E-Book, Deutsch, 208 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Matheus Crashkurs New Work
2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2025
ISBN: 978-3-648-17791-4
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Psychologische Sicherheit für Teamarbeit und Führung
E-Book, Deutsch, 208 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-17791-4
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andrea Matheus ist Business- und Kommunikationstrainerin und NLP-Trainerin (DVNLP). Seit 2021 ist sie Mitglied in der 'Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement'. Sie berät seit vielen Jahren Führungskräfte zum Thema 'Psyche und Gesundheit am Arbeitsplatz'. Ihr Wirkungsfeld zu diesem Thema erstreckt sich vom Bereich 'Betriebliches Gesundheitsmanagement' als Partnerin für eine große Krankenkasse über die Tätigkeit als Führungskräfte-Trainerin für die Haufe Akademie. Sie hat mit dem im Buch beschriebenen pragmatischen Modell 'Mirror of Success' bereits viele Führungskräfte dabei unterstützt, eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung zu gestalten. Ihr Fokus liegt dabei immer auf die praktische Umsetzung im eigenen Unternehmen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Management: Führung & Motivation
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Organisationstheorie, Organisationssoziologie, Organisationspsychologie
Weitere Infos & Material
1.1 Einführung
Wir Menschen streben danach, in soziale Beziehungen eingebunden zu sein und uns mit anderen verbunden zu fühlen. Die Nähe und Verbundenheit mit anderen sorgt bei uns für ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Identität. Wenn wir das Gefühl haben, von anderen akzeptiert zu werden und die Unterstützung unserer Mitmenschen erfahren, dann fühlen wir uns wohl und können auch schwierigen Phasen des Lebens gelassener entgegensehen. Dieses Grundbedürfnis ist tief in unserer Evolution verwurzelt und nicht zuletzt eine Voraussetzung für den Erfolg unserer Spezies auf diesem Planeten. Nur durch den Zusammenhalt einer Gruppe waren die Menschen überlebensfähig. Können wir anderen vertrauen und uns auf sie verlassen, so können wir entspannen. Fürchten wir das Gefühl des Alleinseins, so fühlen wir uns überfordert und ausgeliefert. Es ist gut zu wissen, dass andere da sind, die uns verstehen, uns mögen und uns unterstützen. Dabei wirkt sich dieses Grundbedürfnis auch direkt auf unsere Gesundheit aus. Ein erfülltes Zugehörigkeitsbedürfnis steigert die Aktivitäten unseres Immunsystems und lässt uns nachweislich weniger anfällig für Krankheiten sein. Wenn wir diese Verbundenheit mit anderen Personen spüren, schüttet unser Körper das Hormon Oxytocin aus. Dieses Hormon ist unser »Wohlfühlhormon«. Die Wirkung von Oxytocin lässt uns mutiger und optimistischer sein und dämpft darüber hinaus deutlich unser Aggressionspotenzial. Die frühen kindlichen Bindungserfahrungen prägen uns und wir lernen, wie Vertrauen, Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, gesunde Beziehungen zu anderen aufzubauen, funktioniert. Wir knüpfen soziale Bindungen zu Familienmitgliedern, Freunden, Kolleginnen oder zu Mitgliedern anderer sozialer Gruppen, wie z.?B. religiöse Gemeinschaften oder auch Sportvereine. Alleinstehend zu sein, ist dabei nicht immer gleichbedeutend mit Einsamkeit. Nicht jeder Mensch muss unbedingt in einer Familie leben, um sich zugehörig zu fühlen. Auch in anderen Gruppen können Interaktionen und ein regelmäßiger Austausch gelebt werden, um das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu stillen. Das Teilen von Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen fördert unsere Verbundenheit und Vertrautheit miteinander und trägt so zur Stärkung zwischenmenschlicher Beziehungen bei. Es wärmt unser Herz, wenn wir spüren, dass wir für unsere Gruppe wertvoll sind. Es freut uns, wenn wir nach unserer Meinung oder unserer fachlichen Einschätzung gefragt werden. Menschen helfen anderen einfach gern, sogar dann, wenn sie selbst keinen unmittelbaren Vorteil davon haben. Denken wir z.?B. an die ältere, gebrechliche Frau, der wir über die Straße helfen. Wenn wir andere unterstützen und anderen helfen, schütten wir eine Menge Oxytocin aus. Warum fühlen wir uns wohl, wenn wir Fremden helfen, die uns nichts, außer ihren Dank, geben können? Ganz einfach: weil es für das Fortbestehen unserer Spezies von Vorteil war, wenn die gegenseitige Unterstützung mit guten Gefühlen belohnt wurde. Das erfüllte Bedürfnis nach Zugehörigkeit lässt Menschen friedfertiger und weniger aggressiv werden.
Fehlende soziale Bindung und Zugehörigkeit können zu Einsamkeit, Angst, Depression und anderen psychischen Problemen führen. Mit dem Gefühl des Ausgeschlossenseins wächst auch das Aggressionspotenzial. Menschen, die sozial isoliert sind, wittern überall Gefahren und sehen in anderen Personen schnell eine Bedrohung. So entsteht häufig ein Teufelskreis: Menschen, die sich nicht zugehörig fühlen, sind oft sehr misstrauisch und haben Schwierigkeiten, sich zu öffnen. Dies führt dazu, dass andere Menschen sie als eher unsympathisch einstufen. So kann ein sich selbstverstärkender negativer Kreislauf entstehen.
Noch deutlicher bekommen wir die Auswirkungen des Verlusts nach Zugehörigkeit bei einem Schicksalsschlag zu spüren: Verlieren wir einen Freund oder Angehörigen aufgrund von Trennungen oder durch den Tod, trifft uns dies bis in die tiefsten Fasern unseres Seins. Selbst wenn wir körperlich unversehrt sind, sind wir erfüllt von Schmerz, leiden unter Appetit- und Schlaflosigkeit. Forscher haben herausgefunden, dass seelische und körperliche Schmerzen in den gleichen neuronalen Netzwerken verarbeitet werden und ähnlich unangenehme Auswirkungen auf unser Wohlbefinden haben. Dies erklärt, weshalb wir uns bei einem Verlust von Zugehörigkeit auch körperlich unwohl fühlen.
Da wir uns so sehr verbunden fühlen, möchten wir die glücklichen Momente unseres Lebens am liebsten mit denen teilen, die uns am Herzen liegen: Hat die junge Studentin eine Prüfung mit Bravour bestanden, kann sie es kaum abwarten, ihre Eltern anzurufen und stolz davon zu berichten, um diese Freude mit ihren geliebten und vertrauten Menschen zu teilen. Wir vertrauen sogar Menschen, die wir gar nicht kennen, z.?B. indem wir Bewertungen lesen, wenn wir uns für den Kauf eines Produktes entscheiden. Wir vertrauen dann auf die Urteilskraft anderer Menschen.
»Wenn wir Gefahr wittern, fahren unsere Verteidigungsmechanismen hoch. Wenn wir uns sicher fühlen unter den Menschen, mit denen wir zusammenleben und arbeiten, sind wir entspannter, sind offener für ein vertrauensvolles Miteinander und daraus resultierend auch gewillt, miteinander zu kooperieren.«
Simon Sinek (2017)
Vertrauen kann man nicht verordnen, es muss wachsen und braucht eine kontinuierliche Beziehungspflege. Dies ist eine natürliche, biologische und anthropologische Tatsache. Es wäre so einfach, wenn Unternehmen dies anerkennen, verstehen und wertschöpfend nutzen würden – für alle.
Beachte
Müssen wir Entscheidungen treffen, ziehen wir gern Menschen hinzu, denen wir vertrauen und die wir für kompetent halten.
Warum ist soziale Bindung für uns so wichtig?
Da wir seit Anbeginn der Menschheit schon immer in Gruppen unterwegs waren, sind wir sozusagen »Rudeltiere«, die aufeinander angewiesen sind. Alleine wären wir gar nicht überlebensfähig. Dass wir es als Menschheit geschafft haben, uns auf diesem Planeten so erfolgreich auszubreiten, ist im Wesentlichen unserer sozialen Natur, unserer angeborenen Kooperationsfähigkeit und unserer Ausrichtung auf die Gemeinschaft zurückzuführen. Mit anderen Menschen gehen wir tiefe Verbindungen ein. Diese bieten uns Vertrauen, Schutz und Unterstützung – Bindungen, die auch noch weit über unsere Kindheit hinaus bestehen.
Wir brauchen die anderen, um unser eigenes Überleben sicherzustellen. In unserer vertrauten Gemeinschaft fühlen wir uns wohl und sicher. Wir finden Trost, Unterstützung, Schutz und Anerkennung. Das starke Bedürfnis nach Verbundenheit und Bindung ist tief in uns verankert, so gern wir uns auch andererseits als unabhängig und frei erleben möchten, insbesondere in der heutigen Zeit. Wir sind auf unsere Netzwerke angewiesen und sind viel stärker miteinander verbunden, als wir dies oft selbst wahrhaben wollen. Wir richten uns in vielen Situationen nach anderen Menschen, ohne dass uns dies bewusst wird. Auch hat unser Umfeld, ob auf der Arbeit oder privat, einen großen Einfluss auf unsere Persönlichkeit und unsere Entwicklung, auf unsere Einstellungen und Werte. Ebenso haben wir Einfluss auf andere Menschen, ob wir das wollen oder nicht. Gerade in der Führungsarbeit stehen Menschen im Fokus und Mitarbeitende orientieren sich an ihren Vorgesetzten.
Zugehörigkeit in der Social-Media-Welt
Das starke Bedürfnis nach Zugehörigkeit zeigt sich auch in dem sehr großen Erfolg und der Beliebtheit der Social-Media-Welt. Man möchte auf Facebook gesehen werden, freut sich über viele Likes, besonders von jenen Menschen, von denen wir wahrgenommen werden wollen und die unsere Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sichern. Wie schön, wenn unsere Lieben uns sehen, und wie unerfreulich, wenn sie uns den Zuspruch und die Aufmerksamkeit versagen. Dazu aber noch mehr in Kapitel 2 »Das Grundbedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz«.
Heute fühlen wir uns nicht unbedingt nur unserer Ursprungsfamilie zugehörig, sondern ordnen uns selbst auch anderen Gruppen zu, denen wir uns verbunden fühlen: Rocker, Sportfans, Musiker, eine religiöse Gemeinschaft, Umweltaktivisten, politische Gruppen, Tierschützer oder einfach nur unser Freundeskreis oder unsere Wahlfamilie. Dieses Zugehörigkeitsgefühl wird durch die Social-Media-Welt zusätzlich befeuert. Oft bemerken wir nicht, dass wir in einer »Wahrnehmungsblase« agieren und uns nur noch mit den Mitgliedern der eigenen Gruppe austauschen, die sowieso die gleiche Meinung pflegen. Hier liegt eine große Gefahr für Polarisierung und Radikalisierung. Man schaukelt sich gegenseitig hoch und blendet alles aus, was das eigene Weltbild in Frage stellt. Zu schön ist der Oxytocin-Rausch, den das Gefühl von Verbundenheit auslöst, als dass man sich dann noch die Mühe machen würde, die Sichtweisen und Meinungen von Menschen außerhalb der eigenen Blase zuzulassen.
Beachte
Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bildet einen wesentlichen Bestandteil unserer Identität.
Um dazuzugehören, machen wir fast alles und sind verletzt, wenn uns diese Zugehörigkeit versagt wird. So manch einer hat als Jugendlicher mit viel Widerwillen das Rauchen angefangen, weil er auch einer von den coolen Leuten sein wollte. Auch gefährliche oder riskante Aufnahmerituale nehmen Menschen in Kauf, um von der Gruppe, zu der man gehören möchte, akzeptiert und als »einer von ihnen« angenommen zu werden. Wie demütigend...




