Maupassant | Bel-Ami | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

Maupassant Bel-Ami

Roman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-423-41505-7
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

ISBN: 978-3-423-41505-7
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Neuübersetzung von Maupassants satirisch-bissigem Erfolgsroman  Mit souveräner Ironie schildert Maupassant den Werdegang des charmanten Emporkömmlings George Duroy, der als Don Juan des bürgerlichen Zeitalters in die Weltliteratur einging. Der berühmte Klassiker wird hier in der neuesten Übersetzung vorgelegt.   • Die Neuverfilmung des großen Klassikers mit >Twilight<-Star Robert Pattinson kommt 2011 in die deutschen Kinos  

Guy de Maupassant stammt aus einer alten lothringischen Adelsfamilie und wurde 1850 auf Schloß Miromesnil in der Normandie geboren. 1870/71 nahm er am Deutsch-Französischen Krieg teil. Mit dreißig Jahren begann er zu schreiben und avancierte schnell zu einem Meister der Erzählkunst. Seine Novellen und der Roman >Bel-Ami< von 1885 begründeten seinen Ruhm. Maupassant starb 1893 nach zweijähriger geistiger Umnachtung in Paris.
Maupassant Bel-Ami jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


TEIL I


1


Als die Kassiererin ihm das Kleingeld auf sein Hundertsousstück herausgegeben hatte, verließ Georges Duroy das Restaurant.

Da es so seine Art und auch, als ehemaliger Unteroffizier, seine Angewohnheit war, überall selbstbewußt aufzutreten, warf er sich in die Brust, fuhr sich mit der Routine des Soldaten über den Schnurrbart und ließ seinen Blick in der für gutaussehende Junggesellen typischen Art, zu schauen wie Falken, die auf Beute lauern, blitzschnell über die noch mit dem Essen beschäftigten Gäste kreisen.

Die Frauen blickten zu ihm auf, drei kleine Arbeiterinnen, eine nicht mehr ganz junge schlampige, ungepflegte Musiklehrerin, die einen ewig staubig wirkenden Hut auf dem Kopf und ein allzeit schlecht sitzendes Kleid am Körper trug, sowie zwei Bürgersfrauen samt den dazugehörigen Ehemännern, allesamt Stammgäste dieser Kaschemme, wo man zu festen Preisen essen konnte.

Als er dann draußen auf dem Trottoir war, blieb er noch einen Moment stehen, um zu überlegen, was er nun tun sollte. Es war der 28.Juni, und für den Rest des Monats blieben ihm noch ganze drei Francs vierzig. Damit konnte er noch zweimal zu Abend essen, wenn er den Mittag ausließ, oder auch umgekehrt, ganz wie er es sich aussuchte. Bei seiner Kalkulation kam er zum Ergebnis, daß die Mittagsmenüs zweiundzwanzig, die Abendessen aber dreißig Sous kosteten; wenn er sich also mit dem Mittagessen begnügte, würde ihm ein Guthaben von einem Franc und zwanzig Centimes bleiben, womit er sich noch zwei Wurstbrote und zwei Gläser Bier in einem Café auf den Boulevards leisten könnte. Das war die Ausgabe, die er sich regelmäßig als kleinen abendlichen Luxus genehmigte; und so machte er sich auf den Weg die Rue Notre-Dame de Lorette hinunter.

Seine Art zu gehen war dieselbe wie zu der Zeit, als er noch die Husarenuniform trug; er ging mit stolzgeschwellter Brust und leicht gespreizten Beinen, gerade so, als wäre er gerade von einem Ausritt zurückgekommen; und er bahnte sich brutal seinen Weg durch die belebte Straße, rempelte die Leute an der Schulter, stieß sie auf die Seite, um nur ja keinen Zentimeter vom eigenen Weg abrücken zu müssen. Er hatte sich seinen schon recht abgetragenen Zylinder übers Ohr geschoben und ließ die Absätze auf dem Pflaster krachen. Er wirkte, als wollte er jeden Augenblick jemanden provozieren, die Passanten, die Häuser, die ganze Stadt, ganz wie ein flotter Soldat, den es in Zivil unter die Leute verschlagen hat.

Obwohl sein Anzug nicht mehr gekostet hatte als sechzig Francs, war seine Aufmachung zwar etwas auffallend und gewöhnlich, aber doch nicht ohne eine gewisse Eleganz. Groß und gut gewachsen, mit blonden Haaren, einem Blond, das leicht ins Kastanienbraun ging, mit einem nach oben gezwirbelten Schnurrbart, der sich wie ein Schaumtupfer über dem Mund ausnahm, mit seinen hellblauen Augen, in deren Mitte nur eine kleine Pupille saß, seinen sich von Natur aus kräuselnden Haaren, durch die ein Mittelscheitel lief, sah er aus wie der typische Schlawiner eines Groschenromans.

Es war einer dieser Sommerabende, in denen Paris buchstäblich die Luft ausgeht. Die Stadt war so heiß wie eine Dampfküche und lag in der stickigen Nacht gleichsam schweißgebadet da. Aus den granitenen Öffnungen drangen die bestialischen Ausdünstungen der Abwasserkanäle nach oben, und aus den Fenstern der tief gelegenen Küchen kippten die Küchenjungen ekliges Abspülwasser und Saucenreste auf die Straße.

Die Concierges saßen mit hochgekrempelten Ärmeln rittlings auf Strohstühlen vor den offenstehenden Haustüren und rauchten ihre Pfeife, und die Spaziergänger gingen barhäuptig, den Hut in der Hand, verlegen ihres Wegs. Als Duroy am Boulevard ankam, blieb er noch einmal unschlüssig stehen. Er hatte nun Lust, auf die Champs-Elysées und die zum Bois de Boulogne führende Avenue zu gehen, in der Hoffnung, unter den Bäumen ein wenig frische Luft zu bekommen; aber zugleich arbeitete noch ein anderer Wunsch in ihm, der Wunsch, irgendeine Frau aufzutreiben.

Wie würde sich ein solches Treffen ergeben? Er hatte nicht die geringste Vorstellung, aber er wartete seit einem Vierteljahr darauf, Tag für Tag, Abend für Abend. Dank seines guten Aussehens und seines einnehmenden Auftretens gelang es ihm hier und da mal zwar einen Happen Liebe aufzuschnappen, aber er erhoffte sich immer mehr davon und außerdem etwas Besseres.

Mit leeren Taschen und heißem Blut erregte er sich im Kontakt mit den herumlaufenden leichten Mädchen, die einem an den Straßenecken zuflüstern: »Na, mein Süßer, wie wär’s, kommen Sie, gehen wir zu mir?« Aber er traute sich nicht, mit ihnen zu gehen, da ihm das Geld dazu fehlte. Und außerdem schwebte ihm etwas anderes vor, andere, weniger vulgäre Küsse.

Allerdings behagten ihm die Örtlichkeiten, an denen sich die Prostituierten scharenweise herumtrieben, schon, ihre Bälle, ihre Cafés, ihre Straßen; sie anzustoßen, anzureden, zu duzen, ihre derben Parfums zu schnuppern, ihre Gegenwart in sich aufzunehmen, all das mochte er sehr. Immerhin waren das richtige Frauen, Frauen, die sich auf die Liebe verstanden. Die Verachtung, die brave Familienväter für sie hegen, teilte er ganz und gar nicht.

Er lenkte seine Schritte in Richtung auf die Madeleine und ging der Menge nach, die unter der Last der Hitze träge dahinfloß. Die Tische der bis auf den letzten Platz gefüllten Straßencafés standen weit auf das Trottoir heraus und gaben ihre Kundschaft von Zechern unter dem gleißenden und harten Licht ihrer hellbeschienenen Fensterfront dem Anblick der Passanten preis. Auf kleinen quadratischen oder runden Tischen standen Gläser mit roten, gelben, grünen, braunen Flüssigkeiten in allen Farbnuancen vor ihnen; und in den Karaffen sah man große durchsichtige Eiswürfel glänzen, die das schöne helle Wasser kühlten.

Duroy hatte seinen Gang verlangsamt; seine Kehle war nun so ausgetrocknet, daß es ihn dringend danach verlangte, etwas Flüssiges zu sich zu nehmen.

Ein brennender Durst, ein für Sommerabende typischer Durst hielt ihn gefangen, und er mußte an das prickelnde Gefühl eines kalten Getränks denken, das einem die Kehle hinabläuft. Aber auch wenn er nur seine zwei Biere im Lauf des Abends trank, dann war’s schon vorbei mit dem bescheidenen Abendessen vom nächsten Tag, und er kannte sie nur zu gut, diese Stunden am Monatsende, in denen ihm der Magen knurrte.

Er sagte sich: »Ich muß unbedingt bis um zehn durchhalten; dann genehmige ich mir meine Halbe Bock im Américain. Verdammt noch mal, was hab ich nur für einen Mordsdurst!« Und er schaute all diese Leute an, die da an den Tischen saßen und ihren Durst stillten, sie alle, die trinken konnten, was das Herz begehrte. Großspurig und angeberisch stolzierte er an den Cafés vorbei und taxierte mit einem kurzen Blick nach Aufmachung und Kleidung, was jeder dieser Gäste wohl so an Geld dabei hatte. Und dabei überkam ihn Wut auf diese Leute, die da in aller Ruhe herumsaßen. Würde man ihre Taschen filzen, kämen Stücke aus Gold und Silber und so manche Sous zum Vorschein. Im Schnitt hatte jeder bestimmt mindestens seine zwei Louis in der Tasche; in jedem Café waren gut und gerne hundert Leute; hundert mal zwei Louis, das macht viertausend Francs! Während er nach außen hin graziös an ihnen vorbeiflanierte, murmelte er in seinen Bart: »Diese Schweine!« Wenn er einen von ihnen, in einem schön dunklen Winkel, an einer Straßenecke, packen hätte können, dem hätte er ruckzuck den Hals umgedreht, wie er es seinerzeit bei den großen Manövern mit dem Federvieh der Bauern gemacht hatte.

Und da mußte er an seine zwei Jahre in Afrika denken und an die Art und Weise, mit der er dort, in den kleinen Garnisonen des Südens, die Araber ausnahm. Und bei der Erinnerung an einen üblen Streich, der drei Mitgliedern vom Ouled-Alane-Stamm das Leben gekostet und der ihnen, ihm und seinen Kameraden, zwanzig Hühner, zwei Hammel, einen Batzen Gold und Stoff zum Witzemachen fürs nächste halbe Jahr eingebracht hatte, huschte ein grausames, hämisches Lächeln über sein Gesicht.

Die Schuldigen waren nie ermittelt worden, man hatte sich bei der Suche nach ihnen auch nicht überanstrengt, galten die Araber doch ein wenig als die natürliche Beute der Soldaten.

In Paris, da lagen die Dinge anders. Da konnte man nicht, ungestört und seelenruhig, mit umgeschnalltem Säbel, den Revolver in der Hand, drauflosplündern, weitab vom Schuß der bürgerlichen Justiz. In seinem Herzen fühlte er noch alle Instinkte des alten Unteroffiziers, den man auf ein erobertes Stück Land losgelassen hatte. Mit Wehmut dachte er zurück, an seine zwei Jährchen in der Wüste. Schade, daß er nicht länger da unten geblieben war! Aber so war’s nun einmal, er hatte sich das Leben bei der Rückkehr in rosigeren Farben ausgemalt gehabt. Und jetzt! Jetzt saß er ziemlich in der Tinte!

Er ließ seine Zunge durch den Mund wandern, schnalzte dann ganz leicht mit ihr, nur um festzustellen, wie ausgetrocknet sie denn schon war.

Um ihn herum war eine große Menschenmenge, matt und mit müden Schritten, und alles, was er dachte, war: »Dummköpfe, nichts als Dummköpfe; und jeder von diesen Trotteln hat einen Haufen Pinke in der Tasche.« Er rempelte die Leute an der Schulter und pfiff lustige Lieder dabei. Manche der Männer, die er anstieß, schauten sich mißmutig um; manche Frauen sagten: »Donnerwetter, das ist aber einer, ein echter Stier von einem Mann!«

Er kam am Vaudeville-Theater vorbei und blieb gegenüber dem Café Américain stehen. Er fragte sich, ob er nicht doch gleich sein Bier trinken sollte; so schlimm war der Durst schon geworden. Aber bevor er...


Lindner, Hermann
Dr. phil. hab. Hermann Lindner war Privatdozent an der LMU, ist seit einiger Zeit im Ruhestand, gibt aber nach wie vor Seminare im Rahmen des Seniorenstudiums. Für dtv übersetzte er bereits den berühmten Roman ›Bel-Ami‹ von Guy de Maupassant und zwei Novellenbände.

Maupassant, Guy de
Guy de Maupassant stammt aus einer alten lothringischen Adelsfamilie und wurde 1850 auf Schloß Miromesnil in der Normandie geboren. 1870/71 nahm er am Deutsch-Französischen Krieg teil. Mit dreißig Jahren begann er zu schreiben und avancierte schnell zu einem Meister der Erzählkunst. Seine Novellen und der Roman ›Bel-Ami‹ von 1885 begründeten seinen Ruhm. Maupassant starb 1893 nach zweijähriger geistiger Umnachtung in Paris.

Guy de Maupassant stammt aus einer alten lothringischen Adelsfamilie und wurde 1850 auf Schloß Miromesnil in der Normandie geboren. 1870/71 nahm er am Deutsch-Französischen Krieg teil. Mit dreißig Jahren begann er zu schreiben und avancierte schnell zu einem Meister der Erzählkunst. Seine Novellen und der Roman ›Bel-Ami‹ von 1885 begründeten seinen Ruhm. Maupassant starb 1893 nach zweijähriger geistiger Umnachtung in Paris.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.