E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Mayer App-Economy
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86416-104-9
Verlag: mi-Wirtschaftsbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Millarden-Markt Mobile Business
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-86416-104-9
Verlag: mi-Wirtschaftsbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Ansgar Mayer ist Crossmedia-und Mobile- Business-Spezialist. Seit 2007 ist er Head of Crossmedia an der ASA, dem CEO-Thinktank der Axel Springer AG.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2. Mobile Media: Wer nutzt sie und warum?
2.1 Online- und Offline-Mobile-Media
Interview: Heike Scholz1, Mobile Zeitgeist
»Mobile Web« ist angeblich ein Übergangsbegriff, schon in wenigen Jahren werden wir nahtlose Überallnetze als Infrastruktur haben. Und ab dann sind wir auch einfach immer on?
Es wird so sein, dass wir jederzeit die Möglichkeit haben werden, immer on zu sein. Das ist ein elementarer Unterschied zu den bisherigen Voraussetzungen und erfordert ein Lernen bei jedem Einzelnen. Wir müssen entscheiden, ob wir online erreichbar und sichtbar sein wollen. Die durch fehlende Infrastruktur zwangsweise auftretenden »Ruhepausen« entfallen und unserer eigenen Verantwortung für unser Handeln kommt eine erhöhte Bedeutung zu.
Es gibt auch Mobile-Experten, die dringend empfehlen, den Begriff des Mobile Web beizubehalten, weil dessen Nutzung völlig anders erfolge als die Nutzung des »klassischen« Internets. Möchten Sie diese Differenzierung ebenfalls beibehalten, trotz »always on«?
Grundsätzlich gibt es natürlich nur ein Internet und wir greifen mit verschiedenen Endgeräten und mit sehr unterschiedlichen Möglichkeiten, aber auch Restriktionen darauf zu. Der Begriff des Mobile Web ist noch so lange hilfreich, wie der Irrtum besteht, bei einem mobilen Device handle es sich nur um das kleine Abbild des »stationären« Internets. Das ist so grundsätzlich falsch, dass die Differenzierung noch hilfreich ist. In der Zukunft wird sich die Sichtweise jedoch umkehren, und wenn wir dann vom Web sprechen, werden wir das mobile meinen.
Wie würden Sie den aktuellen Entwicklungsstand der Mobile-Web-Nutzung in Deutschland beschreiben, wie sieht der typische Nutzer aus?
Hierzu gibt es reichlich Untersuchungen, die zeigen, dass der Durchschnittsnutzer überwiegend männlich und gut gebildet ist und über ein mindestens durchschnittliches Einkommen verfügt. Das rasante Wachstum und der damit einhergehende Preisverfall bei den Smartphones werden dieses Bild jedoch sehr schnell wandeln und die mobile Webnutzung für den Massenmarkt erschließen. Und last but not least sind die Frauen stark im Kommen und werden die Männer sicherlich bald hinter sich lassen.
Viele Smartphone-Besitzer haben immer noch Angst vor versteckten Kosten und rühren deshalb ihren mobilen Browser lieber gar nicht an. Ist das ein Übergangsphänomen?
Hier müssen wir nur zurückschauen und uns erinnern, wie es im Festnetz gewesen ist. Erst analog, dann ISDN mit und ohne Kanalbündelung. Online zu sein bedeutete damals, dass die Geldscheine förmlich durch die Leitung abgesogen wurden. Heute sind wir auch zu Hause ständig online, laden Musik, Filme und großvolumige Dateien, was noch vor ein paar Jahren unbezahlbar gewesen wäre und wirklich niemand freiwillig getan hat. In Mobile wird sich dies ebenso entwickeln, das steht außer Frage.
Eine Alternative zum Mobile Web ist mobile Offline-Mediennutzung, zum Beispiel über integrierte Musicplayer, die der Nutzer aber zuvor am heimischen PC bestückt hat. Dieses Verhalten ist durch iPod und Co. »gelernt«. Sollten Anbieter diesen Nutzungskontext auch in Zukunft berücksichtigen und bedienen?
Hier sollten sich Anbieter auf einen gleitenden Übergang einstellen. Solange dieses Verhalten noch vorhanden ist, sollten die Angebote dies natürlich auch berücksichtigen. Mittel- bis langfristig wird sich das ändern und solche Angebote können sukzessive aufgegeben werden.
Ein zweites spannendes Feld für Offline-Mediennutzung sind Löcher in der Netzversorgung. Sollte nicht jede lesestarke App, zum Beispiel ein iPad-Magazin, auch offline genutzt werden können?
Nicht nur im Hinblick auf fehlende Netzverfügbarkeit, auch solange noch Roamingkosten in dieser spürbaren Größenordnung entstehen, sollte jeder Content-Anbieter die Offline-Option seines Angebots sehr genau prüfen. Vor dem Hintergrund immer größerer Speicher auch in den kleinen Geräten sollte dies kein Problem sein, immer mehr auch frei verfügbare WLANs mindern das empfundene Problem der Kosten beim Datendownload. Also auch hier eine Übergangsphase.
Ein Kapitel wie dieses mag auf den ersten Blick überflüssig erscheinen. Sie als Leser hätten das Buch wohl kaum zur Hand genommen, wenn Sie nicht hinlänglich von der Dynamik mobiler Mediennutzung überzeugt wären. Dennoch lohnt es sich, ein wenig zu differenzieren, um die Entwicklung richtig einzuordnen und die nötigen strategischen Ableitungen zu treffen. Nicht jede Internetnutzung, die ohne Kabel erfolgt, ist tatsächlich mobile Mediennutzung. Und nicht jede mobile Mediennutzung ist tatsächlich Online-Mediennutzung. Diese nicht unbedeutenden Unterschiede sollen im Folgenden erläutert werden.
Daher zunächst eine sehr grundsätzliche Feststellung: Wer mobil online sein will, benötigt dafür ein entsprechendes Endgerät. Nach Statistiken der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen) gab es Ende 2010 weltweit 5,3 Milliarden Mobilfunkverträge. Nach ITU-Berechnungen haben beeindruckende 90 Prozent der Weltbevölkerung Zugriff auf mobile Datennetze. In den Industrienationen kommen auf 100 Einwohner statistisch bereits 116 Mobilfunkverträge.
Abb. 2.1: Mobile Internetnutzung per Handy (Angaben in Prozent, 2009)
Zur CeBIT 2010 gab der Branchenverband Bitkom eine große deutschlandweite Untersuchung in Auftrag. Demnach geht bereits jeder fünfte Online-Nutzer mit mobilen Endgeräten wie zum Beispiel Netbooks online. Jeder zehnte Online-Nutzer ist mit seinem Handy mobil im Internet, in der Altersgruppe bis 30 Jahre ist es jeder sechste Online-Nutzer. Damit hat sich der Anteil mobiler Internetnutzer in Deutschland binnen eines Jahres mehr als verdreifacht, wenn man diese Zahlen mit denen von 2009 vergleicht, die Eurostat ermittelt hatte (vgl. Abbildung 2.1).
Mobiles Internet als wichtigster Wachstumsmotor
Bitkom schätzte ebenfalls, dass im Jahr 2010 in Deutschland 20 Millionen Endgeräte verkauft wurden, die eine mobile Online-Nutzung ermöglichen. Der Branchenverband bewertet das mobile Internet auf dieser Basis als einen der wichtigsten Wachstumsmotoren der Telekommunikations- und Internetbranche. Auch die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers kam 2010 in einer Marktanalyse zu dem Fazit, dass die Umsätze aus mobiler Telefonie weiter sinken werden, während umgekehrt auf lange Sicht Smartphones und mobile Applikationen Wachstumstreiber seien.
Just im Jahr 2011 sollten internetfähige Handys (»high-speed mobile phones«) zum Standard in Westeuropa werden, prognostizierte die Unternehmensberatung Forrester. Nach dieser Analyse wird bis 2014 jedes dritte Smartphone in Europa nicht nur internetfähig sein, sondern gezielt mit eigenem Webbrowser für die mobile Internetnutzung (»internet-centric mobile phones«) produziert werden.
Die weltweit größte Studie über Nutzerverhalten im mobilen Netz wird jährlich vom Marktforschungsunternehmen TNS in London präsentiert, der »Mobile-Life«-Report. Für die Ausgabe 2011 wurden mehr als 34.000 Menschen in 43 Ländern befragt, darunter auch in Deutschland. Auch diese umfassende Studie belegt, dass weltweit immer mehr Menschen zuerst zum Handy greifen, wenn sie online gehen wollen. Immerhin jeder vierte Befragte gab außerdem an, dass beim Kauf eines Handys für ihn auch entscheidend sei, welche Inhalte und Applikationen mit dem Gerät genutzt werden können.
Mobile-Nutzer zurückhaltend
»Mobile Life« ist außerdem ein guter Beleg dafür, dass diese beeindruckenden Daten differenzierter zu betrachten sind: Die Tatsache, dass über Mobiltelefone Online-Angebote (technisch) genutzt können, bedeutet noch lange nicht, dass dies auch wirklich mehrheitlich geschieht. Ein Beispiel:
Wie auch an anderer Stelle in diesem Buch noch ausgeführt wird, ist Social Networking eine wichtige Funktion von Mobile Media. Dafür stehen große Downloaderfolge von Lokalisierungs-Apps wie Gowalla oder von Messenger-Angeboten wie WhatsApp. Laut »Mobile Life« ist der Anteil der Besucher sozialer Netzwerke unter mobilen Online-Nutzern weltweit von 30 Prozent (2010) auf 46 Prozent gestiegen. Dennoch sind viele dieser mobilen Nutzer sehr zurückhaltend, was ihre sozialen Aktivitäten betrifft.
Während bei der erfolgreichsten Social Community der Welt, Facebook, Fotosharing das mit weitem Abstand meistgenutzte Angebot ist – pro Tag werden im Durchschnitt 100 Millionen Fotos hochgeladen, um Neujahr 2011 waren es sogar 750 Millionen –, spielt mobiler Foto-Upload immer noch eine untergeordnete Rolle. Nicht einmal jeder fünfte mobile Online-Nutzer lädt von seinem Handy aus Fotos oder Videos ins Web – obwohl er das technisch könnte! Woran liegt das?
In Deutschland befragte TOMORROW FOCUS Media Smartphone-Besitzer, warum sie das Internet bisher noch nicht mobil genutzt haben. Im Januar 2011 erklärten 71,2 Prozent der Befragten, mobile Online-Nutzung sei zu teuer. Gut die Hälfte meinte außerdem, diese Nutzung sei noch zu kompliziert.
Aus den beiden Werten lässt sich ableiten: Noch ist der Umgang mit Mobile Web sehr neu, es fehlt die Erfahrung und es halten sich immer noch die alten Ängste aus einer Zeit jenseits von Breitbandversorgung und Flatratetarifen. Im August 2010 hatten die FOCUS-Marktforscher dieselbe Frage gestellt, damals hatten noch 77,1 Prozent erklärt, das mobile Internet sei zu teuer. Die Skepsis geht...