E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Bayerische Geschichte
Mayer Ochsen, Zimt und Bratwurstduft
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7917-6233-3
Verlag: Friedrich Pustet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein kulturgeschichtlicher Streifzug durch Nürnbergs kulinarische Vergangenheit
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Bayerische Geschichte
ISBN: 978-3-7917-6233-3
Verlag: Friedrich Pustet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bei der Suche nach den Wurzeln deutscher Ess- und Trinkkultur stößt man immer wieder auf die fränkische Metropole: Nürnberger Kaufleute, die "Pfeffersäcke", verbreiteten neue Gewürze aus Asien.
Wer es sich leisten konnte, würzte nun üppig mit Gewürznelken oder Muskat. Gleichzeitig sorgte "des deutschen Reiches Bienengarten" in den Wäldern um Nürnberg für Süßes. Eine florierende Wirtshausszene schuf zudem Gastlichkeit für Besucher und heimische Handwerker; Reichstage und Turniere zogen Besucherströme an – der Zutrieb von Ochsen aus Ungarn sicherte deren Verpflegung. Und wussten Sie, dass zu den ersten Kaffeehändlern der Nürnberger Kaufmann Johan Sigismund Wurffbain gehörte?
Heute prägen Spezialitäten wie Bratwürste, Lebkuchen und manches mehr das Image der Stadt. Wie kam es dazu? Dieses Buch dokumentiert ein nachhaltiges kulturelles Erbe, gewürzt mit Anekdoten und Kuriosem.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: Regional- & Stadtgeschichte
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaft und Gesellschaft | Kulturwissenschaften Kulturwissenschaften: Ernährung & Gesellschaft
Weitere Infos & Material
Gewürze aus dem Orient
Nürnberg als Drehkreuz in der Lieferkette
Im zweiten Stock des Museums Tucherschloss in Nürnberg ist die Tafel gedeckt. Teller und Besteck liegen bereit. Nur Speisen fehlen auf dem Tisch – und natürlich Gäste. Es gibt im heutigen Museum auch keine Küche, um die Speisen nach den alten Rezepten zubereiten zu können. Man kann es sich trotzdem vorstellen: Schüsseln mit dampfendem Mus, Schalen mit gekochten oder gebratenen Fleischstückchen und Gemüse jeder Art – mit Safran gut gefärbt, wie es Peter Wagner empfahl. Dazwischen stehen Fässchen mit Pfeffer, Ingwer und Muskat, um nachzuwürzen. Die Gewürze zeigten einst Wohlstand an. Möglicherweise handelte es sich um Gastgeschenke. Gewürze als Geschenk mitzubringen, das garantierte strahlende Gesichter der Gastgeber – denn die Gaben hatten einen hohen Preis. Sie kamen schließlich von weit her. Aber woher eigentlich? Der „Erdapfel“ – mehr als ein „seltsames Werk“
Auf der Insel Neucuran „wachsen Muscatt, Zimeth, Negel“, schrieb Martin Behaim 1491 auf seinen Globus, den berühmten „Erdapfel“ aus Nürnberg – für Zeitgenossen freilich „ein seltsames Werk“. Behaim bezog sich mit seinem Text auf dieser ältesten erhaltenen Darstellung der Erde in Kugelgestalt ausdrücklich auf den Reisenden Marco Polo, aber auch einen geheimnisvollen Bartolomeo Florentino (möglicherweise Bartolomeus Dias). Wahrscheinlich war mit „Neucuran“ die Inselgruppe der Nikobaren gemeint. Behaim und die Nürnberger Kaufleute, die den „Erdapfel“ bestaunten, spielten eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Gewürzen wie den genannten. Kurz nach 1500 wurde in Nürnberg eine Schrift mit dem Titel Den rechten Weg auß zu faren von Lißbonna gen Kallakuth von Meyl zu Meyl veröffentlicht. Er habe die Gewürze gesehen, schreibt der unbekannte Autor des Büchleins, das der Buchdrucker Georg Stuchs herausgab. Schon die zurückkehrenden Schiffe vieler Kreuzfahrer und frühen Pilger ins Heilige Land hatten bei ihrer Rückkehr Pfeffer, Muskat, Nelken und Kardamom in den Laderäumen. Einer der prominentesten Rückkehrer war Konrad III., der 1124 ins Heilige Land aufgebrochen war. Insgesamt soll er sich neun Mal in Nürnberg aufgehalten haben. Der genannte legendäre venezianische Händler Marco Polo (1254–1324) erhöhte mit seinen Reiseberichten das Wissen über die Gewürze. Ein „seltsames Werk“: Den „Erdapfel“ des Martin Behaim bestaunten die Zeitgenossen genauso wie die Nachwelt. Es waren aber die Nürnberger Kaufmannsdynastien, die zwischen dem 14. und dem 16. Jh. für die Verbreitung der Gewürze diesseits der Alpen sorgten. Diese sogenannten „Pfeffersäcke“ waren mit ihrem unternehmerischen Engagement Champions bei der Organisation einer frühen globalen Lieferkette. Was sie in ihren Kaufmannszügen transportierten, hatte nachhaltige Wirkungen auf die Essensgewohnheiten. Der Handel brachte den Kaufmannsfamilien Vermögen ein, der Reichtum beeinflusste wiederum die Stadtentwicklung und erklärt heute viele Elemente des nach dem Weltkrieg wieder aufgebauten traditionellen Stadtbildes. Was aßen die Menschen vor dem Einzug der Gewürze aus der Ferne in die Küchen? Darüber geben am besten alte Abfallgruben Auskunft, die Archäologen ausgegraben haben. Die Basis der Ernährung war demnach Getreide wie Hirse, Hafer, Buchweizen und Roggen, das man meist zu Brei kochte. Gemüse spielte eine geringere Rolle als heute, vieles (wie Kartoffeln und Mais) kannte man hierzulande noch nicht. Fleisch und Fisch gab es, aber über deren Verbreitung streiten sich die Historiker. Hausschweine liefen oft frei in den Städten und Dörfern umher und suchten sich auf den Straßen aus dem Unrat ihr Fressen zusammen. Gartenkräuter gab es sehr wohl, aber sie brachten kaum so viel Biss in die Küche wie später die exotischen Gewürze. Eingebunden im globalen Netzwerk
Die neuen Gewürze fielen unter den Sammelbegriff der „Orientwaren“. Pfeffer stand an der Spitze. Zusammen mit Zimt, Muskat, Nelken, Ingwer und anderen exotischen Gewürzen revolutionierte er die europäische Küche. Globalisierung im Handel involvierte viele Akteure, viele Glieder einer Kette – das war damals so wie heute. Die Nürnberger Kaufleute waren ein Glied im globalen Netzwerk: Die Mehrzahl der genannten Gewürze stammte eigentlich aus Ostindien, doch die „Pfeffersäcke“ fuhren nicht selbst in die Herkunftsländer, in denen die Gewürze geerntet wurden. Ein anderes Glied in der mittelalterlichen Lieferkette waren arabische Zwischenhändler, die den Transport von den Ursprungsgebieten in den mediterranen bzw. europäischen Kulturkreis übernahmen. Mit ihren traditionellen Segelschiffen, den Dhaus, brachten arabische Seeleute die wertvolle Fracht dank der Monsunwinde über den Indischen Ozean zur Arabischen Halbinsel – genauer: zur Küste des heutigen Oman oder Jemen. Dort übernahmen Karawanen den Transport zu den Häfen des Mittelmeers. Dabei folgten sie der sogenannten Gewürzstraße – weitgehend identisch mit der legendären Weihrauchstraße. Die Domestizierung des Kamels bzw. Dromedars war eine Voraussetzung für die Karawanen. Woher genau die einzelnen Gewürze ursprünglich stammten, war ein wohlbehütetes Betriebsgeheimnis der Araber. Wenn sie nach der Herkunft von Pfeffer gefragt wurden, erfanden sie daher abenteuerliche Reisen in unbekannte Länder. Er stamme aus Pfefferwäldern, die von giftigen Schlangen bewacht würden, lautete eines der Gerüchte. Manche sprachen von den Gewürzen als den „Düften des Paradieses“. Aristoteles glaubte einst, dass Zimt von den Nestern der Zimtvögel stamme und mit Pfeilen von den Bäumen geschossen würde. Alexandria, Jaffa, Gaza und El-Arish am Nordufer der Sinai-Halbinsel waren am östlichen Mittelmeer die Ziele der Karawanen und damit die wichtigsten Häfen für die Verschiffung. Am anderen Ende der Seeroute über das Mittelmeer war Venedig das zentrale Nadelöhr. Die Stadt gewann dadurch wirtschaftliche und politische Stärke. Dort kauften die Nürnberger Kaufleute einen großen Teil der „Orientwaren“ ein. Alternativ existierten über Genua Beziehungen in den Orient, doch für die Nürnberger Kaufleute blieb die Serenissima der wichtigste Umschlagplatz. Die Frage, wer der erste Kaufmann aus Nürnberg war, der Venedig aufsuchte, muss unbeantwortet bleiben. Eine Urkunde aus dem Jahr 1331 erwähnt den Aufenthalt eines Marquard Tockler in Venedig – möglicherweise war er ein Vertreter der Familie Behaim. Die Tockler standen zu jener Zeit auf der Liste der angesehenen Patrizierfamilien in Bamberg und Nürnberg und hatten Mohrenköpfe im Wappen. Das Wappen der Tockler: Eine Spur der Familie führt nach Venedig. Die Nürnberger Kaufleute lösten ab der Mitte des 14. Jhs. die im Venedig-Geschäft bis dahin dominierenden Regensburger Konkurrenten wie die Familie Runtinger ab. Ein Handelsbrief aus dem Jahre 1370 berichtet über die Verbindung nach Venedig als „Stapelplatz von Orientwaren“. In der Literatur tauchen unter den frühen Kaufmannsfamilien die Eisvogel, Mendel, die Ebner und die „Imhoffsche Handelsgesellschaft“ auf. Genannt werden Konrad Löw, Ulrich Botenstein und Marcus Pfinzing. Konrad Behaim ließ um 1380 offenbar in Venedig Schulden zurück. In späteren Zeiten stößt man beim Gewürzhandel auf praktisch alle Patrizierfamilien von Rang und Namen. Die Nürnberger Kaufleute transportierten die „Orientwaren“ dann über die Alpen in ihre Heimatstadt, und von dort wurden die Gewürze in aller Herren Länder nördlich der Alpen geliefert – nach Böhmen genauso wie in die Hansestädte im Norden. Letztlich lassen sich die Nürnberger Kaufmannszüge über die Alpen und nördlich davon als eine Verlängerung der Kamelkarawanen im Orient verstehen. Es war üblich, dass sich verschiedene Patrizierfamilien zu den Fahrten nach Venedig zusammenschlossen – nach heutigen Begriffen eine Risikoteilung. Das war alles leicht zu organisieren, denn die Familien, in deren Händen das Geschäft lag, waren untereinander vielfach verschwägert. Man blieb unter seinesgleichen. Der einzelne Kaufmann verteilte seine Waren gern auf verschiedene Planwagenzüge, und das Sortiment deckte ein breites Spektrum ab: Gewürze, Tuche, vielleicht Harnische und andere Produkte Nürnberger Handwerkskunst. Überfälle auf die Kaufmannszüge verdarben jedoch immer wieder das Geschäft. Dabei kamen die legendären Raubritter ins Spiel. Auch ein Geleit durch Söldner der Landesherren, deren Territorium ein solcher Zug gerade...