E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
McCabe Die Sehnsucht der Smaragdlilie
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6948-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6948-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
England, im Jahre 1527: Eine französische Spionin und ein russischer Spion am englischen Hof - eine Liebe zwischen Todfeindschaft und Leidenschaft. Nicht Tod noch Teufel fürchtet Marguerite, die ruchlose Spionin mit dem Decknamen Smaragdlilie! Und so scheint der neue Geheimauftrag ein Leichtes: Am englischen Hof soll sie die Vertragsverhandlungen zwischen England und Frankreich vorantreiben. Doch ihre Mission gerät in Gefahr, als sie Nikolai Ostrowski begegnet. Einst hat Marguerite den fatalen Fehler begangen, ihren russischen Gegenspieler mit den mitternachtsblauen Augen zu verschonen. Diesmal wird sie sein Leben beenden! Doch zum zweiten Mal weckt ihr charmanter Feind eine verhängnisvolle Leidenschaft in ihr. Und wider der Vernunft geht sie mit ihm eine sündige Allianz ein ...
Amanda McCabe schrieb ihren ersten romantischen Roman - ein gewaltiges Epos, in den Hauptrollen ihre Freunde - im Alter von sechzehn Jahren heimlich in den Mathematikstunden. Seitdem hatte sie mit Algebra nicht mehr viel am Hut, aber ihre Werke waren nominiert für zahlreiche Auszeichnungen unter anderem den RITA Award. Mit einer Menagerie von zwei Katzen, einem Mops und einem dickköpfigen Zwergpudel, lebt sie in Oklahoma. Sie nimmt Tanzunterricht, sammelt kitschige Reiseandenken und schaut sich gerne Kochsendungen an, obwohl sie gar nicht selber kocht.
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PROLOG
Venedig, 1526
Marguerite hatte ihr Opfer im Blick.
Sie drückte sich eng an die raue Holzwand und spähte durch das winzige Guckloch, um die Szene unter sich zu beobachten. Das Bordell war nicht gerade eines der feinsten der Serenissima. Es gehörte nicht zu jenen, in denen man die besten Weine, die erlesensten Delikatessen und die schönsten und saubersten Frauen anbot – natürlich zu den höchsten Preisen. Aber es war auch kein anrüchiger, schmutziger Ort, wo ein Mann auf seinen Geldbeutel und seine Männlichkeit aufpassen musste, weil ihm sonst das eine oder das andere geraubt werden konnte. Es war schlichtweg ein einfaches, lautes und farbenfrohes Hurenhaus, erfüllt vom Geruch nach Staub, Bier und Schweiß, widerhallend von Gelächter und echten oder nur gespielten Lustschreien. Ein Ort für Künstler oder reisende Schauspieler, die zum Karneval hier waren.
Marguerite hatte sicher schon weit Schlimmeres erlebt.
Sie kniff die Augen zusammen und richtete den Blick auf ihre Beute. Er war es, er musste es sein. Die sorgfältige Beschreibung und die Skizze passten auf ihn. Er war der Mann, den sie schon auf der Piazza San Marco gesehen hatte. Sie musste gestehen, dass er nicht ihrer Vorstellung von einem ungehobelten Russen entsprach. Nahm man von ihnen nicht an, dass sie wie Bären aussahen und genauso behaart waren? Genauso stanken? Jeder in Frankreich wusste doch, dass diese Moskowiter keine Manieren besaßen, dass sie in einer dunklen, rauen Welt lebten, in der einem üblicherweise der Bart bis zu den Knien wuchs, man das Essen auf den Boden warf und ins Tischtuch schnäuzte?
Marguerite rümpfte die Nase. Ekelhaft! Aber was konnte man auch schon von Menschen erwarten, die ständig von Eis und Schnee umgeben waren? Die auf die Eleganz und Zivilisiertheit Frankreichs verzichten mussten?
Und Frankreich war der Grund, weswegen sie heute Abend hier in diesem venezianischen Bordell war. Sie war hier, um ihrem König und ihrer Heimat gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen.
Eigentlich schade, dachte sie, während sie den Russen betrachtete. Er war so ein hübscher Mann.
Er hatte gar keinen Bart, sondern war glatt rasiert. Im flackernden, qualmenden Fackellicht waren seine eleganten, scharf geschnittenen Züge gut zu erkennen. Das orangefarbene Glühen der Flammen spielte auf seinen hohen Wangenknochen und den sinnlichen Lippen. Sein Haar, das von der vollen goldenen Farbe alter Münzen war, fiel ihm offen bis auf den Rücken hinunter, eine seidig schimmernde Flut, die geradezu nach der Berührung einer Frau verlangte. Die beiden Dirnen auf seinem Schoß waren offenbar auch dieser Meinung, denn sie fuhren ihm immer wieder kichernd und gurrend mit den Fingern durch die glänzenden Locken und knabberten an seinem Ohr und Hals.
Andere Frauen beugten sich über seine Schultern und vernachlässigten ihre Kunden, um sich in seinem goldenen Glühen zu sonnen, in der Fülle seines Lachens und in dem Leuchten seiner Haut und seiner Augen. Es schien ihm nichts auszumachen. Tatsächlich benahm er sich, als stünde ihm diese Aufmerksamkeit zu. Wie ein reicher Herr aus dem Osten lehnte er sich lässig in seinem Sessel zurück und warf mit unbändigem Lachen den Kopf in den Nacken. Er hatte sein Wams abgelegt. Die Verschnürung des weißen Hemds war gelöst und darunter offenbarte sich eine glatte, muskulöse Brust, auf der leichter Schweiß glänzte. Das dünne Leinen war ihm über die eine Schulter gerutscht und enthüllte starke Muskeln.
Das war kein schwerfälliger Bär, sondern eine geschmeidige Katze, unter deren Grazie sich große Kraft verbarg.
Oui, es war eine Schande, so etwas Hübsches zu vernichten. Doch es musste sein. Er und seine Freunde hatten neue Handelsrouten von Moskau nach Persien ausgekundschaftet. Sie sollten an dem großen russischen Fluss Wolga und am Kaspischen Meer entlangführen. Damit standen er und seine Moskauer Freunde – gar nicht zu reden von den spanischen und venezianischen Händlern, mit denen er verkehrte – den französischen Interessen im Wege. Sie würden nämlich dem Seiden-, Gewürz- und Pelzhandel der Franzosen in die Quere kommen, und das durfte nicht sein. Gerade jetzt, nach der demütigenden Niederlage des Königs bei Pavia, war das alles sogar von noch größerer Bedeutung. Also würde Nikolai Ostrowski sterben müssen.
Ein letztes Mal ließ Marguerite den Blick auf seiner nackten, goldfarbenen Haut verweilen. Dann wandte sie sich ab und ließ den Deckel wieder über das Guckloch fallen. Sie hatte ihre Aufgabe zu erfüllen. Schon früher hatte sie solche Aufträge für Frankreich erledigt, sogar gefährlichere. Sie durfte jetzt nicht zögern, nur weil das Opfer ein attraktiver Mann war. Sie war die „Smaragdlilie“. Und sie durfte nicht versagen.
Ein kleiner Spiegel hing an der schmucklosen Wand ihrer engen Kammer, die von Kerzen und einem einzigen Fenster erhellt wurde. Als sie hineinschaute, starrte ihr eine Fremde entgegen. Schon oft hatte sie die unterschiedlichsten Verkleidungen getragen: knorrige Bauersfrauen, alte jüdische Händler, Milchmädchen und Herzoginnen. Aber noch nie hatte sie versucht, eine Hure darzustellen. Es war sehr interessant.
Ihr silberblondes Haar, das offen getragen sogar noch länger war als das des Russen, war jetzt gekräuselt und gelockt, an den Seiten hochgesteckt und oben auf dem Kopf zu einem Knoten frisiert. Heller Reispuder verdeckte ihre natürliche Gesichtsfarbe, von der man in Paris üblicherweise schwärmte, dass sie wie „Milch und Blut“ sei. Zwei kräftig rote Kleckse prangten auf ihren Wangen, und dicke schwarze Linien umrahmten ihre grünen Augen.
Sie war nicht mehr sie selbst, war nicht mehr Marguerite Dumas vom französischen Hof. Noch war sie die Dame, die sittsam verschleiert und verhüllt über die Piazza San Marco geschlendert war und Nikolai Ostrowski in seiner Verkleidung als Schauspieler beobachtet hatte. Er hatte den Akrobaten gegeben, der jonglierte und Späße machte, und dabei sein wahres Selbst hinter einem Lächeln und Schellenklingeln verborgen. Genauso, wie sie es auf ihre Weise ja auch tat.
Voilà, jetzt war sie Bella, eine einfache italienische Hure, die nach Venedig gekommen war, um während des Karnevals ein paar Dukaten zu verdienen. Hoffentlich eine Hure, die Ostrowskis Blick auf sich zog, obwohl er von allen Frauen in diesem Etablissement umworben wurde.
Marguerite trat zurück, bis sie ihr Kleid im Spiegel sehen konnte. Es war aus scharlachroter Seide. Sie hatte es am Nachmittag gebraucht bei einem Kleiderhändler gekauft. Es musste einmal einer großen Kurtisane gehört haben. Doch jetzt war die Goldstickerei leicht fleckig, der Saum ausgefranst und die Nähte abgestoßen. Trotzdem war es immer noch hübsch und brachte ihre zierliche Figur gut zur Geltung. Sie zog den Ausschnitt etwas tiefer, bis er ihr über die Schultern rutschte und eine Brust entblößte.
Hm, dachte sie und betrachtete ihre weiße Brust. Sie wusste, dass sie hübsche Brüste hatte. Sie waren weder zu groß noch zu klein, perfekt geformt und sehr weiß. Vielleicht sollten sie Marguerite für ihre vielleicht ein wenig zu kurz geratenen Beine entschädigen oder für die Narben auf ihrem Bauch. Doch verglichen mit den Brüsten der anderen Huren erschienen sie ihr ein wenig zu unscheinbar. Marguerite griff nach dem Töpfchen mit Rouge und strich etwas von der roten Paste auf die entblößte Brustspitze. So. Das würde Aufmerksamkeit erregen. Sie rieb sich noch etwas davon auf die Lippen und tupfte Jasminparfüm hinter die Ohren. Es roch schwer und süß und so ganz anders als die Maiglöckchenessenz, die sie sonst benutzte.
Jetzt war sie bereit. Marguerite hob ihre weiten Röcke und vergewisserte sich, dass ihr Dolch mit der scharf geschliffenen Spitze noch fest an ihren Schenkel gebunden war.
Dann strich sie ihr Kleid glatt und schlüpfte aus dem kleinen Raum. Der Gang draußen war schmal; von ihm gingen die meisten Zimmer des Bordells ab. Die Decke war so niedrig, dass Marguerite den Kopf einziehen musste. Der Gang lag verlassen da. Doch selbst hier konnte sie noch das Gelächter und Stöhnen, das Klirren der Tonbecher und das Zischen einer Peitsche hören, welche für jene bestimmt war, die einen etwas exotischeren Geschmack besaßen. Marguerite hoffte, dass es kein russisches Laster war. Wenn sie ihr Hinterteil für die Peitsche entblößen musste, würde dabei der Dolch zum Vorschein kommen.
Vorsichtig stieg sie in den Schuhen mit den hohen Absätzen eine enge, steile Wendeltreppe hinunter. Die niedrige Tür am Ende der Treppe führte aus dem verschachtelten Teil des Gebäudes hinaus in den großen, lauten öffentlichen Raum.
Es war wie ein Stolpern in eine neue Welt. Die Geräusche klangen hier nicht länger gedämpft, sondern klar und laut und hallten von der niedrigen, rauchgeschwärzten Decke wider. Dicker, beißender Qualm von der Feuerstelle mischte sich mit dem Parfum der Frauen, dem Geruch nach Fleisch, Schweiß und verschüttetem Bier. Der Holzboden unter Marguerites Füßen war klebrig und voller Flecke.
Einen Moment blieb Marguerite in der Tür stehen und ließ vorsichtig den Blick über das Geschehen schweifen. In der Nähe des Kamins saß man zum Karten- und Würfelspiel zusammen. Den hohen Münzstapeln auf jedem Tisch und den konzentrierten Gesichtern der Spieler nach zu urteilen, handelte es sich um ein ernsthaftes Spiel. Es wurde gegessen und getrunken, einfache Kost, bestehend aus Brot, Käse und Schinken. Doch das Wichtigste waren die Huren. Es gab jede Art von Huren, die ein Mann sich nur vorstellen konnte: kleine, große, fette, dünne, blonde und...




