E-Book, Deutsch, Band 2, 512 Seiten
Reihe: Dämonenakademie-Serie
Matharu Die Dämonenakademie - Die Inquisition
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-11421-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 512 Seiten
Reihe: Dämonenakademie-Serie
ISBN: 978-3-641-11421-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Taran Matharu wurde 1990 in London geboren und entdeckte schon früh seine Leidenschaft für Geschichten. Nach seinem BWL-Studium und einem Praktikum bei Random House UK schrieb er 2013 seinen ersten Roman Die Dämonenakademie, der auf der Leserplattform Wattpatt innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling avancierte. Seither widmet sich Taran Matharu ganz dem Schreiben. Der Autor lebt und arbeitet in London.
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1
Fletcher öffnete die Augen, sah aber nur Dunkelheit um sich herum. Er stöhnte und schob Ignatius, der ihm die Klauen aufs Kinn gelegt hatte, ein Stück zur Seite. Der Dämon stieß ein leises Winseln aus und krabbelte verschlafen auf den kalten Steinboden hinunter.
»Guten Morgen, oder wie spät es auch immer gerade sein mag«, murmelte Fletcher und zauberte ein Wyrrlicht herbei. Wie eine kleine Sonne schwebte es in der Luft und drehte sich dabei langsam um die eigene Achse.
Der Raum wurde in ein kaltes, blaues Licht getaucht. Es war eine fensterlose Zelle mit einem Boden aus glatten Pflastersteinen. In der Ecke befand sich die Latrine – ein nacktes Loch, das lediglich von einer Schieferplatte verdeckt war. Fletcher starrte die schwere Eisentür in der gegenüberliegenden Wand an, da öffnete sich etwas … wie auf ein Zeichen hin.
Es war die kleine Klappe am unteren Rand der Tür. Eine von einem Kettenhandschuh geschützte Hand tastete durch die Öffnung, bis sie den leeren Eimer neben dem Türrahmen zu fassen bekam, und zog sich wieder zurück. Fletcher hörte ein Plätschern, dann wurde der Eimer mit Wasser gefüllt wieder hereingeschoben. Er wartete noch eine Weile und brummte nun enttäuscht, da nichts weiter geschah.
»Wieder nichts, Kleiner«, sagte er und kraulte den niedergeschlagenen Ignatius am Hals.
Das war keineswegs ungewöhnlich. Manchmal waren die Wärter einfach zu faul, ihm etwas zu essen zu bringen. Fletcher ignorierte seinen knurrenden Magen, nahm den scharfkantigen Stein neben seiner Pritsche zur Hand und ritzte einen weiteren Strich in die Wand. Ohne Licht von draußen war es schwer, die Zeit abzuschätzen, aber er ging davon aus, dass sie ihm einmal am Tag Essen und Wasser brachten. Oder manchmal, wie heute, auch nur Wasser. Er musste die Striche an der Wand nicht erst zählen, um zu wissen, wie lange er schon hier war. Die Zahl hatte er genau im Kopf.
»Ein Jahr«, seufzte er und ließ sich zurück ins Stroh sinken. »Einen schönen Jahrestag wünsche ich!«
Er streckte sich aus und dachte über den Grund für seine Gefangenschaft nach. Alles hatte in jener Nacht angefangen, als sich Didric, der Peiniger seiner Kindheit, mit den Plänen seines Vaters gebrüstet hatte, das ganze Dorf Pelz in ein Gefängnis zu verwandeln. Danach hatte Didric versucht, ihn zu ermorden.
Wie aus dem Nichts war da Ignatius aufgetaucht und hatte Didric verbrannt, sodass Fletcher fliehen konnte. Der kleine Dämon hatte sein Leben riskiert, um ihn zu retten, und das, obwohl sie sich erst so kurz kannten. Die Zeit danach verbrachte Fletcher auf der Flucht, denn er wusste: Didrics Familie würde nichts unversucht lassen, um ihm einen Mordversuch an Didric in die Schuhe zu schieben. Fletchers einziger Trost war, dass er niemals an die Dämonenakademie gekommen wäre, wenn die Dinge damals einen anderen Verlauf genommen hätten.
War es wirklich schon zwei Jahre her, dass er Ignatius kennengelernt hatte und selbst in die altehrwürdige Akademie eingetreten war? Er hatte die letzte Zeit dort noch ganz deutlich vor Augen. Othello, sein bester Freund, hatte sich den Respekt der Generäle verdient und die anderen Zwerge davon abgehalten, sich gegen das Reich von Hominum zu erheben. Sylva hatte den Frieden zwischen Menschen und Elfen gesichert und außerdem bewiesen, dass sie und ihr Volk mächtige Verbündete waren. Selbst Seraph, der erste Bürgerliche, der seit eintausend Jahren in den Adelsstand erhoben worden war, hatte die Blaublütigen beim Turnier mit seiner Leistung überzeugen können. Vielleicht das Beste von allem war allerdings gewesen, dass die Forsys mit ihrem Plan gänzlich gescheitert waren. Sie hatten nämlich einen neuen Krieg gegen die Elfen und Zwerge provozieren wollen, um sich mit Waffenlieferungen eine goldene Nase zu verdienen.
Alles war wunderbar gewesen, doch dann war Fletcher von seiner Vergangenheit eingeholt worden.
Ignatius spürte Fletchers Verzweiflung und stupste ihn blinzelnd an. Fletcher schlug halbherzig nach ihm, doch da duckte sich der Dämon weg – und hatte ihn dabei in die Fingerkuppe gebissen.
»Schon gut, schon gut«, sagte Fletcher grinsend zu dem ausgelassenen Salamander. Wenigstens lenkte der Schmerz ihn von seinen düsteren Gedanken ab. »Dann üben wir eben wieder. Welcher Zauber darf’s denn sein?«
Er griff unter das Stroh, das ihm als Matratze diente, und zog die beiden Bücher hervor, die ihn während des vergangenen Jahres überhaupt noch bei Verstand gehalten hatten. Er hatte keine Ahnung, wer sie dort versteckt haben mochte, und wusste nur, dass derjenige ein erhebliches Risiko eingegangen war. Fletcher war seinem geheimnisvollen Wohltäter unendlich dankbar, denn ohne die Bücher wäre er vor Langeweile durchgedreht. In der Enge der Zelle gab es nicht allzu viele Möglichkeiten, sich mit Ignatius die Zeit zu vertreiben.
Das erste Buch behandelte die grundlegenden Zaubersprüche. Es war das gleiche, das Arcturus auch in seinem Unterricht benutzte. Es enthielt nur ein paar Hundert Symbole sowie die Techniken, wie sie in die Luft zu ätzen waren, und war entsprechend dünn. Fletcher hatte dies alles gerade gut genug beherrscht, um die Abschlussprüfung zu bestehen. Damals hatte er sich lieber auf die vier wichtigsten Kampfzauber konzentriert, aber mittlerweile kannte er jedes einzelne Symbol auswendig und war imstande, sie wie im Schlaf anzuwenden.
Der zweite Band war so dick, dass sein Wohltäter den Ledereinband entfernt hatte, damit er unter dem Stroh nicht auffiel. Es handelte sich um James Bakers Tagebuch, das ganz am Anfang von Fletchers Weg zu einem ausgebildeten Schlachtmagier gestanden hatte. Auf den Seiten hatte er Dutzende neuer Zaubersprüche entdeckt, die der Verfasser gewissenhaft von den Wänden der Orkruinen abgeschrieben hatte. Außerdem hatte Baker zahllose Orkdämonen studiert, ihre Stärken und Fähigkeiten festgehalten sowie Statistiken aufgestellt. Mittlerweile war Fletcher selbst ein Experte in Orkdämonologie. Am faszinierendsten fand er Bakers Aufzeichnungen über die Kultur, die Waffen und die Kampftaktiken der Orks. Das Tagebuch war ein wahrer Informationsschatz, den er binnen weniger Tage verschlang, nur um gleich wieder von vorne anzufangen – für den Fall, dass ihm ein Detail entgangen war.
Die beiden Bücher waren das Einzige, das ihn von der drückenden Stille des Kerkers abzulenken vermochte. In jeder Nacht träumte er von seinen Freunden und fragte sich immer wieder, wo sie sein mochten. Kämpften sie an der Front, während er hier in einem Erdloch verrottete? Waren manche von ihnen bereits tot, aufgespießt von einem Orkspeer oder einem Forsys-Dolch?
Am meisten machte ihm jedoch zu schaffen, dass sein Adoptivvater Berdon ganz in der Nähe lebte, nämlich in dem Dorf, das sich über ihm befand. Fletcher erinnerte sich noch gut, wie ihn die Gefängniskutsche damals mitten in der Nacht in Pelz ausgespuckt hatte. Er hatte sich schon so darauf gefreut, einen Blick auf die Heimat seiner Kindheit zu erhaschen, doch dann hatten ihm die Wärter einen Sack über den Kopf gestülpt und ihn in seine Zelle geschleppt, kaum dass die Kutsche angehalten hatte.
Er versank wieder in missmutiges Schweigen, da stieß Ignatius ein Knurren aus, begleitet von einer Flamme, die das Stroh unter Fletchers Hintern versengte.
»He, wir sind aber ungeduldig heute!«, rief er und ließ Mana in einen seiner tätowierten Finger fließen. »Na schön, du willst es ja nicht anders. Mal sehen, wie dir dieser Telekinesezauber bekommt.«
Er kanalisierte einen dünnen Manastrom durch seinen Finger und ließ eine violett leuchtende Spirale entstehen, die vor ihm in der Luft schwebte. Ignatius zog sich ein Stück zurück, da machte Fletcher eine schnelle Handbewegung in Richtung des Dämons und fing ihn mit einem Energielasso, das sich um den Bauch wickelte.
Ignatius wurde in die Luft gewirbelt, da streckte er blitzschnell die Klauen aus und krallte sich an der Decke fest. Staub rieselte auf Fletcher herab, und noch bevor er reagieren konnte, sprang Ignatius los. Wie eine Katze drehte er sich in der Luft und flog mit seinem Schwanzdorn voraus – genau auf Fletchers Kopf zu.
Fletcher konnte sich gerade noch mit einer Seitwärtsrolle in Sicherheit bringen. Als er wieder auf die Füße sprang, war es stockfinster in der Zelle – Ignatius hatte das Wyrrlicht mit einem gezielten Klauenschlag gelöscht.
»Du möchtest also im Dunkeln spielen, wie?« Fletcher lud seinen tätowierten Zeigefinger auf. Diesmal ätzte er eines der unbekannteren Symbole, das er in Bakers Tagebuch entdeckt hatte. Es hieß Katzenauge und sah auch genau so aus: ein leuchtender Kreis mit einer schmalen Ellipse darin. Durch einiges Ausprobieren hatte er herausgefunden, dass der Zauber nur dann wirkte, wenn das gelbe Leuchten direkt auf seine Augen fiel.
Andererseits verriet das Licht seine Position, also rollte er sich ein weiteres Mal zur Seite und wartete, bis er spürte, wie sich seine Pupillen zu schmalen, katzenartigen Schlitzen umbildeten. Fletchers Nachtsicht wurde schlagartig besser. Er sah Ignatius, der wie ein Löwe auf Gazellenjagd auf die Stelle zupirschte, an der er selbst eben noch gestanden hatte. Normalerweise sah der Salamander im Dunkeln weit besser als er selbst, doch die undurchdringliche Schwärze der...