E-Book, Deutsch, Band 92, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
May Lore-Roman 92
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7517-0577-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Tagebuch der Fürstin
E-Book, Deutsch, Band 92, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-0577-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Riccarda von Lisdonn hat die Eltern und das heimatliche Gut in Russland verloren. Alles, was sie nun will und wünscht, ist in Frieden leben und arbeiten. Doch Neid und Eifersucht machen der jungen Frau das Leben schwer, denn der Schwester ihres Chefs ist die verarmte, schöne Adelige ein Dorn im Auge. Riccarda aber fürchtet keine Feinde. Die grausamen Jahre in Russland, die Begegnungen mit Mongolen und Tataren, haben ihr alle Furcht ausgetrieben. Der Wille zu überleben, hat Angst und Feigheit besiegt. Doch Riccarda unterschätzt den Hass einer Frau ...
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Das Tagebuch der Fürstin
Es verriet das Geheimnis einer großen Liebe
Von Birke May
Riccarda von Lisdonn hat die Eltern und das heimatliche Gut in Russland verloren. Alles, was sie nun will und wünscht, ist in Frieden leben und arbeiten. Doch Neid und Eifersucht machen der jungen Frau das Leben schwer, denn der Schwester ihres Chefs ist die verarmte, schöne Adelige ein Dorn im Auge. Riccarda aber fürchtet keine Feinde. Die grausamen Jahre in Russland, die Begegnungen mit Mongolen und Tataren, haben ihr alle Furcht ausgetrieben. Der Wille zu überleben, hat Angst und Feigheit besiegt. Doch Riccarda unterschätzt den Hass einer Frau ...
»Das ist eine einmalige Chance, Olaf. Du darfst sie dir nicht entgehen lassen.«
Astrid Holsten legte die Büttenkarte auf den Tisch zurück und lächelte ihrem Bruder zu.
»Chance«, wiederholte er sehr nachdenklich. »Bei den vielen Gästen, die zur Schiffstaufe eingeladen worden sind, wird der Fürst mich kaum bemerken — und wenn, so müsste ich ehrlich bekennen, dass die meisten Entwürfe von Fräulein von Lisdonn stammen und nicht von mir, wie du dem Senator gegenüber so kühn behauptet hast.«
»Das war eine kleine Notlüge, die ich dir zuliebe gebraucht habe. Und außerdem ist die Lisdonn deine Angestellte. Sie war seinerzeit froh, in deinem Betrieb unterkommen zu können. Und für die Einfälle, die sie hat, wird sie übertariflich bezahlt. Du machst ein Aufhebens von ihr, Olaf. Sie selbst scheint kaum Wert darauf zu legen, dass man sie mit ›von‹ anredet. Du jedoch sprichst von ihr wie von einer ganz besonderen Person.«
»Aber Astrid, was hast du nur gegen sie? Sie ist doch auch zu dir immer sehr höflich und zuvorkommend.«
»Das tut sie nur deinetwegen. Bestimmt macht sie sich Hoffnungen auf dich. Du bist ledig, siehst gut aus, und mit dem Betrieb geht es zusehends bergauf, Olaf.«
»Ja, seitdem sie hier ist. Ich bin froh, dass sie für mich arbeitet. Sie ist zuverlässig, korrekt und nie verdrießlich, wenn sie Überstunden machen muss.«
»Weil sie hofft, dann mit dir allein zu sein. Bist du blind, Olaf, dass du sie nicht durchschaust?«
»Ich bin objektiv, Astrid. Ich lasse mich von niemandem beeinflussen. Nur Taten können mich überzeugen. Du solltest endlich darauf verzichten, gegen eine junge Dame zu kämpfen, die nur ihre Pflicht tut und innerhalb von drei Jahren die Seele meines Betriebes wurde.«
»Ich mag sie nicht. Ihre gleichbleibende Freundlichkeit kann mich nicht täuschen. Ihr herablassendes Lächeln reizt mich zum Zorn. Sie steht ohne jeden Anhang da. Sie hat nur das, was sie sich hier erarbeitet hat. Sie hat alles zurücklassen müssen, was ihre Ahnen im Osten aufbauten, und doch benimmt sie sich sehr hochmütig.«
»Sie ist scheu und zurückhaltend, und ihr Lächeln ist ein wenig traurig.«
Astrid Holsten näherte sich langsam ihrem Bruder. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und fragte voller Misstrauen.
»Sag mal, liebst du sie etwa?«
Olaf lachte auf. »Selbst wenn ich es täte, es wäre hoffnungslos. Fräulein von Lisdonn sieht in mir nur den Chef, mehr nicht.«
»Also hast du es schon versucht. Ich habe es geahnt. Und ich wünsche, dass du dir bei ihr einen Korb holst, der dich für alle Zeiten von ihr kuriert. Sobald du den Auftrag des Fürsten in der Tasche hast, wirst du ihr mit netten, aber unmissverständlichen Worten klarmachen, dass du sie nicht mehr brauchst. Du wirst dir einen Teilhaber nehmen, den Betrieb vergrößern und nicht mehr so mitarbeiten müssen wie jetzt.«
»Ich glaube, darin bist du optimistischer als ich. Dass ich an der Ausstattung des Fahrgastschiffes beteiligt war, habe ich allein Senator Harmsen zu verdanken. Und er wiederum erteilte mir den Auftrag nur deshalb, weil Mama seine Jugendliebe war. Diese Einladung hier«, er griff nach der Büttenkarte, »ist eine freundliche Geste, die zugleich Abschluss einer monatelangen Arbeit ist.«
»Aber sie bietet dir Gelegenheit, neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen. Die Zeitungen berichten, dass der Fürst persönlich anwesend sein wird, weil er hier eine Luxusjacht bauen lassen will, die alle bisherigen übertreffen soll. Und wenn du es geschickt anfängst, erregst du seine Aufmerksamkeit und bist im Nu ein gemachter Mann.«
»Du stellst dir das so leicht vor. Und du vergisst, dass ich gerade dann Fräulein von Lisdonn noch mehr brauche als bisher.«
»Auch sie wird zu ersetzen sein — später. Vorerst kann sie ja noch für dich arbeiten. Ich gebe zu, dass ihre Muster in Farbe und Zeichnung hervorstechen. Aber dennoch sollte sie nicht zu lange für dich tätig sein, Olaf. Eine von Lisdonn passt nicht zu uns Holsten, passt noch viel weniger zu einem Betrieb, der sich mit der Herstellung von Polstermöbeln befasst und zum ersten Mal Kabinen und Aufenthaltsräume eines Schiffes hat einrichten dürfen.«
Olaf Holsten wandte sich ab. Er fuhr mit der Rechten glättend über sein hellblondes Haar und verbiss sich die heftige Antwort, die er auf der Zunge hatte. Seiner Meinung nach war Astrid nicht nur ungerecht, sondern hartherzig. Von Anfang an hatte sie gegen Riccarda von Lisdonn gehetzt, obwohl diese ihr nie Veranlassung gab, sich über sie zu ärgern.
»Du wirst an der Schiffstaufe teilnehmen, nicht wahr?«, fragte Astrid.
»Vielleicht, wenn ich Zeit habe.«
»Du wirst Zeit haben, da die Feier an einem Samstag stattfindet. Und weißt du was?«
»Nein«, erwiderte er, ohne sich nach ihr umzudrehen.
»Du wirst dem Reeder bei der Gelegenheit ein hübsches Geschenk überreichen, eins, das für dich Reklame macht und vielleicht auch den Fürsten aufmerksam werden lässt.«
»Ein Mascera und ein Holsten! Welch eine wundervolle Zusammenstellung«, spottete der Bruder gutmütig. »Hier der Sohn eines Schreiners — und dort der Nachkomme eines stolzen Adelsgeschlechtes, das von Generation zu Generation reicher und mächtiger wurde und mit halb Europa verwandt ist.«
»Ja, und für ihn sollst du arbeiten. Das wird dich mit einem Schlage bekanntmachen. Der Sohn eines Schreiners wird aus der Jacht eines Fürsten ein schwimmendes Schloss machen. Frag die Lisdonn, Olaf. Sie wird wie ich denken und sogleich planen. Ihr wird schon etwas einfallen, etwas ganz Besonderes.«
»Sieh an — plötzlich bist du mit ihr einverstanden?«
»Nur solange wir sie wirklich brauchen. Bist du erst mal aus dem Gröbsten ›raus, werden wir geschulte Kräfte einstellen.«
»Das muss ich mir erst durch den Kopf gehen lassen«, sagte der Bruder. Er schob den Ärmel seiner Jacke zurück und blickte auf die Uhr. »O ja, es wird Zeit. Heute bin ich spät dran. Und das an einem Montag. Tschüss, Astrid, ich muss mich sputen.«
»Kommst du zum Essen?«, rief sie ihm nach.
»Nein, ich bleibe im Betrieb.«
Astrid Holsten nahm die Karte erneut vom Tisch, als sie allein war. Sie drehte sie hin und her und lächelte wie jemand, der sich dem Ziel seines Wunsches nahe ist.
***
»Ich habe die Unterlagen für den Herrn Senator zurechtgelegt«, sagte Riccarda von Lisdonn am Nachmittag.
»Danke.« Olaf Holsten zog den hellgrauen Kittel aus und lächelte ihr zu.
»Sie sollten sich mehr Ruhe gönnen, Herr Holsten«, riet sie, ohne sein Lächeln zu beachten.
»Das sagt meine Schwester auch immer. Und trotzdem liegt sie mir nur damit in den Ohren, dass ich mich um den Auftrag des Fürsten von Mascera bemühen soll.«
»Eine gute Idee«, stimmte Riccarda kühl zu. »Es würde Ihnen sehr helfen. Es würde einige Tausend Reinverdienst bringen, abgesehen von der Reklame für andere Interessenten. Haben Sie schon präzise Vorstellungen?«
»Nein, leider nicht. Dieser Auftrag würde mich reizen, doch um ihn ausführen zu können, brauche ich wieder einmal Ihre Hilfe, Fräulein von Lisdonn.«
»Ich werde am Wochenende darüber nachdenken. Ich glaube, wir werden die besten Vorschläge machen können. Der Fürst ist ein Kunstkenner. Das darf man nicht außer Acht lassen, wenn man für ihn arbeitet.«
»Sie — Sie kennen den Fürsten?«
»Nein, ich hörte und las von ihm. Und wenn ich mich recht erinnere, so hat mein Vater einmal erwähnt, dass sein Vater an der Hochzeit eines Mascera teilgenommen hat. Das Land der ewigen Sonne soll ihn so bezaubert haben, dass er sich dort niederließ. Mehr weiß ich nicht, aber vielleicht genügt es, um hier anzuknüpfen. Irgendeinen Anhaltspunkt müssen wir ja schließlich haben, wenn wir unsere Pläne einem so berühmten Mann unterbreiten.«
»Die Stadt steht jetzt schon Kopf, obwohl der Fürst erst am Tage der Schiffstaufe hier eintrifft. Im Hilton sind die ersten Reporter aufgetaucht, das hat mir Kluse erzählt. Als er die Sessel dorthin lieferte, bekam er zufällig mit, wie man einen der aufdringlichen Leute zur Tür hinausschob. Er hatte sich als Etagenkellner verdingen...




