E-Book, Deutsch
McCaffrey Drachenauge
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-20885-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Drachenreiter von Pern, Band 14 - Roman
E-Book, Deutsch
ISBN: 978-3-641-20885-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die ersten Siedler auf dem Planeten Pern glaubten, ein Paradies gefunden zu haben. Doch sie erlebten eine böse Überraschung, als der Rote Begleiter der Sonne Perns, ein vagabundierender Stern, sich ihrer neuen Heimat näherte. Ein gefräßiger fadenförmiger Organismus fiel über die Kolonie her, verbrannte Menschen und Tiere und verheerte die Felder. Als zweihundertfünfzig Jahre später die nächste periodische Annäherung erfolgt, rüsten die Siedler und Drachenreiter sich, um der Gefahr entgegenzutreten. Doch manche Grundbesitzer nehmen die Drohung nicht ernst, halten die Berichte der Vorfahren für maßlos übertrieben und weigern sich, Geld für Schutzmaßnahmen auszugeben. Mit schrecklichen Folgen, denn das Unheil nähert sich mit astronomischer Präzision …
Anne McCaffrey wurde am 1. April 1926 in Cambridge, Massachusetts, geboren, und schloss 1947 ihr Slawistik-Studium am Radcliffe College ab. Danach studierte sie Gesang und Opernregie. In den Fünfzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, ab 1956 widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 1967 erschien die erste Story über die Drachenreiter von Pern, „Weyr Search“, und gewann den Hugo Award im darauffolgenden Jahr. Für ihre zweite Drachenreiter-Story „Dragonrider“ wurde sie 1969 mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Anne McCaffrey war die erste Frau, die diese beiden Preise gewann, und kombinierte die beiden Geschichten später zu ihrem ersten Drachenreiter-Roman „Die Welt der Drachen“. 1970 wanderte sie nach Irland aus, wo sie Rennpferde züchtete. Bis zu ihrem Tod am 21. November 2011 im Alter von 85 Jahren setzte sie ihre große Drachenreiter-Saga fort, zuletzt zusammen mit ihrem Sohn Todd.
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KAPITEL 2
Versammlung in Fort
»Cliss, was, um alles in der Welt, ist in dich gefahren?«, fuhr Sheledon ihn wütend an. Er war der Direktor der Kunstfakultät des Kollegiums und hütete eifersüchtig seine Freizeit, die er zum Komponieren brauchte.
»Nun«, begann Clisser, Sheledons vorwurfsvollem Blick ausweichend, »Tatsache ist, dass das Kollegium über mehr Dokumente verfügt als jede andere Einrichtung; überdies sind wir besser qualifiziert, Berichte einzuschätzen und zu bewerten als ein Amateur. Aufgabe des Kollegiums ist es nun mal, für Bildung und Wissenschaft zu sorgen.«
»In erster Linie sind wir dazu da«, entgegnete Danja – die mit ihrer Zeit genauso geizte wie Sheledon, weil sie in einem Streichquartett mitwirkte –, »jungen Leuten, die lieber Drachen reiten oder Grundbesitz an sich raffen möchten, den Gebrauch ihres Verstandes beizubringen. Und manche von ihnen dahin gehend zu manipulieren, dass sie tatsächlich losziehen und ihr Wissen an die sich ständig vermehrende Perneser Bevölkerung weitergeben.«
Tanzmusik wehte ihnen entgegen, doch Sheledon und Danja waren zu erbost, um den flotten Rhythmus wahrzunehmen, der die drei anderen Personen, die bei ihnen am Tisch saßen, zum Mitwippen animierte. Danja schoss Lozell einen vernichtenden Blick zu, der verschämt aufhörte, mit seinen vom Harfespielen schwieligen Fingern den Takt zu klopfen.
»Es kann doch nicht so schwer sein, einen Weg zu finden, um ein sich periodisch wiederholendes kosmisches Phänomen darzustellen«, sagte er in dem Versuch, Sheledons und Danjas Empörung zu beschwichtigen.
»Über den Schwierigkeitsgrad mache ich mir keine Gedanken«, gab Danja gereizt zurück. »Aber wie sollen wir die Zeit für diese Arbeit erübrigen?« Mit dem Finger zeigte sie auf den noch unfertigen Anbau des Kollegiums. »Vor allen Dingen, weil es einen festen Termin einzuhalten gilt«, erklärte sie mit einem giftigen Blick auf Clisser. »Die Wintersonnenwende.«
»Ach ja.« Lozell verzog das Gesicht. »Ein plausibler Einwand.«
»Momentan widmen wir uns in jeder freien Minute, in der wir nicht unterrichten, dringenden Aufgaben«, fuhr Danja fort. Heftig gestikulierend schritt sie vor dem Tisch auf und ab. Während Sheledon sich innerlich abkapselte, wenn irgendein Problem ihm zusetzte, entwickelte Danja eine überbordende Aktivität. Vor lauter Nervosität stieß sie gegen den Stuhl, auf dem ihre Geige lag, und hastig griff sie zu, damit das kostbare Instrument nicht auf den Boden fiel. Dabei starrte sie Lozell so grimmig an, als sei er für den Vorfall verantwortlich.
Sheledon nahm ihr die Geige nebst Bogen ab und legte beides vorsichtig auf den Tisch, von dem das Geschirr bis auf die Weingläser abgeräumt war. Geistesabwesend wischte er etwas verschütteten Wein von der Tischplatte, damit ja nichts die wertvolle Violine gefährdete, einer der wenigen noch brauchbaren Gegenstände aus der Hinterlassenschaft der ersten Siedler. Während Danja weiter lamentierte, strich er mit den Fingerspitzen wie liebkosend über das Instrument.
»Heute zum Beispiel«, fuhr sie fort, ihre Wanderung aufs Neue aufnehmend, »gaben wir morgens Unterricht und gönnten uns mittags nur einen Happen zu essen, ehe wir den Nachmittag mit Malerarbeiten verbrachten, damit zum Sommersemester wenigstens ein paar Räume bezugsfertig sind. Uns blieben gerade mal fünf Minuten, um uns saubere Kleider anzuziehen, und ... selbst dann noch haben wir die Luftparade verpasst, die ich ...« – sie blieb stehen und bohrte sich den Daumen in ihre Magengrube – »zu gern gesehen hätte.«
»Wir haben zwei Arrangements gespielt«, ergänzte sie, »und werden mit Sicherheit die ganze Nacht hindurch musizieren, bis Sonnenaufgang. Morgen geht das Fest weiter, nur dass es keine Konferenz gibt. Ich frage mich, wann wir schlafen sollen! In einer Woche beginnt das neue Semester, und dann haben wir überhaupt keine Zeit mehr, weil wir Vorbereitungsseminare für die graduierten Lehrkräfte abhalten, ehe sie aufbrechen, um auch den letzten Winkel des Kontinents zu alphabetisieren.« Sie vollführte eine manierierte Geste, dann warf sie sich auf den Stuhl, auf dem kurz zuvor ihre Violine gelegen hatte. »Und nun verraten Sie mir, Clisser, woher wir die Zeit für zusätzliche Forschungen nehmen sollen!«
»Wenn es sein muss, kann man immer etwas Zeit erübrigen«, erwiderte er in betont sachlichem Ton, der eine unterschwellige Kritik an Danjas überzogenem Auftritt darstellen sollte.
»Man könnte das Thema im Geschichtsunterricht behandeln«, schlug Lozell vor.
»Eine ausgezeichnete Idee«, pflichtete Bethany ihm bei, die sich bis jetzt mit der Zuschauerrolle begnügt und Danjas theatralische Szene stumm beobachtet hatte. »Meinen Schülern würde ein Projekt, an dem sie ihren Einfallsreichtum selbständig üben können, nur gut tun.«
»Zuerst sollten wir dafür sorgen, dass die Bibliothek ständig mit Energie versorgt wird«, warf Danja säuerlich ein.
»Kein Problem«, trumpfte Clisser auf. »Während der Luftparade haben Kalvis Techniker die Sonnenpaneele repariert. Morgen schließen sie sie an das Hauptaggregat an. Außer Ihnen haben noch weitere Leute gearbeitet, müssen Sie wissen.«
»Das ist mir ein großer Trost«, versetzte Danja zynisch.
Clisser füllte ihr Glas nach. »Außerdem brauchen wir eingängige Melodien und gute Texte. Von klein auf sollen die jungen Leute die Vorzeichen kennen lernen, an denen man das Näherkommen des Roten Sterns erkennt. Es muss ihnen so in Fleisch und Blut übergehen, dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen, dieses Phänomen infrage zu stellen.«
»›Eins plus eins sind zwei, zwei plus zwei sind vier?‹«, trällerte Danja das alte Rechenlied und grinste hämisch.
»Ein Lied ist und bleibt ein höchst effektives Lehrmittel«, behauptete Clisser, sich selbst Wein nachschenkend. »Shel, hätten Sie nicht Lust, ein paar leicht zu behaltende Weisen zu komponieren?«
Sheledon nickte begeistert. »Seit Jahren predige ich, dass wir mehr Grundwissen in musikalischer Form vermitteln sollten. Jemmy ist ein wahrer Meister im Verfassen von populären Musikstücken.«
Bethanys Gesicht erstrahlte in einem Lächeln. Jemmy war einer ihrer Lieblingsschüler, und sie stärkte ihm wo es nur ging den Rücken. Selbst Danja blickte besänftigt drein.
»Also«, fuhr Clisser fort, nachdem sein vordringlichstes Problem gelöst war, »was nehmen wir als Nächstes in Angriff?«
»Eine gute Frage«, spottete Danja. »Wir kommen kaum mit den Arbeiten nach, die uns auf den Nägeln brennen. Sehen Sie der Wahrheit ins Gesicht, Clisser.«
Clisser schaute gekränkt drein. Bethany lehnte sich herüber, tätschelte seine Hand und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
»Was genau meinen Sie damit, Danja?«, wollte Clisser wissen.
»Ist Ihnen gar nicht bewusst, was für eine ungeheure Verantwortung Sie uns soeben aufgebürdet haben ... als wäre es eine Bagatelle?« Wieder ruderte Danja temperamentvoll mit den Armen.
»Aber wir werden der Verantwortung gerecht, meine Teure«, erwiderte Bethany auf ihre sanfte Art. »Mit ein wenig Nachdenken und Zeit schaffen wir es.«
»Damit wären wir schon wieder bei der Zeit angelangt. Haben wir denn Zeit?« Lozell mischte sich erneut in die Diskussion ein. »Selbst wenn der Winter nicht so streng wird wie letztes Jahr – und die Vorhersagen sind nicht günstig, weil dieser vermaledeite Rote Planet uns einen Besuch abstattet – wie sollen wir das alles bewerkstelligen?«
»Wir legen uns mächtig ins Zeug und werden mit allem rechtzeitig fertig«, behauptete Sheledon mit einem resignierten Stöhnen. »Paulin gibt uns Unterstützung. Und die Weyr helfen auch mit.«
Danja funkelte ihn aufgebracht an. »Sie haben Ihre Meinung ja schnell geändert. Vorhin sagten Sie doch noch, wir hätten keine Zeit.«
Sheledon zuckte ergeben die Achseln. »Ich glaube, Lozells Vorschlag, die Schüler und Studenten einzuspannen, wird uns rasch ein gutes Stück weiter bringen. Und wenn Jemmy ein paar gute Texte aus dem Hut zaubert, schreibe ich die passenden Melodien dazu. Möglicherweise kann Jemmy auch gleich das Komponieren übernehmen.« Sheledons Züge erhellten sich, als er in sich hinein schmunzelte. Es hatte eine Zeit gegeben, da musste er sich beherrschen, um nicht auf Jemmy neidisch zu sein, der als Multitalent auf vielen Gebieten glänzte.
Obwohl er offiziell nicht dazu befugt war, weil ihm die erforderliche Graduierung vom Kollegium fehlte, leitete er bereits mehrere Arbeitsgruppen und tummelte sich in allen möglichen künstlerischen Sparten – und das auf einem hohen Niveau. Der ultimative Allerweltskerl, der absolute Hans Dampf in allen Gassen, pflegte Clisser ihn zu nennen.
»Ist es nicht ein Risiko, wenn wir mit dieser Aufgabe Studierende betrauen, die zumeist nichts von ernsthafter Forschung verstehen?«, wandte Danja ein. »Was ist, wenn sie in ihren Ausführungen das Wichtigste gar nicht erfassen?«
»In diesem Fall schreiten wir, die Lehrer ein, meine Gute«, nahm Bethany ihr den Wind aus den Segeln. »Um sicherzustellen, dass keine Fehler oder Irrtümer unterlaufen. Die Studenten leisten wertvolle Hilfe, indem sie Unmengen von Material sichten und vorsortieren und uns dann die Auswahl der optimalen Lösungen überlassen. Jemmy könnte die Aufsicht führen. Er kann am schnellsten lesen, und seine Augen sind jung.«
In diesem Moment hörte das Orchester auf zu spielen und wurde von den schwitzenden Tänzern sowie den fleißigen Zechern an den Tischen mit donnerndem Applaus belohnt. Einer nach dem anderen verließen die...




