E-Book, Deutsch, Band 4, 259 Seiten
Reihe: Ein Fall für Laura Di Palma
Matera Die Anwältin - Schatten der Schuld: Ein Fall für Laura Di Palma 4
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-914-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 4, 259 Seiten
Reihe: Ein Fall für Laura Di Palma
ISBN: 978-3-96655-914-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lia Matera ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die für ihre Krimireihen um die toughen Anwältinnen Laura Di Palma und Willa Jansson u. a. für den »Edgar Allan Poe«-Award nominiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Als Absolventin der juristischen Fakultät von San Francisco flossen viele ihrer Erfahrungen aus der Welt der Anwälte und Justizskandale in ihre Kriminalromane ein. Bei dotbooks veröffentlichte Lia Matera ihre Reihe um Laura Di Palma mit den Kriminalromanen: »Die Anwältin: Glanz der Lüge - Der erste Fall« »Die Anwältin: Zeichen des Verrats - Der zweite Fall« »Die Anwältin: Flüstern der Rache - Der dritte Fall« »Die Anwältin: Schatten der Schuld - Der vierte Fall« »Die Anwältin: Echo der Strafe - Der fünfte Fall« Die ersten drei Fälle sind auch im Sammelband erhältlich. Sowie ihre Reihe um Willa Jansson mit den Kriminalromanen: »Tödliches Urteil - Der erste Fall« »Kalte Strafe - Der zweite Fall« »Perfektes Verbrechen - Der dritte Fall« »Strafendes Schweigen - Der vierte Fall« »Zornige Anklage - Der fünfte Fall« »Geheime Zeugen - Der sechste Fall« »Stiller Verrat - Der siebte Fall« Die ersten drei Fälle sind auch im Sammelband erhältlich.
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Kapitel 1
Ich sah Steve Sayres hereinspazieren. Vielleicht fühlte er sich als Seniorpartner der Firma, für die ich gearbeitet hatte, verpflichtet, mir zur Eröffnung meiner eigenen Kanzlei Erfolg zu wünschen – oder zumindest so zu tun als ob. Möglicherweise war es ihm sogar ein echtes Anliegen; immerhin hatte er erreicht, was er wollte. Es war ihm gelungen, meinen Mentor Doron White so gegen mich aufzubringen, daß er mich schließlich vor die Tür setzte, kurz bevor der Partnerschaftsvertrag mit mir unterzeichnet werden sollte.
Sayres schaute sich um und schmunzelte flüchtig. Meine Kanzlei machte offenbar keinen großen Eindruck auf ihn; sie lag in einer nur zur Hälfte vermieteten Etage eines kürzlich renovierten Hauses. Ich teilte mir ein Wartezimmer und zwei Sekretärinnen mit einer Anwaltssozietät aus fünf Partnern, allesamt engagierte Linke, die sich in der Hauptsache für arme Schlucker einsetzten und finanziell damit gerade über die Runden kamen.
Mein Büro lag auf der anderen Seite des Korridors, es war groß aber häßlich, und mit billigem Teppichboden und geleastem Mobiliar aus Furnierholz ausgestattet. Das Fenster bot einen Ausblick auf den zähfließenden Verkehr zwischen Market Street und Autobahn. Die Kanzlei von White, Sayres & Speck lag etliche Straßenecken weit entfernt im vornehmen Finanzbezirk.
Auf dem Konferenztisch und Schreibtisch standen Tabletts mit Käseschnittchen, kaltem Braten und Rohkostsalaten, die ich selbst zubereitet hatte. Die Anwälte von nebenan süffelten Wein, zeigten sich gutgelaunt und schienen erfreut darüber zu sein, mich als Nachbarin zu haben.
Was sie für mich einnahm, war bestimmt mein letzter Fall. Ich hatte Dan Crosetti verteidigt, einen notorischen Radikalinski, der wegen Mordes an seinem bestem Freund vor Gericht stand. Während der Verhandlung stellte sich heraus, daß dieser Freund ein verdeckter Ermittler vom FBI gewesen war. Über diesen Fall hatte ich meinen Job verloren.
Sayres war zu Doron White, dem Gründer der Sozietät und meinem einstigen Verbündeten, gegangen und hatte sich über mein Engagement beschwert: Crosetti sei ein anrüchiger Aktivist und seine Verteidigung geschäftsschädigend, weil sie für negative Schlagzeilen sorgen und unsere Mandanten aus der Wirtschaftselite vergrätzen würde.
White war ganz seiner Meinung gewesen.
Dabei hatte ich der Firma viel Geld eingebracht und sie bekannt gemacht. Aber weil ich in dieser einen Sache nicht klein beigeben wollte, mußte ich meinen Schreibtisch räumen. Man hatte mich gezwungen zu wählen zwischen dem, was wichtig ist, und dem, was gut aussieht. Ich entschied mich gegen Steve Sayres.
Sayres durchquerte mein tristes Büro. Arrogant wie eh und je. Er war groß gewachsen, teuer gekleidet, voller Energie, obwohl er körperlich ausgemergelt schien; das Gesicht war leicht gebräunt, und die Falten an den Augen und auf der Stirn verrieten, daß er normalerweise schlecht gelaunt war und unter Streß stand. Das graumelierte Haar zeigte Kammspuren; es schien, als käme er direkt aus der Sauna. Wie immer trug er einen maßgeschneiderten, dunkelblauen Anzug und eine bunt gemusterte Krawatte.
»Hallo, Laura.« Er blieb auf Abstand, was nicht gerade höflich, mir aber doch sehr genehm war.
»Steve«, grüßte ich, nicht unfreundlich.
»Sie haben sich also selbständig gemacht. Um ganz ehrlich zu sein …«, er warf einen Blick auf meine relativ schlecht gekleideten Büronachbarn, die sich über die Käsehäppchen und den Kalten Braten hermachten, »… wenn Sie versucht hätten, bei einer der großen Firmen hier anzukommen, wär’s für mich kaum möglich gewesen, Ihnen eine Empfehlung auszustellen.«
Ich spürte, wie sich ein kühles Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte. »Eine Empfehlung von Ihnen wäre auch reichlich überflüssig gewesen, Steve. Jeder kennt mich hier.«
»Das stimmt.« Er schob eine Hand in die Tasche seines Jacketts. »Und jeder kennt auch die Umstände von Dorons Tod.«
Doron White hatte infolge einer verschleppten Angina unter schweren Herzproblemen gelitten. Während eines nächtlichen Treffens mit einem Freund von Crosetti in meinem damaligen Büro war es schließlich zu jener Herzattacke gekommen, von der er sich nicht mehr erholen sollte.
Eine Gruppe elegant gekleideter Personen trat in den Raum – Mandanten von Sayres, Leute mit denen auch ich früher zu tun hatte, Banker und dergleichen. Darunter auch eine Frau, die als Syndikus für Graystone Federal arbeitete; sie winkte mir zu und strich dann mit der Hand über ihre Lauren-Bacall-Frisur. Die anderen sahen sich um und machten aus ihrer Verwunderung kein Hehl. Hier hingen keine teuren Gemälde an den Wänden, gab es keine baumhohen Arrangements aus exotischen Blumen.
Ich musterte Steve. Sein Hals und die schlaffe Haut am Kiefer verfärbten sich plötzlich rot aus Verlegenheit oder Wut. So war es auch Doron ergangen; ein jäher Wutanfall hatte ihn dahingerafft.
Die vornehmen Mandanten waren inzwischen herbeigekommen, gaben mir die Hand, wünschten viel Glück und schenkten Steve ein freundliches Lächeln, um anzudeuten, daß sie seinen Besuch bei mir hochanständig fanden. Natürlich wußte er, daß sie hier erscheinen würden, und darum hatte auch er kommen müssen. Falls ich es zuließe, würde er sich als ein Daddy aufspielen, der bei seinem Töchterchen nach dem rechten sieht. Er würde versuchen, mich klein zu machen, weil er es nicht geschafft hatte, mich zu sabotieren.
»Steve wollte mir gerade einreden, daß ich für Dorons Tod verantwortlich bin«, sagte ich. »Ich stand Doron sehr nahe und finde Steves Anschuldigung dermaßen daneben, daß ich ihn jetzt bitten muß zu gehen.«
Sein Gesicht wurde schlagartig bleich. Die Gespräche hinter mir verstummten. Zwei seiner Mandanten traten ein paar Schritte zurück, als fürchteten sie, daß auch sie meine Aufrichtigkeit zu spüren bekommen könnten.
»Ich arbeite nicht mehr für Sie, Steve, und hab’s deshalb auch nicht nötig, auf Ihre Spielchen einzugehen. Wenn Sie mich beleidigen wollen, nur zu – und bitte laut genug, daß es auch alle hören. Aber markieren Sie hier nicht meinen Gönner, nur, weil’s Ihnen nicht gelungen ist, mich aus dem Rennen zu werfen.«
Er blickte auf seine Mandanten, die ehemals meine Mandanten waren. Dabei kniff er die Brauen zusammen und mimte auf mitleidsvoll und zerknirscht. Vor Gericht setzte er diese Maske auf, sooft er Gelegenheit dazu hatte. Seine Mandanten kannten diesen Ausdruck, ließen sich aber dennoch beeindrucken. Und so stand ihr Urteil fest: Nicht er, sondern ich war ungehörig.
Genau aus diesem Grund hatte ich hier im wenig schicken Bezirk südlich der Market Street meine eigene Kanzlei eröffnet, der Fall von Dan Crosetti war der Anlaß dafür gewesen. Im stillen dankte ich ihm dafür und sagte: »Ich bitte Sie zu gehen. Schleimen Sie sich bei Ihren Mandanten woanders ein.«
»Tja dann …«, seufzte einer der Banker. »Ich muß jetzt auch los und würde dich gern ein paar Schritte begleiten, Steve.«
Steve zeigte immer noch ein onkelhaftes Bedauern. »Darf ich dich zum Essen einladen, Bill? Margaret, Harry, vielleicht wollt ihr auch mit?«
Ich schüttelte Harrys Hand und anschließend die von Margaret. »Vielen Dank für Ihr Kommen«, sagte ich. »Es war schön, Sie wiederzusehen.«
Margaret gaffte mich an und ließ den Mund offenstehen. Bill legte Steve die Hand auf die Schulter und meinte: »Laß uns mal das neue Lokal unten an der Ecke ausprobieren. Vielleicht ist da auch ohne Reservierung noch Platz für vier Leute.«
Nur Margaret zögerte noch. Sie zerknautschte das knochige Gesicht und war sichtlich verstört. Aber dann stimmte sie ein in den Abschiedschor aus wiederholten Glückwünschen.
Ich sah zwei wichtige Banker und einen Immobilienmakler nach draußen gehen. Kein Zweifel, ihr Getratsche würde die Runde machen: Laura Di Palma ist hysterisch und womöglich linksradikal. War fast zehn Monate verschwunden, keiner weiß, wohin; hat wahrscheinlich ihre Midlife-Krise, kann bei den großen Firmen nicht mehr landen und versucht’s jetzt auf eigene Faust, ganz bescheiden.
Ich wandte mich meinen Büronachbarn zu. Mit der Kanzlei, die ich hier aufzubauen versuchte, würde ich der von Steve Sayres gewiß nicht ins Gehege kommen. Und das war mir recht so.
»Es sieht aus, als könnten Sie ein Glas Wein vertragen. Rot oder weiß?« Dennis Hyerdahl, ein alter 68er und bekannt für seine überdrehten Verschwörungstheorien, reichte mir einen Plastikbecher.
»Weiß.«
Hyerdahl schenkte mir ein. War nun sein Schlips zu kurz, oder der Bauch zu dick? Die Hosenbeine waren jedenfalls eindeutig zu lang.
Seine Partnerin, eine kleine Blonde in einem verfusselten schwarzen Hosenanzug, grinste übers ganze Gesicht. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. War schon richtig gespannt darauf«, zwitscherte Pat Frankel in einem Tonfall, der nach Ausbildung an einem Elite-College klang. Die braungebrannte Gesichtshaut wirkte spröde und frühzeitig gealtert, als hätte sie zuviel Sonne und Wind abbekommen. Sie sah aus wie ein verwöhntes Töchterchen, das sich von ihrem großbürgerlichen Zuhause abgesetzt hatte. »Wir haben schon gehört, daß Sie ziemlich, ehm, scharf sein können.«
Ich hatte einmal einen Mann verteidigt, dem zwei Attentate zur Last gelegt worden waren, verübt an zwei US-Senatoren. Ein spektakulärer Fall für die Medien. Ich konnte für meinen Mandanten einen Freispruch erwirken und handelte mir im Verlauf der Verhandlung den Ruf ein, besonders aggressiv zu sein. Offenbar spielte Frankel auf diese angebliche Eigenschaft von mir an.
Ich nahm einen Schluck Wein und sagte: »Nur beruflich. Wenn’s angemessen ist.«
»Scharf, das...