E-Book, Deutsch, Band 559, 64 Seiten
May Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 559
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-1433-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das verwunschene Schlösschen am See
E-Book, Deutsch, Band 559, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-1433-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein verwunschenes Schlösschen am See hat Marietta von einer Frau geerbt, die sie selbst nur aus den Erzählungen ihres verstorbenen Vaters kannte.
Durch dieses Erbe verändert sich das Leben des jungen Mädchens völlig. Nun wohnt sie in einem zauberhaften Schloss und wird von morgens bis abends von dienstbaren Geistern verwöhnt.
Dennoch ist ihr Glück über das Erbe nicht ungetrübt, denn mysteriöse Dinge geschehen im Schloss, für die Marietta keine Erklärung findet.
Wer ist der blonde Mann, dem sie zufällig am Ufer des Sees begegnet, den jedoch sonst angeblich niemand kennen will? Und was sucht der Mann, der sich Matthias Hornberger nennt und manchmal stundenlang am See sitzt? Welches Geheimnis verbirgt das Hausmeisterehepaar?
Als Marietta schließlich dem Rätsel ihres Erbes auf die Spur kommt, bricht eine Welt für sie zusammen ...
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Das verwunschene Schlösschen am See Erfolgsroman um ein erschütterndes Mädchenschicksal Ein verwunschenes Schlösschen am See hat Marietta von einer Frau geerbt, die sie selbst nur aus den Erzählungen ihres verstorbenen Vaters kannte. Durch dieses Erbe verändert sich das Leben des jungen Mädchens völlig. Nun wohnt sie in einem zauberhaften Schloss und wird von morgens bis abends von dienstbaren Geistern verwöhnt. Dennoch ist ihr Glück über das Erbe nicht ungetrübt, denn mysteriöse Dinge geschehen im Schloss, für die Marietta keine Erklärung findet. Wer ist der blonde Mann, dem sie zufällig am Ufer des Sees begegnet, den jedoch sonst angeblich niemand kennen will? Und was sucht der Mann, der sich Matthias Hornberger nennt und manchmal stundenlang am See sitzt? Welches Geheimnis verbirgt das Hausmeisterehepaar? Als Marietta schließlich dem Rätsel ihres Erbes auf die Spur kommt, bricht von einer Sekunde zu anderen eine Welt für sie zusammen ... Der Mann stand einfach so da und rührte sich nicht. Marietta Garvin beobachtete ihn nun schon eine ganze Weile und wunderte sich immer mehr. Ein paarmal hatte sie sich abwenden und zum Haus zurückgehen wollen. Doch es ging etwas von dem Mann aus, das sie fesselte. Er war ein großer, stattlicher Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Er hielt den Blick starr auf den See gerichtet, hatte ein kühnes Profil und ein leicht gebräuntes Gesicht. Vom Wasser her wehte ein frischer Wind. Marietta hielt den Atem an, als der Fremde plötzlich einen Schritt zum Wasser hin tat und den Arm hob. Was hatte er vor? Er würde doch nicht ... Nein, er hatte die Hand nur über die Augen gelegt. Die Sonne schien ihn zu blenden, denn sie brachte das Wasser zum Glitzern. Marietta zögerte nicht länger. Entschlossen ging sie über den Rasen hinab und auf den Fremden zu. Er musste sie hören, da unter ihren Schuhen Gras raschelte, Äste knickten. Dennoch schaute er sich nicht um. Die Hand hatte er inzwischen sinken lassen, mit einer so resigniert wirkenden Bewegung, dass es Marietta ans Herz rührte. »Guten Tag«, sagte sie, als sie dicht hinter ihm war und den Silberstreifen in seinem Haar entdecken konnte, der von der Stirn bis in den Nacken verlief. Er gab ihren höflichen Gruß nicht zurück, als er sich zu ihr umwandte. Er hatte kluge blaue Augen und einen herben Zug um den gut geschnittenen Mund. »Guten Tag«, sagte sie noch einmal, diesmal etwas weniger freundlich und mit einem fragenden Unterton. Zu ihrer Überraschung wandte er sich schweigend dem See zu und starrte wieder auf das Wasser, das der Wind leicht kräuselte. »Sie befinden sich hier auf einem Privatgrundstück«, erklärte Marietta ein wenig unwillig. »Ja«, murmelte er. »Der See ist verhältnismäßig groß«, fuhr sie fort. »Er hat auch Ufer, die jeder betreten darf.« »Aber es ist hier geschehen und nicht woanders«, gab er zur Antwort. »Was soll denn hier geschehen sein?« Er warf ihr einen kurzen Blick zu, einen Blick, der ihr Blut in Wallung brachte. Was fiel dem Mann ein, sie derart verächtlich anzusehen? »Sie sollten sich wenigstens vorstellen, wenn Sie schon stundenlang hier herumstehen«, sagte sie nun und gab sich absichtlich einen Ruck, um ebenso kühl und ruhig zu wirken. »Wozu?«, fragte er achselzuckend, ließ den Blick noch einmal über die glitzernde Wasserfläche gleiten und kehrte dem See dann den Rücken zu. Beide Hände schob er in die Hosentaschen, als er mit gesenktem Kopf langsam am Ufer weiterging. Als sie sich endlich gefasst hatte, war er bereits an dem ausgetrockneten Bett des Flüsschens angelangt, das ihr Grundstück vom nächsten trennte. Sie hatte kein Recht mehr, ihm Vorwürfe zu machen. Nachdenklich kehrte Marietta Garvin eine Viertelstunde später in das kleine Schloss zurück, das sie vor Kurzem geerbt hatte und das ihr noch immer ein wenig fremd vorkam. »Thaddaeus«, wandte sie sich an den glatzköpfigen Mann, der gerade Holzscheite neben dem Kamin in der Wohnhalle aufschichtete, »was ist eigentlich auf dem See passiert?« »Auf dem See?«, wiederholte der alte Mann und richtete sich halb auf. Ein wenig erstaunt sah er Marietta an. »Nichts«, meinte er dann, während er mit seiner Arbeit fortfuhr. »Manchmal kentert ein Boot, und es wird dann auf dem See noch lauter«, berichtete der alte Mann. »Was sonst noch geschieht, interessiert meine Frau wohl mehr als mich. Ich kümmere mich nicht um die jungen Leute. Sie widern mich manchmal an, weil sie vor nichts Achtung und Respekt haben.« »Ich gehöre auch zu den jungen Leuten, Thaddaeus«, erinnerte sie ihn lächelnd. »Ja, Sie sind noch sehr jung, Fräulein Garvin.« »Widere ich Sie auch an?«, wollte sie wissen. »Mit anderen jungen Leuten möchte ich Sie nicht vergleichen«, erwiderte er ausweichend. »Außerdem sind Sie noch nicht lange hier, Fräulein Garvin.« »Und Sie haben sich einen anderen Erben für diesen Besitz erhofft, nicht wahr?« »Ja, das habe ich«, gab der alte Mann mit leiser Stimme zu. Mühsam erhob er sich, strich die lange grüne Schürze glatt und ging davon. Wieder einmal hatte sie das Gefühl, hier niemals ganz heimisch werden zu können, solange Thaddaeus und seine pummelige Frau Elisa sich derart reserviert und wortkarg verhielten. Marietta stieß sich seufzend von der Säule ab und ging über die breite weiße Marmortreppe nach oben. Ihr Blick sah so viel Schönes und Wertvolles, dass sich ihr Herz weit öffnete und wieder einmal mit Dankbarkeit erfüllte, weil sie all dies hier unerwartet geschenkt bekommen hatte. Ich werde an Mark schreiben, nahm sie sich vor, als sie den Gang erreicht hatte, wo zwischen den Türen vergoldete Barocksessel standen, deren mattrote Samtpolster vor dem zarten Gelb der Seidentapeten leuchteten. Im Gegensatz zu der etwas rustikal gehaltenen riesigen Wohnhalle mit ihren vielen Mahagonitüren war hier oben alles licht und zart. Jedes der Zimmer war in einem anderen Stil eingerichtet. Nicht eines der Gemälde war eine Kopie. Man hätte sich sehr wohlfühlen können, wäre da nicht das Empfinden gewesen, trotz des verbrieften Rechtes ein Eindringling zu sein. Hier hatte eine alte Dame gelebt, die das Schöne geliebt hatte und sich Kostbares leisten konnte. Hier hatte ihr Neffe jahrelang damit gerechnet, eines Tages alles zu besitzen. Und nun wohne ich hier, dachte Marietta, als sie dann in ihrem kleinen Salon stand und zu dem schwarz lackierten Schrank hinsah, der alle Schreibutensilien enthielt. Es war ein Original China-Schrank, mit einem zauberhaften Arabesken-Dekor in Braunrot und Goldgelb. Die rot-beigefarbene China-Brücke davor war echt und handgeknüpft. Das ganze Zimmer war in diesen Tönen gehalten, strahlte Wärme und Behaglichkeit aus. Doch am liebsten von allem war Marietta der Pfauenthron-Sessel mit der wunderbaren Flechtarbeit. Ihre Dankbarkeit der Gräfin von Sonnhusen gegenüber war groß und kannte trotz des Todes keine Grenzen. Jeden Tag suchte sie das Grab der Frau auf, die es testamentarisch bestimmt hatte, dass, falls der Neffe Konrad von Sonnhusen zu Tode kam, alles der einzigen Tochter jenes Mannes zufallen sollte, der Konrads Privatlehrer gewesen war. Voller Zärtlichkeit dachte Marietta an ihren Vater, und wieder tat es ihr leid, dass er hatte sterben müssen, ohne dieses Schloss jemals wiedergesehen zu haben, in dem er, wie er sagte, die schönsten und harmonischsten Stunden seines Lebens verbracht hatte. Harmonisch war seine Ehe nicht gewesen, daran konnte sich Marietta sehr gut erinnern. Ihre Mutter war einer Grippeepidemie erlegen, als sie, Marietta, kurz vor dem siebzehnten Geburtstag gestanden hatte. Sie hatte keine große Lücke hinterlassen. Das Herzleiden ihres Vaters hatte sich nach ihrem Tod verschlechtert. Und zwei Tage vor Mariettas Abitur war er sanft entschlafen. Sie setzte sich nun entschlossen hin, um an Mark zu schreiben, den Nachbarssohn, der als Austauschstudent zwei Jahre lang in Kalifornien gewesen war und noch nichts von ihrem, Mariettas, Glück wusste. Er würde jetzt daheim sein, in dem kleinen Fachwerkhaus mit der Bäckerei. Marietta hatte ihm nach Amerika nicht schreiben wollen. Sie hatte ihm damals beim Abschied gesagt, dass es besser wäre, sich durch nichts zu binden. Was aber war schon dabei, wenn sie nun Kontakt zu ihm aufnahm? Es fiel ihr schwer, unbefangen zu berichten. Immer wieder brach ihre Freude durch, aber auch ihre Sehnsucht nach Gesellschaft und Verständnis, ihr Bedürfnis, sich jemandem mitzuteilen. Sie schrieb auf feinstem Büttenpapier, mit dem eingepressten Wappen der von Sonnhusen. Der Brief wurde drei Seiten lang. »Wie bekomme ich diesen Brief zur Post?«, fragte sie, als Elisa Hofer angeklopft hatte und eingetreten war, um sich zu erkundigen, was Marietta am Abend zu essen wünschte. »Morgens um zehn kommt der Josef«, erklärte die dicke Frau, die zwölf Jahre jünger als ihr Mann war und durch ihr maskenhaft starres Gesicht dennoch älter...