McCormack | Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

McCormack Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95829-688-6
Verlag: Steidl Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-95829-688-6
Verlag: Steidl Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Marcus Conway hat sich bemüht, ein guter Mensch zu sein und doch vieles falsch gemacht, hat Erwartungen geweckt und enttäuscht, Träume gehegt und aufgegeben, fühlte sich zum Priester berufen und ist doch Ingenieur geworden. Er hat seine Frau betrogen und wiedergewonnen, er liebt seine erwachsenen Kinder, tut sich aber schwer damit zu akzeptieren, was sie so treiben. Nun steht er an einem grauen Novembertag in seiner Küche, und alles ist auf seltsame Weise anders. Er hört Radio, liest Zeitung, genau wie sonst, nur wird er das Gefühl nicht los, dass die Welt kurz vor dem Kollaps steht, und dass das irgendwie auch mit ihm zu tun hat. Marcus Conway erinnert sich an sein Leben mit der Präzision eines Ingenieurs und dem feinen Gespür eines Dichters. Mike McCormacks ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann entfaltet einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Er schärft den Blick für das scheinbar Alltägliche und zeigt, dass die vielleicht einzig angemessene Reaktion auf unser Dasein das Staunen ist.

Mike McCormack, geboren 1965 in London, wuchs auf einer Farm in Louisburgh im County Mayo im Westen Irlands auf. Er studierte Englische Literatur und Philosophie in Galway. Sein Debüt Getting it in the Head (1996), ein Band mit Kurzgeschichten, war ein Überraschungserfolg und New York Times Notable Book of the Year. McCormack wurde mit dem Rooney Prize für Irische Literatur ausgezeichnet. Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann, McCormacks fünftes Buch, erschien in Irland 2016. Mike McCormack lebt mit seiner Familie in Galway und lehrt dort an der Universität.
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er denn wirklich wolle, dass es unter seiner Obhut so weit komme,

das würde er den Abgeordneten fragen,

wollte er das wirklich,

wollte er, dass es kaum sieben Kilometer von seinem Wahlbüro entfernt dazu komme, wo die Leute sich doch tagtäglich mit diesem Schandfleck einer von Unkraut überwucherten Baustelle konfrontiert sahen, Leute, die sonntags auf dem Weg zur Messe daran vorbeimussten – wollte er wirklich, dass es mitten in seinem Wahlkreis so weit komme, kaum fünfzehn Monate, ehe die Leute anlässlich der nächsten Parlamentswahl wieder zur Urne gingen,

wollte er das,

genau das würde er fragen,

oder etwas in der Art, weil

Hanleys missmutige Laune in der Stille nach unserem Gespräch weitergären würde, und ich wusste genau, dass dies eine jener Auseinandersetzungen war, die ich verlieren würde, eines von jenen Beispielen, die deutlich machten, dass die Welt von Politikern und nicht von Ingenieuren regiert wird – das alte Klagelied der Ingenieure – eine Einsicht, die mich nicht weiter verwunderte, die mir auch keine schlaflosen Nächte mehr bereitete, waren die Zeiten doch längst vorbei, in denen ich mir Sorgen machte, weil ich als Ingenieur sowohl von Politikern als auch von Bauunternehmern in die Zange genommen wurde, die sich beide über ingenieurstechnische und umweltpolitische Erwägungen hinwegsetzen wollten, was, wie ich mir ausrechnen konnte, bereits geschehen sein dürfte, wenn ich, sobald es Mairead wieder besser ging, wie lange das auch immer dauern mochte, ins Büro zurückkehrte, eine Zeit, in der Mairead ihre Kraft

durch pulsierende Hitzewellen und Schweißausbrüche verlor, stets im Zentrum ihres eigenen fiebrigen Glorienscheins, während ich Wasser und Handtücher holte, als sei ich vom Fieber selbst aus dem einzigen Grund erwählt, Zeuge seiner kaltblütigen Wildheit und Erbarmungslosigkeit zu sein, während ich zugleich darüber staunte, dass etwas, das es inzwischen ins Fernsehen geschafft hatte, Leitartikel hervorbrachte, für Schlagzeilen sorgte,

Nachricht war,

auf eben jene Weise, der zufolge politische Phänomene für mich zu Nachrichten wurden, unter meinem Dach heimisch geworden war, und so

am Ende des Flurs im hinteren Schlafzimmer, Ingenieurskunst und Politik in der schmalen Gestalt meiner im Bett liegenden Frau zusammenfanden, ihr Körper und ihre Seele jetzt mit der politischen Arena verbunden, was Mairead, wäre es ihr bewusst gewesen, gewiss verblüfft hätte, gehörte sie doch zu jenen, die ihre Stimmabgabe bei einer Wahl und ähnliche Pflichten verantwortungsvoller Bürger für ein notwendiges Ärgernis hielten und die mit wenig oder keinerlei Interesse am Ergebnis die Wahlkabine betraten, eine Bande so übel wie die andere, ja, manchmal fragte Mairead mich vorher im Auto

wen soll ich wählen,

unterscheiden die sich überhaupt,

denn sie war davon überzeugt, dass alle Wahlen, regionale wie nationale, letztlich nur läppische Feineinstellungen an einem versteinerten, monolithischen System waren, das für richtige Reformen unzugänglich blieb, ein unwiderstehlicher, irreversibler Prozess, dieweil ich

mich in den folgenden Tagen in dieser Keim-Geschichte auf dem Laufenden hielt, die nach ersten Zeitungs- und Radiobeiträgen bald auch in allen überregionalen Nachrichtensendungen Schlagzeilen machte, ein Umweltproblem, kein Gesundheitsproblem, wie man vorsichtig andeutete, das seinen Platz in einer Welt behauptete, die von größeren und wichtigeren Problemen geplagt wurde, Problemen, die in jenen fünf, sechs Nachrichtensendungen detailliert dargelegt wurden, die ich mir im Laufe des Tages ansah oder anhörte, ganz Auge und Ohr für die geringsten Entwicklungen in dieser Geschichte, wusste ich doch,

ich gehörte zu jenen Menschen, die ihren Tag entsprechend der Radionachrichten einteilen, von dem Moment an, da ich morgens aus dem Bett stieg und mit einem Becher Tee in der Küche stand, um den Seewetterbericht zu hören, diese eintönige Litanei der Namen von Orten entlang der Küste,

Belmullet, ostdrehend, fünf, heiter, neun Meilen, 1018 Millibar, beständig

Roches Point-Leuchtturm, ost-südost-drehend, bewölkt, sieben Meilen, 1020 Millibar, langsam nachlassend

Valentia, ost-südost-drehend, elf, wolkig, sieben Meilen, 1020 Millibar, langsam nachlassend,

langsam nachlassend,

gefolgt vom Zeitton, der die Nachrichten einleitete, jener Ton, der mir stets versicherte, dass der Tag nun erst richtig anfing, die Welt wach war und ihren Geschäften nachging, dass sie mit den Meldungen über Konflikt und Aufruhr daheim und im Ausland langsam auf Touren kam, Meldungen über kommerzielle und politische Fortune schwappten über Grenzen und Zeitzonen mit auf- oder abgewerteten Währungen oder Regierungen hinweg, diese ganze globale Komödie, und zum Schluss der Wetterbericht, der unweigerlich Regen oder eine Kaltwetterfront ankündigte, während ich

meinen Becher ausspüle und ihn aufs Abtropfbrett stelle, dann zur Arbeit fahre, wo ich einige Stunden am Schreibtisch sitze, bis ich um elf die Schublade aufziehe und mein Transistorradio mit seiner silbernen Antenne hervorhole – ich fand es immer schon irgendwie traurig, wie dieser kleine Empfänger sich abmüht, im Herzen dieses Betonbunkers ein Signal zu empfangen –, um bei Kaffee und Sandwich den Schlagzeilen zu lauschen, wonach ich mich wieder an die Arbeit mache, nur um den Apparat um ein Uhr für die Hauptnachrichten erneut einzuschalten, die volle Mittagsdröhnung mit Interviews und Analysen, die mich bis zur Abendsendung um sechs hier am kleinen Fernseher in der Küche durchhalten lässt, die landesweiten Nachrichten hatten sich inzwischen zugespitzt und wurden breit analysiert, wonach die Nachrichten um neun gewöhnlich nur noch eine Zusammenfassung der Tagesereignisse bringen, unverzichtbar für den inneren Seelenfrieden am Ende eines Tages, aber eher altbacken hinsichtlich neuer nationaler Themen, die sich um diese Uhrzeit im Großen und Ganzen für die Nacht zur Ruhe begeben hatten, weshalb sich meine Aufmerksamkeit nun den globalen Dramen zuwendet, die sich in jenen Gegenden entfalten, in denen noch Tageslicht herrscht, bis ich schließlich, nach Mitternacht, Mairead liegt bereits im Bett, noch einige Minuten in der Küche stehe und mir auf Sky News die Zusammenfassung der wichtigsten Schlagzeilen des Tages ansehe, ehe ich zu Bett gehe, alles in allem,

von früh bis spät,

sechs, sieben Nachrichtensendungen also, die in regelmäßigen Abständen

meine Aufmerksamkeit verlangen, der Tag eingeteilt wie durch die klösterlichen Regeln eines wachsamen Ordens, der im Einklang mit dem Rhythmus der Welt und all jenen Unruhen lebt, die sich als der Geschichte ungeheurer Lauf entfalten, und zu meiner Verantwortung als Bürger gehört es, damit Schritt zu halten, mich einzustellen auf diese fernen Wallungen, auch wenn sie mich wohl kaum mit der unmittelbaren Wirkung von Bomben oder Kugeln treffen, aber wer will schon sagen, ob sie mich mit ihren elektrischen Fingern nicht auf eine Weise berühren, die mein Leben anders ausrichten oder in neue Bahnen lenken könnte, sodass

auf diese Weise die Nachrichten meinen Tag mit einem anderen Rhythmus unterlegen, ein steter Puls von früh bis spät, und erst als ich es so betrachtete, fiel mir noch etwas auf, es war

ein Erbe meines Vaters, der

auch ein treuer Nachrichtenhörer war, seine Tage demselben Rhythmus unterworfen, setzte er sich zu Frühstück und Abendbrot doch pünktlich zum Zeitton für die Nachrichten an den Tisch, nahm die Mütze ab und hängte sie an die Stuhllehne, während er dem alten Röhrenradio lauschte, das auf dem breiten Fensterbrett stand, und

bis zu jenen fiebrigen Tagen von Maireads Krankheit war mir nie aufgefallen, dass meine eigene Angewohnheit, Nachrichten zu hören, eben genau dies war – eine vom Vater übernommene Angewohnheit –, die mir durch die Umstände von Maireads Erkrankung aber ein geschärftes Gespür dafür eintrug, in einen größeren, nicht nur mich allein betreffenden Prozess verwickelt zu sein, was mich anfangs verblüffte, denn auch wenn ich mich im abstrakten Sinne als Bürger dieses Landes begriff – vollwertiges Mitglied einer Demokratie, seit Beginn der Volljährigkeit keine einzige Wahl versäumt -, hatte ich doch nie direkt gespürt, dass die Kraft der Geschichte mein alltägliches Leben unmittelbar beeinflusste, nicht einmal, wie ich zugeben muss, während jener Sitzungen, in deren Verlauf über große öffentliche Aufträge und Budgets entschieden wurde, Treffen, auf denen ich neben Politikern und Bauunternehmern saß, um über diesen oder jenen Punkt, diese oder jene Abänderung oder Entwicklung zu diskutieren, auch wenn ich die ganze Zeit wusste, dass ich als Ingenieur schlechte Karten hatte, weshalb ich aller Wahrscheinlichkeit nach in einigen ingenieurstechnischen Fragen zugunsten politischer Erwägungen nachgeben musste, etwa bei der Entscheidung, ein öffentliches Bauprojekt vom idealen Gelände in jenen Teil des Landes zu verlegen, der dem Politiker am anderen Tischende besser in den Kram passte, war ihm doch daran gelegen, das Band zu durchschneiden und den Fototermin wahrzunehmen, selbst da hatte ich mich nicht recht als engagierten Bürger mit einer politischen Agenda wahrgenommen, hatte so wenig daran gedacht, dass ich, hätte man mich nachdrücklich darauf hingewiesen, verblüfft oder gar peinlich berührt gewesen wäre bei dem Gedanken, der

mich in jenen Tagen belastete, während derer meine Frau zwei Bettbezüge und Pyjamas am Tag durchschwitzte und mir durch ihre Qual bewies, dass Geschichte und Politik jetzt etwas...


McCormack, Mike
Mike McCormack, geboren 1965 in London, wuchs auf einer Farm in Louisburgh im County Mayo im Westen Irlands auf. Er studierte Englische Literatur und Philosophie in Galway. Sein Debüt Getting it in the Head (1996), ein Band mit Kurzgeschichten, war ein Überraschungserfolg und New York Times Notable Book of the Year. McCormack wurde mit dem Rooney Prize für Irische Literatur ausgezeichnet. Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann, McCormacks fünftes Buch, erschien in Irland 2016. Mike McCormack lebt mit seiner Familie in Galway und lehrt dort an der Universität.

Robben, Bernhard
Bernhard Robben, geboren 1955, wohnt in Brunne/Brandenburg und übersetzt aus dem Englischen u.a.: Salman Rushdie, John Steinbeck, Ian McEwan, John Williams, Patricia Highsmith, Philip Roth und John Burnside. 2003 erhielt er den Übersetzerpreis der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen, 2013 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis geehrt.



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