Matthew | Braves kleines Mädchen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 284 Seiten

Matthew Braves kleines Mädchen

Ein krimineller Onkel. Eine gleichgültige Mutter. Ein kleines Mädchen, das auf Gerechtigkeit wartet
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-5895-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein krimineller Onkel. Eine gleichgültige Mutter. Ein kleines Mädchen, das auf Gerechtigkeit wartet

E-Book, Deutsch, 284 Seiten

ISBN: 978-3-7325-5895-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Laurie Matthew ist eine der wichtigsten Kämpferinnen gegen Kindesmissbrauch in Großbritannien. Doch nur wenige, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, wissen, was sie selbst durchgemacht hat. In diesem Buch nimmt Laurie ihre Leserinnen und Leser mit in ihre Kindheit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Von ihren Eltern vernachlässigt und ungeliebt, klammerte sie sich an den einzigen Menschen, der ihr Liebe und Aufmerksamkeit zukommen ließ: ihren Onkel Andrew. Die Sechsjährige konnte nicht ahnen, dass er sie systematisch darauf vorbereitete, sexuell missbraucht zu werden - nicht nur von ihm selbst, sondern später auch von einem ganzen Netzwerk von Pädophilen. Jahrelang schrie das Mädchen auf jede erdenkliche Weise um Hilfe. Doch sie war auf sich allein gestellt - und entwickelte eine unvorstellbare Stärke, um sich und anderen zu helfen.

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Familie
Es ist mir egal, wenn du schreist und mir wehtust.
Ich werde niemals für dich weinen.
Die Tränen, die ich innerlich weine, sind die meinen.
Dort verstecke ich mich vor dir. Ich wurde in eine sehr gewöhnliche Umgebung hineingeboren. Natürlich würde das, was in den 1950er Jahren in der Welt der Arbeiterklasse von Dundee »gewöhnlich« war, heutzutage als ausgesprochene Armut gelten. Unser Haus war klein und feucht, und die Fenster klapperten. An ihrer Innenseite lief Wasser hinunter und sammelte sich auf den hölzernen Fensterbrettern. Wir hatten Außentoiletten, keine Straßenlaternen und die einzige Beheizung kam von einem Kohlenfeuer. Die Feuerstelle hatte einen Vorsprung für den Wasserkessel, der über das Feuer geschoben werden konnte, mit einem Kohleneimer aus Blech daneben und einem Blechbehälter für den Schürhaken, einer Zange, einer kleinen Bürste und einer Schaufel, um die Feuerstelle zu reinigen. Wir wuschen uns mit Karbolseife, und es gab keine Zahnbürsten. Doppelverglasung war etwas, von dem niemand von uns je etwas gehört hatte, und im Winter konnte man sich nur warm halten, wenn man Schichten von kratzigen Decken um sich wickelte. Es gab keine Telefone, kein Fernsehen. Auf den Böden lagen keine Teppiche, und die Möblierung war gelinde gesagt karg. Im vorderen Raum befanden sich eine tiefe Spüle, ein Holztisch mit Holzstühlen und ein Sideboard voller Krimskrams. Auf dem Boden lag Linoleum, und in der Bettnische stand ein Bett. Hinter der Vordertür befand sich eine kleine dunkle Eingangshalle, die den Münzstromzähler beherbergte. Es gab einen weiteren Raum, ein Hinterzimmer, in das überhaupt kein Licht fiel, es sei denn, das elektrische Licht wurde angeknipst. Kindern war es auf jeden Fall nie erlaubt, das Licht anzumachen, da es zu viel Geld kostete. Dieses Hinterzimmer beherbergte die Singer-Nähmaschine auf einem schwarzen Gestell, eine Holzkommode für Kleidung und einen Schrank, in dem sich die gesamte Bettwäsche befand. Eine Matratze auf dem Boden wurde zum »Hau dich hin«, meinem Bett. Sie wurde am Morgen zusammengeklappt, um Platz zu schaffen, und der Boden war dann nackt. Die Wände im Vorderzimmer waren in einem Rosaton gestrichen, mit fliegenden Enten darauf, einem Spiegel und diversen Bildern. Das Hinterzimmer war sehr schäbig – die Wände bedeckte hauchdünnes Schrankpapier – und es roch durchdringend nach Feuchtigkeit. Im Winter hatten wir nicht einmal Handschuhe – doch die Kinder wickelten ihre Hände in Lumpen oder Socken, um die Kälte abzuhalten. Ich kannte niemanden, der mehr als eine Garnitur Kleidung und Schuhe hatte. Abgelegte Kleidung zu tragen, war üblich, und selbst die Sonntagssachen stammten oft aus zweiter Hand. Die meisten Frauen strickten, was aber nicht bedeutete, dass sie besonders gut darin waren! Selbst kleinen Kindern wurde beigebracht, wie man flickte oder stopfte, und auch das führte oft zu wirklich ungepflegter und heruntergekommener Kleidung. Tatsächlich wurden alle Kinder, egal wie alt sie waren, ermutigt, ja eigentlich wurde es von ihnen erwartet, im Haushalt zu helfen. Darunter konnte das Waschen der Kartoffeln (sie wurden nie geschält, da dies eine Verschwendung gewesen wäre) fallen, das Reinigen und Anzünden des Feuers, das Kleinschneiden von Zeitungspapier, damit es als Klopapier benutzt werden konnte, und viele andere kleine Dinge, die täglich anfielen. Es gab weder Waschmaschinen noch Mikrowellen oder Toaster. Tatsächlich war es, da der Toast am Feuer geröstet wurde, eine der Aufgaben, die oft den Kindern übertragen wurden, die schwarzen Stellen abzukratzen. Das Ganze stank, aufgrund des Gestanks des Kohlenfeuers, der alles durchdrang – aber alle rochen gleich. Die Skyline sah damals auch völlig anders aus. Es gab keine Fernsehantennen, keine Telefonleitungen (weil es in den Häusern der armen Leute keine Telefone gab), keine Satellitenschüsseln – keine Anzeichen der sogenannten »Zivilisation«, die die heutige Gesellschaft für selbstverständlich erachtet. Das war die Welt, in die ich hineingeboren wurde. Als ich kam, hatten meine Eltern bereits ein Kind, einen Jungen, der vierzehn Monate älter war als ich. Er war der Grund, warum sie überhaupt geheiratet hatten. Das musste mir niemand erzählen, da ich, sobald ich zählen konnte, und wusste, wie lange Babys ausgetragen wurden, auch wusste, dass George weniger als neun Monate, nachdem sie geheiratet hatten, geboren worden war. Unsere Wohnung befand sich im Zentrum von Dundee, einer größeren Stadt eine Stunde nördlich von Edinburgh, traditionell bekannt für die Juteherstellung und den Schiffbau. Das war vor einer Ewigkeit. Heute ist Dundee im Aufwind. Millionen von Pfund werden in die Stadt gepumpt. Ein neues Victoria-und-Albert-Museum ist in Planung, und das Hafenviertel entwickelt sich so schnell, dass sogar im Gespräch ist, dort in zwanzig Jahren ein Guggenheim-Museum zu bauen. Damals, als ich ein kleines Mädchen war, war es ganz anders; es gab sehr wenig Verkehr, also bestand keine Notwendigkeit, die Verkehrsregeln zu lernen. Im Stadtzentrum gab es mehr Autos als weiter draußen in den Vororten und ländlichen Gegenden, aber nicht wirklich viele. Alle Autos hatten dieselbe Farbe: schwarz. Ich erinnere mich daran, dass sie vorne große Kühlergrille hatten und Blinker, die an der Seite herauskamen, wie kleine Flaggen. Auch Straßenbahnen gab es noch in Dundee, als ich jung war, und sie machten den größten Teil des Verkehrs aus, zusammen mit Rädern, Lastwagen und Bussen. Die Leute, die Autos besaßen, hatten keine Probleme mit dem Parken, da sie ihre Fahrzeuge abstellen konnten, wo immer sie wollten, ohne Angst vor Halteverboten oder Parkuhren haben zu müssen. Diese Dinge gab es einfach nicht. Die Busse waren grün und hatten harte Plastiksitze und keine Türen. Es war kalt, wenn man in ihnen saß und auch ziemlich unsicher. Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften gab es noch keine; man setzte jedes Mal sein Leben aufs Spiel, wenn man in einen Doppeldecker stieg! Es gab viele kleine Läden, alle unterschiedlich, und die Situation war Welten entfernt von heute, da jede Hauptgeschäftsstraße gleich aussieht und voll von großen Handelsketten ist (obwohl wir einen Woolworth hatten). Die meisten Läden hatten eine herunterziehbare Markise, damit die Kunden bei Regen trocken blieben, während sie sich die Auslagen im Fenster ansahen. Es gab Textilgeschäfte, Schlachter, Eisenwarenhändler, Obst- und Gemüseläden. Keiner von ihnen gab Plastiktüten aus. Wenn man zum Beispiel Kartoffeln wollte, wurden sie ausgewogen (in Pfund, nicht in Kilo) und direkt in die Einkaufstasche oder den Korb gekippt. Es gab keine verarbeiteten Lebensmittel, also mussten die Grundzutaten gekauft und in Mahlzeiten verwandelt werden. Die Läden verkauften Dinge aus großen Fässern heraus, wie etwa zerbrochene Kekse, Mehl und Haferflocken. Es gab keine Musikberieselung, alles, was man hörte, war Klatsch. In der Mitte der Straßen standen Marktstände, und sogenannte »Fahrende« verkauften Sachen aus Körben. Es gab einen dieser Märkte in der Stadtmitte, wo unsere Familie viel von ihrer Kleidung herbekam. Es war altes Zeug, aber es wurde auseinandergenommen und aufgeribbelt, um neu gestrickt und wieder zu »neuen« Kleidungsstücken zusammengenäht zu werden. Alle rauchten – sogar in den Läden. Meine Eltern rauchten beide; keiner hatte eine Ahnung von den Gesundheitsrisiken. Die Leute schienen immer einen Glimmstängel in der Hand oder im Mund zu haben, egal, was sie taten, oder ob Babys oder Kinder in der Nähe oder sie sogar selbst schwanger waren. Eigentlich stank alles nach irgendetwas. Die Hauptgerüche während des Tages waren die vom Waschraum, der nach hinten raus lag. Der Waschraum für alle Mietshäuser befand sich hinter unserem Haus, also war es immer laut und hektisch. Die Gestankmischung, die von ihm ausging, bestand aus Karbolseife, Dampf und Schweiß. Es war dort immer geschäftig, da Frauen und Kinder dort Wäsche wuschen. Manchmal wurden die Kinder, nachdem die Kleidung gewaschen war, für eine flüchtige Säuberung ebenfalls in das dreckige Wasser gesteckt. Ich denke, dass sie schmutziger herauskamen, als sie hineinstiegen. Es gab zwei Außentoiletten, die sich eine Menge Leute teilen mussten. Die gesamte Wohneinheit bestand aus etwa zehn Familien, und sie hatten alle Kinder, also müssen sich mindestens vierzig Leute diese zwei Toiletten geteilt haben, was ziemlich widerlich war. Die Frauen wechselten sich damit ab, sie zu putzen, aber es gab nicht die Reinigungsprodukte, die wir heute haben. Da war ein Spülkasten hoch oben an der Wand, mit einer Metallkette, an der man zog, um zu spülen, und eine hohe Toilette mit einem Holzsitz, die für Kinder ziemlich schwer zu benutzen war. Die Wände waren aus Backstein, und es gab kein Waschbecken. Toilettenpapier war nichts anderes als klein geschnittenes Zeitungspapier, das man jedes Mal mitnahm; nicht einmal das konnte man dort lassen, da die Gefahr bestand, dass es jemand klaute. In der Nacht benutzten die Leute einen Nachttopf, weil es draußen keine Beleuchtung gab und keine Taschenlampen; wer hätte es riskieren wollen, in den frühen Morgenstunden dort hinauszugehen? Ich kann mich wirklich nicht mehr an die Nachbarn erinnern, abgesehen von der Tante und dem Onkel, die in der nächsten Wohneinheit lebten, aber es waren immer Leute da. Das Mietshaus hatte keinen sicheren Eingang, also war der Hinterhof offen für alle und auch für Wind und Wetter. Meiner Mutter war es wichtig, den Schein zu wahren, daher färbte sie unsere vordere Türschwelle immer mit einer rotbraunen Farbe, um sie vornehm aussehen zu lassen. Außerdem schrubbte sie jeden Teil des Hinterhofs, den sie erreichen...



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