McCauley | You are (not) safe here | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

McCauley You are (not) safe here

Psychologischer Spannungsroman, intensiv und authentisch erzählt
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-423-43702-8
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Psychologischer Spannungsroman, intensiv und authentisch erzählt

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-423-43702-8
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn die größte Bedrohung für dein Leben dort lauert, wo du dich am sichersten fühlen solltest - in deinem Zuhause Tausende Krähen belagern die Kleinstadt Auburn, Pennsylvania, und es werden immer mehr.  Alle Einwohner empfinden dies als Bedrohung - alle außer der 17-jährigen Leighton und ihren beiden jüngeren Schwestern. Denn die größte Gefahr lebt in ihrem Zuhause: ihr Vater, der immer wieder gewalttätig wird - und ihre Mutter, die schweigt und ihn nicht verlässt. Und die Nachbarn, die konsequent wegschauen. Leighton würde nichts lieber tun, als der Stadt den Rücken zu kehren, aber sie kann und will ihre Schwestern nicht zurücklassen. Denn eins ist klar: Irgendwann wird die Situation eskalieren...

Kyrie McCauley war bereits Kellnerin, Babysitterin, Sängerin und ACLU-Aushilfe und ist jetzt Mutter und Autorin. Sie hat einen Master of Science in Sozialpolitik und lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einigen verzogenen, weil sehr geliebten Katzen nahe Philadelphia.
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1. KAPITEL


Es passiert in den Ausdehnungen der Stille, dass ich mich frage, ob sie ganz einfach tot ist.

Mein Fenster steht offen, die hölzernen Läden sind weit aufgerissen, um den Luftzug hereinzulassen, den es nicht gibt. Ich sauge die Luft ein, die schwer ist von all der Schwüle, und schaue hinauf in den nächtlichen Himmel. Tiefe Wolken, aber kein Regen.

Mutter Natur, du kannst so unfair sein.

Unsere ganze Stadt wartet auf Regen, dass er die Dürre beendet. Auf Regen, der den Schweiß wegspült, den Schweiß, der uns Tag für Tag am Körper klebt, sobald wir das Haus verlassen. Auf Regen, der auf die harte trockene Erde zwischen den verdorrenden Getreidehalmen der Felder trommelt. Regen ist Leben. Regen ist Vergebung.

Regen wäscht schneller sämtliche Sünden fort, als es ein Pfarrer je könnte.

Ich höre es erneut: ein tiefes Grummeln. Aber das täuscht, das ist kein Donner. Seine Stimme ist so laut wie die Stimme Gottes und so böse wie die des Teufels. Ich versuche, sie auszublenden, doch dann höre ich das leise Tappen kleiner Füße auf dem Teppich im Flur. Im nächsten Moment geht die Tür auf und die Mädchen kommen herein. Wir drei setzen uns unter das Fenster – die eine Schwester links, die andere rechts unter meinen Armen zusammengekauert.

Als ob ich sie beschützen könnte.

Meine Arme schlingen sich um ihre Schultern: »Alles gut«, flüstere ich, für sie und für mich.

Ein Schrei erfüllt das Haus. Das ist nicht Mom. Es ist der Anfangsschrei eines klassischen Rocksongs. Als die Bassdrum loswummert, erzittert die Tür zu meinem Zimmer.

Es ist eine Nacht mit voller Dröhnung.

Ein schwacher Lufthauch dringt durch das offene Fenster über uns. Die dünnen Muskelstränge in den Armen meiner Schwestern spannen sich vor Angst. Ich schaue hoch und sehe die dunkle Silhouette eines Vogels auf der gegenüberliegenden Zimmerwand.

»Ist nur Joe«, sage ich und löse mich aus ihrer Umklammerung. Ich drehe mich um und schaue in ein wildes, schimmerndes schwarzes Auge. Der Schnabel des Vogels wirkt aus dieser Nähe boshaft scharf. Gewöhnlich kommt er nicht bis ans Fenster. Gern hockt er auf unserem Briefkasten, dem Zaun bei der Bushaltestelle an der Ecke oder auf dem untersten Ast des Baums im Vorgarten. Joe ist einzigartig unter den anderen schwarzen Vögeln, er unterscheidet sich durch die grauen Federn an Bauch und Rücken. Und auch durch seinen Willen, in unserer Nähe zu sein – ständig.

Joe krächzt. Er schüttelt prahlerisch seine Flügel und dreht sich um.

»Tschüs, Joe«, sagt Juniper, als er davonfliegt.

Unten kracht etwas zu Boden.

»Mom«, sagt Campbell. Ich male mir aus, dass Mom verletzt ist. Und weint. Ich sehe Cam in die Augen und finde meine Angst in ihnen gespiegelt.

»Ich schau mal nach ihr.« Es hat keinen Sinn, bei der Musik zu flüstern, deshalb brülle ich fast. Ich drücke die knochigen Hände der zwei, ein einzelner Drumbeat der Beschwichtigung, und stehe auf.

Als ich die Treppe erreiche, spielt er die Greatest Hits von Guns N’ Roses so laut, dass es mir in den Zähnen wehtut, und trotzdem höre ich ihn. Ich werfe einen Blick übers Geländer und sehe, er ist in der Küche. Wenn ich es nicht wüsste, hätte ich Sorge, die dunkelrote Färbung seiner Haut deute auf einen medizinischen Notfall. Doch es ist Wut. Schiere, unkontrollierte Wut. Das Pulverfass heute Nacht war eine anstehende Hypothekenzahlung. Der zündende Funke eine Stromrechnung, doppelt so hoch wie sonst. Es war ein heißer August und die Klimaanlage hatte zu viel zu tun.

Ich kann das abgerundete graue Metall oben auf dem Kühlschrank nur gerade so eben erkennen. Er hat seine Pistole immer in Griffweite. Er sagt, sie nützt nichts, wenn er sie bei einem Überfall erst lange suchen muss, doch gerade in Momenten wie diesem denke ich an sie. Es ist immer dieselbe Frage, die in mir hochkommt. Ist es heute Abend so weit, dass er nach ihr greift?

Mom taucht in meinem Blickfeld auf. Ihre langen roten Haare hängen lose und zerzaust herab. Sie ist auf dem Weg zur Stereoanlage.

Er rennt hinter ihr her, jeder Schritt ein winziges Beben in dem alten Haus. Er selbst ist eine schwere Abrissbirne und prescht durch den Raum, Mom hinterher, als ihre Hand den Lautstärkeregler berührt.

Er stößt sie gegen die Tür des Hi-Fi-Schranks, die mit voller Wucht nach hinten gegen die Wand fliegt. Ein Stück Putz löst sich dort, wo sie einschlägt. Mom reibt sich die Schulter, sagt aber nichts.

Meine Angst sitzt gefangen in meinem Brustkorb. Sie schlägt mit ihren nutzlosen, verängstigten Flügeln, während ich wieder zurück nach oben schleiche.

»Sie ist okay«, erkläre ich den Mädchen. »Aber ich muss die Polizei rufen.«

»Das Telefon ist tot«, erinnert mich Campbell. Wenn die Ausbrüche losgehen, reißt er das Kabel aus der Wand. Er platziert es auf dem Küchentisch – gut sichtbar, aber nutzlos.

»Ich muss Hilfe holen.« Ich werfe einen Blick zum Fenster. Cam merkt es.

»Ist das nicht zu hoch?«, fragt sie. Falls sie Angst hat, hört man es ihrer Stimme zumindest nicht an. Mit ihren dreizehn Jahren ist Campbell ein Musterbeispiel für Ruhe und Gelassenheit. Sie begreift die Gefahr, in der wir sind. Und sie weiß auch, wann es besser ist, dies vor Juniper zu verbergen.

»Überhaupt nicht.« Ich klettere aus dem Fenster hinaus auf das Dach über unserer Veranda. Die Luft ist immer noch schwer von Feuchtigkeit getränkt, belastet von Dingen, die sie nicht allzu lange mehr tragen kann. Ich weiß nur zu gut, wie sich das anfühlt. Bald wird der Himmel aufbrechen.

Als ich draußen bin, warte ich einen Moment und checke die Lage. Vielleicht wird er sie hier draußen nicht finden. Zumindest nicht gleich.

»Kommt raus«, sage ich zu ihnen und deute auf das andere Ende des Dachs, wo es auf das Haus trifft und einen kleinen Winkel bildet. »Alles gut. Das wird ein Abenteuer.«

Campbell schwingt sofort ihre Beine über die Fensterbank und kriecht in den Winkel, aber Juniper zögert.

»Ich hab Angst, Leighton«, sagt sie. Ein verschrobener kleiner Teil in meinem Kopf ist dankbar, dass Juniper Angst hat. Dass sie mit ihren neun Jahren schon so viele Nächte in Schatten wie diesem versteckt zugebracht hat und immer noch weiß, es ist nicht normal.

»Hey, Schatz, schau mich an. Alles ist gut. Du kuschelst dich einfach an Campbell. Warte, nimm Ava-Bär mit.«

Ich greife ins Zimmer, baumele über der Fensterbank und taste nach meinem Bettende. Etwas, das weich ist wie Flaum, erfüllt meine Hand, als ich den Teddy erreiche. Ich beuge mich zurück aus dem Fenster und strecke Juniper meinen geliebten Stoffbären entgegen.

Junie schüttelt ablehnend den Kopf.

Etwas grollt von unten und ist nicht die Musik. Mein Magen zieht sich zusammen. Er ist so wütend an diesem Abend.

Ich lasse den Teddy fallen, hocke mich an das Fenster und sehe die Tränen in Junipers dunklen Augen.

»Wie groß ist dein Mut?«, frage ich sie.

Ich habe den Satz geklaut, direkt aus unserer Vergangenheit. Ich habe ihn aus meiner schöneren frühen Kindheit herausgeschnitten, aus der Zeit, als Mom ihn zu mir sagte, um mich auf ein Fahrrad oder ein Karussell zu locken. Und ich habe ihn hierhergebracht, in diese schreckliche Nacht. Doch ich brauche den Satz – für Juniper.

»So groß«, sagt Juniper und klettert aus dem Fenster. Ich führe sie zu Cammy hinüber.

Der Baum in unserem Garten schwankt, obwohl kein Wind geht.

Krähen.

Vögel hocken dicht an dicht auf den Ästen. Es müssen fast hundert sein. Mehr. Junipers leises Gewimmer drängt die Krähen aus meinem Kopf. Ich schwinge die Beine über die Dachkante und lasse mich fallen, bevor ich es mir doch noch anders überlege. Es ist ein kurzer Fall, doch ich schlage hart auf und verliere das Gleichgewicht. Meine Hände streifen den Gehweg, auf dem ich mich fange. Sie bluten. Ich schaue nach oben und sehe, wie Campbell herabspäht. »Alles okay«, zisch ich ihr zu. »Geh zurück!« Ich verschwimme mit dem Dunkel des Gartens, wohin das Verandalicht nicht reicht – gerade als er am Küchenfenster vorbeikommt.

Als er sich umdreht, renne ich los. Es gibt nur ein weiteres Haus an unserer Straße. Wenn wir uns je sicher in unserem Haus fühlen würden, könnte man sagen, es ist malerisch hier, mit den Bergen im Hintergrund und nichts als der endlosen Weite idyllischer Felder.

Aber wir fühlen uns nicht sicher, weshalb ich das Haus eher abgelegen nennen würde. Isoliert.

Alcatraz.

Doch es gibt eine Nachbarin. Die alte Mrs Stieg. Höchstens hundert Meter entfernt in einem Farmhaus, das locker ein halbes Jahrhundert älter ist als unser Haus, aber perfekt instand gehalten. Während ich die Straße entlangjage, schaue ich kurz zurück. Ich suche nach zwei Schatten auf dem Verandadach, doch mein Blick wird weiter nach oben gezogen.

Krähen bedecken unser Hausdach. Dunkle Schindeln, verhüllt von noch dunkleren Federn.

Als ich das Haus unserer Nachbarin erreiche, schließe ich die Finger über der noch vom Sturz brennenden Handfläche und schlage mit der Faust gegen die Tür. Oben flackert ein Licht auf und in mir schwillt die Hoffnung an.

Das Licht geht wieder aus.

Ich klopfe fester, doch ich weiß schon, sie wird nicht kommen.

Angst krampft sich in meiner Brust zusammen, will raus. Niemand sonst wohnt in der Nähe. Ich kann meine Schwestern nicht so lange allein lassen, um ein paar Meilen bis in die Stadt zu laufen. Ich überquere wieder die Straße. Als ich...


McCauley, Kyrie
Kyrie McCauley war bereits Kellnerin, Babysitterin, Sängerin und ACLU-Aushilfe und ist jetzt Mutter und Autorin. Sie hat einen Master of Science in Sozialpolitik und lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einigen verzogenen, weil sehr geliebten Katzen nahe Philadelphia.

Gutzschhahn, Uwe-Michael
Uwe-Michael Gutzschhahn, geboren 1952, studierte Anglistik und Germanistik und schloss sein Studium mit der Promotion ab. Er war viele Jahre als programmverantwortlicher Lektor in diversen Verlagen tätig und lebt heute als Autor, Übersetzer, Herausgeber und freier Lektor in München. Seine Bücher wurden vielfach prämiert, für sein Gesamtwerk als Übersetzer erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Kyrie McCauley war bereits Kellnerin, Babysitterin, Sängerin und ACLU-Aushilfe und ist jetzt Mutter und Autorin. Sie hat einen Master of Science in Sozialpolitik und lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einigen verzogenen, weil sehr geliebten Katzen nahe Philadelphia.

Kyrie McCauley war bereits Kellnerin, Babysitterin, Sängerin und ACLU-Aushilfe und ist jetzt Mutter und Autorin. Sie hat einen Master of Science in Sozialpolitik und lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einigen verzogenen, weil sehr geliebten Katzen nahe Philadelphia.



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