Ein Trupp aus Hörigen und eine Kolonne bepackter Ersatzpferde näherten sich aus der Richtung, in der momentan Osten lag. Eigentlich schickten weder die Großallianz noch die Hörigen Soldaten so tief ins Elend – das hatte erst in den letzten Monaten begonnen –, denn hier war die Magie mitunter besonders intensiv, weich und formbar. Die Gegend zog die großen Biester an; vielleicht kamen sie auch hier zur Welt, wo die giftige Energie die flaue Luft mit ihrem chemischen Geruch schwängerte. Die erste Patrouille der Hörigen, die hatte herkommen wollen, hatte sich womöglich verirrt. Die zweite auch. Die dritte hatte mich gefunden, und drei Patrouillen waren zu viel.

Meine rasche Zählung ergab: dreißig Hörige.

»Was hast du vor?« Nenn rieb sich den Bauch, als würde sie ihn sich am liebsten aufschneiden und nachsehen, was sich darin befand. Mitunter tat sie das sogar. Und manchmal widerte mich das nicht an. Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Dafür war ich der lebende Beweis.

»Ich gehe vor wie immer«, antwortete ich, obwohl Nenn sich gewiss nicht daran erinnerte. Geister sind außerstande, etwas zu lernen.

Ich nahm meine Muskete aus der Leinentasche. An mir selbst gab es nicht viel, was nicht schäbig oder ausgefranst war, mein Gewehr hingegen pflegte ich gut. Ich nahm es nur dann aus dem Tuch, wenn ich es abfeuern wollte, und packte es danach gleich wieder ein. Ich biss die Kappe des Pulverfläschchens ab, schüttete die Ladung in den Lauf, stopfte sie fest und spuckte aufs Pflaster. Ich hatte nur noch drei Musketenkugeln übrig. Wie lange war ich schon nicht mehr in der Stadt gewesen, um Nachschub zu kaufen? Ich wusste es nicht mehr. Doch für das, was ich im Sinn hatte, genügte ein Schuss.

Bei der Hörigen-Patrouille schien es sich um eine neue Zucht zu handeln. Hörige wiesen die unterschiedlichsten Formen auf, angefangen bei den aufgequollenen Bräuten bis hin zu den Kriegern mit wachsgrauer Haut, aber die hier hatten einen bläulichen Hautton und nur wenig ihrer Menschlichkeit bewahrt. Trotz der Entfernung erkannte ich durchs Fernrohr, dass ihre Gesichter keine markanten Züge aufwiesen, sondern eher einer glatten glitzernden Hautfläche glichen. Ihre Augen sahen aus wie schwarze Kugeln, die Münder waren kaum mehr als Schlitze. Keine Nasen. Sie ritten in enger Formation auf zotteligen, vierbeinigen Bestien, denen bislang kein dortmärkischer Gelehrter einen Namen gegeben hatte. Die Tiere hatten massige Leiber, liefen langsam und stammten vermutlich aus einem fernen, eroberten Land. Ich nannte sie Hurks, nach den Lauten, die sie ausstießen. Die Hörigen waren mit schweren Armbrüsten und Lanzen bewaffnet, trugen hochwertige Rüstungen, Klingen und Hämmer. Gut ausgestattet.

Und sie jagten mich. Hier draußen gab es außer mir niemanden.

Ich brachte das Fernrohr auf dem Musketenlauf an. Es gab nicht viele Fernrohre wie meins auf der Welt. Vielleicht sogar kein zweites. Dank Maldons Kunstfertigkeit zog es sich automatisch ein und stellte sich auf die jeweilige Entfernung scharf. Ich hatte keine Ahnung, wie das funktionierte, doch es hatte mich von einem Durchschnittsschützen zu einer Gefahr für jeden Scharfschützen gemacht. Ich suchte mir das richtige Ziel aus.

Der Anführer war leicht zu erkennen. Er trug mehr Gebetsbänder um die muskulösen Arme als der Rest, Dutzende, auf denen Kritzeleien in roter und schwarzer Tinte von seinem Glauben zeugten. Sein Gesicht war leichenblau und so merkmalslos wie bei den anderen, sein Brustpanzer hingegen wies eine Blattgoldprägung auf: das Mal von Acradius, einem König aus der Tiefe. Ein Sklavenmal, das er wie einen Orden trug. Ich zielte zwischen die Augen des Hauptmanns und schwenkte dann weiter. Wenn ich ihn tötete, würde sein Stellvertreter ihn ersetzen, und ich hatte nur einen einzigen Schuss. Der musste zählen.

Ich fand mein Ziel in der Mitte der langsamen Kolonne. Der Hörige war schmächtiger als seine Kameraden ringsum, wies eine andere Form auf. Seine Nase, die Lippen und das Haar zeigten noch entfernt menschliche Merkmale. Er trug eine altmodische, reich verzierte Bronzerüstung: ein Zeichen der Ehrbezeugung für seinen Meister. Ich wusste nicht genau, ob meine Muskete auf diese Entfernung genug Durchschlagskraft für die Rüstung hätte. Der Hörige war in der Kolonne wohl am ungefährlichsten von allen, trotzdem war er derjenige, auf den es ankam. Das Instrument, das er trug, ließ ihn hervorstechen: ein Astrolabium, mit dem man die Mondpositionen messen konnte. Ein Gewirr aus Messingzahnrädern und Linsen, dicke und dünne. Er war der Navigator, der die Monde las, denn nur sie wiesen im Elend die nötige Konstanz für eine Kursberechnung auf.

»Du hast bloß einen Schuss«, sagte Nenn. »Den sie hören werden.«

»Danke. Wusste ich gar nicht«, antwortete ich. »Was schert dich das überhaupt?«

Grinsend zuckte sie mit den Achseln.

Ich hasste Nenns Geist. Mir war klar, dass sie nicht echt war, trotzdem reagierte ich auf sie wie zu ihren Lebzeiten. Auch das hasste ich.

Ich zündete die Musketenlunte an, bereit, das Pulver in der Pfanne zu entfachen. Der säuerliche Rauch stieg mir in die Nase, der Duft eines guten alten Freundes. Ich atmete ihn ein. Den herben Geruch des Elends nahm ich kaum noch wahr. Ebenfalls etwas, an das ich mich mit der Zeit gewöhnt hatte. Und Zeit hatte ich genug gehabt. Sechs Jahre, um genau zu sein.

»Glaubst du, sie werden dich töten, wenn du schießt?«, fragte Nenn.

»Sie werden’s versuchen.«

Ich visierte mein Ziel an. Erwog, dem Navigator eine Bleikugel durch den Kopf zu jagen, doch die Hörigen hatten dicke Schädel, und nicht jeder Treffer war tödlich. Ich hatte ein besseres Ziel. Ein Schweißtropfen rann mir die Wange hinab. Langsam atmete ich aus, bis meine Lunge leer war, und lauschte auf meinen Herzschlag.

Der Abzug klickte, das Pulver entzündete sich, das Gewehr donnerte, und das Messingastrolabium in den Händen des Navigators zerplatzte in zahllose Metall- und Glassplitter. Die Kugel flog weiter, durchschlug seinen bronzenen Brustpanzer und trat auf der Rückseite aus. Die Lasttiere ringsum schrien auf, die kaputten Messingskalen, Ringe und Stangen fielen dem Navigator aus den zuckenden Fingern, dann kippte er aus dem Sattel.

Von diesem Moment an waren sie alle tot, so sicher, als hätte ich jedem von ihnen eine Kugel in den Kopf gejagt. Das Einzige, was du im Elend niemals verlieren darfst, ist dein Navigator. Im endlosen Sand rotiert die Kompassnadel, und die Landmarken bekommen Beine und tauchen irgendwo anders wieder auf. So tief im Elend hatten die Hörigen schlechtere Chancen, es nach Dhojara zurück zu schaffen, als ich, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen.

»Was, wenn sie einen zweiten Navigator haben?«, fragte Nenn.

Ich richtete mein Zielfernrohr auf den getroffenen Hörigen. Die anderen umschwärmten ihn, wollten ihn mit ihren Körpern abschirmen.

»Sie haben nie mehr als einen dabei«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht, aus was für einer Zucht die blauen stammen, aber ohne ihn finden sie nicht nach Hause zurück. Sieh dir den Hauptmann an. Er hat gerade erst begriffen, dass er komplett im Arsch ist.« Ich schaute nach rechts, doch Nenn war inzwischen links von mir wieder aufgetaucht. Sie erwiderte mein wildes Grinsen.

Die Hörigen grinsten nicht. Sie erhoben die Stimmen zu einem wütenden Klageschrei und zückten die Klingen. Ihre verzierten Rüstungen zeigten eingravierte Gebete der Bewunderung für ihre Gottkönige, und ihre Fürbitten flatterten auf beschrifteten Schmuckbändern im Wind. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass keiner von ihnen innig genug gebetet hatte.

»Bist du sicher, dass du das durchdacht hast?«, fragte Nenn.

»Das fragst du mich immer.«

»Wie willst du sie alle töten?«

»Muss ich nicht.«

Inzwischen hatten mich die Hörigen entdeckt, die blanken Gesichter und bernsteinfarbenen Augen richteten sich auf die emporsteigende Wolke meines Pulverrauchs. Sie wussten, auf diese Entfernung würden sie mich mit ihren Armbrustbolzen wohl verfehlen. Davon abgesehen war ich bloß ein einzelner Gegner. Ich erhob mich, damit...


McDonald, Ed
Ed McDonald hat viele Jahre lang zwischen verschiedenen Berufen, Städten und Ländern gewechselt, und das Einzige, was ihnen gemeinsam war, ist, dass sie ihm genug Zeit zum Schreiben gelassen haben. Derzeit lebt er mit seiner Frau in London, einer Stadt, die ihn ständig inspiriert und wo er als Universitätsdozent arbeitet. Wenn er nicht schreibt, kann man ihm beim Fechten antreffen – mit Langschwertern, Rapieren und Langäxten.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.