Teil I
E-Book, Deutsch, 372 Seiten
ISBN: 978-3-7407-3636-1
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alexander Mayer, geboren im Jahr 1993, angehender Journalist und Redakteur im Bereich der Online-Medien. Fantasy- und Science Fiktion-Fan und Autor von mehreren Kurz-Geschichten, sowie dieses Erstlings-Romans aus der Reihe 'Feuer und Flamme', der den ersten Teil einer hoffentlich langen, epischen Geschichte darstellt, deren Ende noch ungewiss ist.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel I
Feuer, überall wo er hin blickte. Gigantische Flammensäulen stiegen an unsichtbaren Wänden hinauf und warfen ihren boshaft anmutenden Schein in den Raum, in dem er sich befand. Insofern man den Ort überhaupt als Raum beschreiben konnte. Es gab nichts, als eine beengend kleine und brüchige Felsplatte unter seinen Füßen, die in dem Meer aus Flammen trieb. Vier eiserne, rostige Ketten hingen an den Seiten des in der Luft schwebenden Felsplateaus, ragten einige hundert Meter weit in das Flammenmeer hinein und endeten scheinbar im Nichts, doch sie hielten die Plattform an Ort und Stelle. Oder besser gesagt, sein Gefängnis. Die Hitze, die von den tosenden Flammen ausging, war fast unerträglich und das Fehlen von irgendwelchen Orientierungspunkten in diesem Wahnsinn, außer der Plattform unter ihm, zehrte an den Mauern seines Verstandes und bereitete ihm zunehmend mehr Qualen. Er kniete in einer demütigenden Position auf dem brüchigen, von Rissen durchzogenen Felsboden, an Armen und Beinen gefesselt von Miniaturversionen ebenjener Ketten, welche sein Gefängnis in der Luft hielten. Der Gedanke, dass sein Untergrund jeden Augenblick zusammenbrechen und ihn schutzlos ausgeliefert in dieses wirbelnde Chaos aus Schmerzen werfen würde, trieben zusätzliche, glühende Stiche der Angst in sein Bewusstsein. Plötzlich ertönte wieder dieses leise, zuerst kaum wahrnehmbare Wispern in seinem Kopf, dass seinen Verstand mit Visionen von weiteren schrecklichen Bestrafungen füllte. Er versuchte sich vor den flüsternden Stimmen zu verschließen, doch je mehr Widerstand er leistete, desto eindringlicher redeten sie auf ihn ein. Das Meer aus Flammen schien sich dem Tempo des in seinem Inneren stattfindenden Kampfes anzupassen und geriet zusehends mehr in Unruhe. Heiß brennende Flammenwellen schlugen immer dichter vor seinem Gefängnis auf und ließen ihn aufschreien. Seine trockene Haut spannte sich um seine Knochen und seine Muskeln fühlten sich an, als würden sie unter der Haut schmelzen. Nach einer gewissen Zeit, es könnten genauso gut Sekunden wie ganze Jahrhunderte sein, wurde der auf ihm lastende Druck zu viel und er verlor sich in einer gnädigen Ohnmacht. Das letzte was er hörte war ein boshaftes, schrilles Lachen, das durch seinen Verstand hallte. Er wusste nicht mehr was Wirklichkeit war und was sich sein gemarterter Verstand ausmalte. Er hatte keinen Bezug mehr zu Vorstellungen von Begriffen wie Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Für ihn existierte nur noch das grausame, sich bis in alle Ewigkeit erstreckende Jetzt. Einzelne Bilder flackerten in seinem Kopf auf von Erscheinungen innerhalb der wirbelnden Flammen um ihn herum. Wesen, die sich aus den Flammen heraus formten und ihn mit Speeren und gezackten Dolchen verletzten und ihm schreckliche Wunden zufügten, doch wenn er an sich hinabsah war dort nichts außer blanker, unverletzter Haut. Dämonische Wesen, die sich an seinem Martyrium ergötzten und ihn immer nur bis zum Rande des Wahnsinns trieben und ihm dann eine kurze Pause gönnten, nur um ihm irgendwann erneut zuzusetzen. Er ertrug es nicht mehr. Seine Persönlichkeit, sein innerstes Selbst, war bis auf den Kern bloßgelegt, abgeschält von den andauernden Qualen. Er wusste nicht mehr wer er war, wusste nicht mehr was vor diesem Ort gewesen war. Er wollte sich in die Trost und Erleichterung versprechende Umarmung des Wahnsinns fallen lassen und seinen Verstand den endlosen Weiten des Feuersees um ihn herum überlassen, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er konnte einfach nicht loslassen. Da war etwas, das ihn noch ein Stück weit in der Ordnung seiner Selbst verankerte, doch er konnte sich nicht mehr richtig daran erinnern, konnte den blutroten Schleier aus Schmerz nicht durchdringen, der ihn von seinem früheren Leben trennte. Eine neue Gefühlsregung kam in ihm hoch, ein Gefühl, das er fast vergessen hatte. Zorn. Seine Angst vor seinen Peinigern und den unerträglichen Schmerzen wandelte sich und richtete sich gegen sie. Er schlug die Augen auf und wehrte sich zum ersten Mal gegen seine Fesseln, riss mit aller Kraft an ihnen und schrie seinen Zorn in die ihn umgebende Unendlichkeit hinaus. Die um ihn herum in den Flammen schwebenden Wesen, nur schemenhaft zu sehen, wichen aufgebracht zurück und kreischten ihm ihr Missvergnügen entgegen. Das fachte seinen Zorn nur weiter an und er verdoppelte seine Anstrengungen. Das Flammenmeer um ihn herum reagierte auf seine auflodernde Wut und steigerte sich rasend schnell zu einem titanischen Orkan, der die in ihm wohnenden Wesen hinweg fegte. Die einstürmenden Gewalten waren zu viel für ihn. Er verlor sich erneut in einer tiefen Dunkelheit. Er schlug die Augen auf. Er spürte jede Stelle seines Körpers. Jede Gliedmaße, jede Sehne war durchdrungen von Schmerzen, doch es war kein akuter Schmerz, sondern eher wie der Nachhall einer schlimmen Verletzung oder Krankheit. Er ließ alle Luft aus seiner Lunge entweichen und spürte plötzlich eine große Erschöpfung. Er hielt inne. Irgendetwas war anders. Seine Gedanken waren so klar wie lange nicht mehr. Es war, als wäre er aus einem tiefen Traum aufgewacht. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es war still. Keine Stimme wisperte ihm schreckliche Dinge in seinen Verstand und das Flammenmeer wirkte seltsam weit entfernt und ruhig. Er strich sich mit der Hand durch das Gesicht und wunderte sich erneut. Seine Fesseln waren abgefallen. Dort wo sich die Ketten befunden hatten lag nur noch ein Haufen pechschwarzer Staub auf dem Boden. Nur noch eine schwarze Armschiene, an der sich vorher eine seiner Ketten befunden hatte, befand sich noch an seinem linken Handgelenk. Der andere Arm, sowie seine Beine waren komplett befreit. Er sah an sich hinab und stellte fest, dass er nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, wie ein elender Gefangener, der er anscheinend auch war. Er kam hoch auf die Knie und kroch auf allen Vieren zum Rand seines Gefängnisses. Ein Malstrom aus Feuer und purem Wahnsinn befand sich tief unter ihm. Stechend intensive Farben leuchteten bis zu ihm hoch und zeichneten sich flackernd auf seinem Gesicht und seinen Armen ab. Er drehte sich auf den Rücken und oben in weiter Entfernung erwartete ihn genau das selbe Bild. Vielleicht lag es daran, dass er sich bis vor kurzem noch im Mittelpunkt dieses Infernos befunden hatte oder auch schlicht und einfach daran, dass er am Ende doch wahnsinnig geworden war, doch aus dieser Entfernung erschien ihm dieser flackernde Wirbel aus Chaos fast schon friedlich. Er wusste nicht warum er so urplötzlich von seinen Fesseln befreit worden war und wahrscheinlich war es nur ein weiterer grausamer Schmerz, den sich dieser Ort mit ihm erlaubte, bevor er ihm wieder neue Folter auferlegte, doch es war ihm egal. In diesem Augenblick gab er sich einfach nur seiner Erschöpfung hin und genoss den Augenblick der Ruhe, kostete ihn aus wie einen lebensrettenden Schluck Wasser in einer trockenen Wüste und verlor sich in diesem Moment. Wieder schlug er die Augen auf. Er fühlte sich ausgeruhter, kräftiger. Beinahe wieder wie ein Mensch. Er richtete sich auf und lockerte seine geschundenen Muskeln. Seine Knochen knackten, als er seinen Schwertarm kreisen ließ. Seinen Schwertarm? Er ging auf die Knie, da er befürchtete das Gleichgewicht zu verlieren, und hielt beide Hände vor das Gesicht. Bruchstückhafte Erinnerungen durchfluteten plötzlich seinen Verstand. Er selbst, der eine schwere Rüstung trug und ein Schwert gegen irgendwelche Feinde führte. Er sah sich mit anderen gerüsteten Männern, mit denen er sich unterhielt, gemeinsam lebte, Kämpfe ausfocht. All die auf ihn einstürmenden Bilder, offensichtlich Erinnerungsfetzen, waren noch zu durcheinander, um sie zu einem logischen Ganzen zusammenzusetzen, doch anscheinend war sein Handwerk das des Krieges. Er atmete keuchend, fuhr sich mit den Händen über die Stirn und versuchte sich zu beruhigen. Warum war er an diesem Ort? Das war das erste Mal, dass er sich diese Frage stellen konnte und nun schien sie ihm sehr bedeutungsvoll. Er hatte sogar Angst vor der Antwort. War er ein schlechter Mensch gewesen? Es fühlte sich nicht so an. Er war sich trotz seiner fehlenden Erinnerungen tief in seinem Innersten sicher ein rechtschaffener Mann gewesen zu sein, doch warum war er dann an diesem Ort? Denn diesbezüglich war er sich absolut sicher. Er befand sich in den tiefsten Tiefen der leibhaftigen Hölle. Er saß mit gekreuzten Beinen auf dem im Nichts schwebendem Felsblock, der im Moment sein gesamtes Universum darstellte. Er durchforstete seinen Geist nach Erinnerungen, suchte nach einer Antwort auf diese Frage. Wie hatte sein Lebensweg am schlimmsten aller nur vorstellbaren Orte enden können? Die Verzweiflung kehrte in zunehmenden Maße zurück. Er hatte festgestellt, dass sich die beiden identischen Malströme über und unter ihm wieder näherten. Sie waren zwar noch weit entfernt, dennoch wurde er beinahe panisch vor Angst, wenn er daran dachte, was passieren würde, wenn sie ihn erreichten. Er versuchte sich zu beruhigen und klammerte sich an das einzige, was ihm im Moment Festigkeit gab. Er erinnerte sich wieder an etwas Grundlegendes. Sein Name war Castor. Doch da war noch etwas, das ihn in Aufruhr versetzte. Eine andere Erinnerung, verschüttet in den durch die Höllenqualen...