E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Martini Tante Martha ermittelt auf Sylt: Langfinger am Leuchtturm
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3307-6
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sylt-Krimi | Wellenrauschen, Sandstrand und jede Menge geklaute Kunstwerke - Cosy Crime auf Sylt
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
ISBN: 978-3-8437-3307-6
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christiane Martini ist Musikerin, Komponistin und Autorin. Sie liebt es, an ihrem Schreibtisch mit Blick in den Garten zu sitzen und an ihren vielfältigen Projekten zu arbeiten. Dazu gehören musikalische Lehrwerke, amüsante Cosy Crimes, Historische Romane, Familienromane, Katzenromane, Philosophische Romane, Kurzgeschichten, Drehbücher und ein Schreibkurs. Sie veröffentlichte bei Piper, Gmeiner und dotbooks. Mit ihrer Tochter gründete sie 2021 die Plattform Writers Concept, mit der sie angehende Autor*innen unterstützen möchte. Sie erhielt Auszeichnungen als Lehrerin, ein Stipendium für ein Lehrwerk und einen kulturellen Förderpreis ihrer Heimatstadt. Mit ihrer Familie und Beagle Buddy lebt sie in der Nähe von Frankfurt.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Ole Johannsen schaute versonnen aus dem Giebelfenster seines Hauses in den sternklaren Nachthimmel und lauschte einer Aufnahme des Schleswig-Holstein Musikfestival Orchesters. Sie spielten das Klarinettenkonzert von Mozart mit ihm als Solisten. Die Einspielung lag einige Jahre zurück, doch er spürte noch genau die Atmosphäre von damals, als während des Konzertes ein Gewitter über die reetgedeckte Scheune in Hasselburg zog. Das Konzert war ihm als einzigartiges Erlebnis in Erinnerung geblieben, auch deshalb, weil er seitdem nicht mehr mit einem Orchester aufgetreten war.
Ole holte tief Luft, gleich kam sein Einsatz, er führte sein Instrument an die Lippen, doch da durchschnitt das Klingeln seines Handys die wunderbare Musik.
»Kann das denn sein! Hat man denn nie seine Ruhe.«
Das Handy ließ sich nicht beirren und klingelte penetrant mit einer Melodie aus »Star Wars« weiter. Ole liebte die Filmmusiken von John Williams, aber das ging jetzt gar nicht. Das war bestimmt einer seiner Kollegen, der dringend seine Hilfe benötigte, ansonsten würde niemand so spät anrufen. Ole atmete tief aus und versuchte, seiner Anspannung Luft zu machen. Er legte die Klarinette behutsam aufs Bett und öffnete das Giebelfenster, währenddessen hantierte er hektisch an seinem Handy herum, er musste der Kakophonie aus jubelnden Blechbläsern und zarten Mozartklängen ein Ende bereiten. Etwas zu schwungvoll drückte er auf die rote Taste, das Handy glitt ihm aus der Hand, fiel zu Boden und rutschte auf den Dielen entlang unter das Sofa.
»So ein elender Mist.«
»Reg dich nicht auf, mein Junge«, hörte er Tante Martha sagen, »Musiker zu sein, ist alles andere als leicht, du musst immer auf Höchstleistung funktionieren, musst immer üben und hast nie frei …«
»Ja, ja«, sagte Ole vor sich hin. »Du hast ja recht, Tante Martha, aber Polizist zu sein, ist einfach öde und blöde
und …«
Oles Traum war es gewesen, Berufsmusiker zu werden. Er hatte drei Semester Klarinette studiert und großes Talent für das Instrument. Eine Stiftung hatte ihn gefördert und ihm mehrere Stipendien verliehen. Trotz aller Begeisterung und Hingabe hatte er jedoch früh gemerkt, dass es aussichtslos war, eine Karriere als Soloklarinettist anzustreben. Er hätte ins Orchester gehen können, aber es hatte für ihn nicht gepasst, in einem Klangkörper zu sitzen, er wollte als Solist davorstehen und sich begleiten lassen. Orchestermusiker zu sein, das war etwas ganz anderes, man musste die Stücke üben, die einem vorgegeben wurden, der Dirigent hatte das Sagen, und die eigenen musikalischen Ideen spielten dabei keine Rolle. Er aber war voller Ideen und hatte es immer geliebt, musikalisch frei zu sein. Ole war sehr empfindsam und nicht der Mensch, der sich in ein Korsett stecken ließ und jeden Tag und jeden Abend bei Proben und Konzerten funktionierte. Ole hatte es ein
paarmal versucht, aber allein die Lautstärke im Orchester und die Sticheleien der Orchesterkollegen untereinander hatten ihn ganz verrückt gemacht. Schüler zu unterrichten, das war für ihn auch keine Option gewesen, dafür war er zu ungeduldig.
Schweren Herzens hatte er sein Musikstudium aufgegeben. Letzten Endes war diese Entscheidung aber eine Trotzreaktion gewesen, denn seine Eltern hatten ihm ständig in den Ohren gelegen, dass er doch etwas Anständiges studieren solle, sein Musikstudium sei doch nur Spielerei und brotlose Kunst. Ole hatte dann einen für ihn völlig abwegigen Weg eingeschlagen, er war Polizist geworden, so wie sein Onkel. Ole hatte seine Eltern in dem Glauben gelassen, Onkel Berti hätte ihm dazu geraten, denn es sei ein abwechslungsreicher Job und er könne ins Polizeiorchester eintreten. Sie hatten keine Ahnung, dass er von ihnen und ihren Bemerkungen tief enttäuscht und verletzt war und von dem Polizeiorchester nichts wissen wollte und natürlich nicht eintreten würde.
Seine Entscheidung lag schon länger zurück, aber seinen Frieden hatte er mit seinem Berufswechsel bis heute nicht gemacht.
Ole hatte zunächst in Bargteheide, einer Hamburger Vorstadt, gearbeitet, aber dann war Oma Hanna verstorben und vererbte ihm ihr wunderschönes reetgedecktes Haus, mit dem prächtigen Hortensiengarten. Er hatte viele schöne Erinnerungen an Sylt, denn sie hatten Oma Hanna, als er noch ein Kind war, häufig besucht, fast jede Ferien hatte er bei ihr in Keitum verbracht. Ole mochte das Wattenmeer und die Sonnenaufgänge ganz besonders, die mit ihren morgendlichen Strahlen die Insel aus ihrem friedlichen Schlaf weckten und neu verzauberten. Als dann vor ein paar Monaten auf Sylt die Stelle frei wurde, hatte er sich sofort beworben und dorthin versetzen lassen.
Ole ging in die Hocke und versuchte zu orten, wo das Handy hingerutscht war. Vergebens. Er kniete sich auf den Boden und schaute unter das Sofa. Da er sehr groß und eher ungelenkig war, denn er kam nicht sehr häufig zum Joggen, und eine andere Sportart kam für ihn nicht infrage, fiel es ihm alles andere als leicht, auf den Knien herumzurutschen. Trotz aller Bemühungen konnte er es nicht sehen, aber er hörte es. Wo war das verflixte Ding? Ole sah keine andere Möglichkeit, als sich auf den Bauch zu legen. Er machte sich mit unwirschem Gestöhne lang und horchte.
.
Stöhnend robbte er auf dem Bauch vorwärts, streckte seinen Arm, so weit es ging, nach vorne und bekam es zu fassen, im gleichen Moment verstummte das Klingeln, und ein Krampf in seiner Schulter ließ ihn schmerzerfüllt zusammenzucken. Ruckartig zog er den Arm an den Körper und rollte sich zusammen. Genauso musste sich ein eingeklemmter Rollmops fühlen. Ole verharrte und traute sich kaum zu atmen, dann lockerte er allmählich seine Schulter und ließ sie behutsam kreisen. Er hatte Glück, die Verkrampfung löste sich. Vorsichtig gelangte er wieder auf die Knie, erhob sich schnaufend und ließ sich gleich darauf in einen Sessel fallen. Was war das heute für ein Tag? Mitgenommen schaute er nach, wer angerufen hatte. Die Nummer kannte er nicht. Eine unbekannte Person zurückzurufen, danach war ihm jetzt ganz und gar nicht. Wenn jemand etwas Wichtiges von ihm wollte, würde der es eben später noch einmal versuchen.
Ole rutschte in seinem Sessel ein Stück nach unten, machte die Beine lang, überkreuzte sie und schloss die Augen.
Oles Aufgabenbereich war alles andere als spannend, bisher hatte er sich um kleinere Verkehrsdelikte gekümmert, Falschparker und Tempoüberschreitungen gab es nahezu täglich zu vermelden. Das lag vor allem an den Urlaubern, da sie die Blitzkästen nicht kannten, denn die hatte er mit seinem Kollegen Friedrichsen geschickt aufgestellt.
Gestern musste er mit beruhigenden Worten einen Streit zwischen zwei alten Herren schlichten, beide hatten den alleinigen Anspruch auf eine Bank mit Blick auf das Meer gefordert. Nach einer lautstarken Diskussion war klar, beide warben um eine Dame, die sich dort zur Mittagszeit hinsetzte. Dieser Streit hatte bereits im Seniorenstift für Ärger gesorgt. Als dann allerdings die Dame kam, schenkte sie beiden Herren ein verschmitztes Lächeln und bot jedem von ihnen einen Platz an ihrer Seite an. Die beiden warfen Ole einen verlegenen Blick zu und setzten sich lächelnd neben sie.
Wenn alles immer so einfach zu klären wäre, war es Ole in diesem Moment durch den Kopf gegangen.
In letzter Zeit gab es nämlich eine Reihe von Ungereimtheiten in Keitum, die ihm reichlich Kopfzerbrechen bereiteten. Einige Kunstgegenstände waren aus privaten Häusern verschwunden.
Oles Handy klingelte erneut, sein Blick erhellte sich, es war seine Tante. Tante Martha war Mittsiebzigerin, fit wie eine Mittfünfzigerin und für ihn seine wichtigste Bezugsperson, denn sie liebte wie er klassische Musik. Im Gegensatz zu ihm hatte sie aber ihren Traum gelebt, sie war Opernsängerin gewesen und hatte auf all den großen Bühnen gestanden, von denen er im Stillen träumte. Sie erzählte ihm häufig amüsante Geschichten aus ihrem Sängerinnenleben, und sie lachten gemeinsam über viele kleine Katastrophen, die ihr widerfahren waren. Wenn Ole mal nicht so gut drauf war, so wie heute, merkte Tante Martha das sofort, sie hatte feine Antennen.
»Tante Martha, wie schön, dass du anrufst.«
Sie schnaufte in den Hörer.
»Ole, mein Junge, wie schön, dich zu hören, geht es dir gut?«
»Mir geht es prima, Tante Martha.«
Er rutschte im Sessel noch etwas weiter nach unten.
»Du weißt, Ole, ich höre Zwischentöne, raus mit der Sprache, du hast beruflichen Ärger, stimmt´s?«
Ole brummte.
»Glaub mir, als Polizist festen Boden unter den Füßen zu haben, ist gar nicht so schlecht.«
Ole konnte mit dieser Information nicht sofort etwas anfangen, aber er wusste, dass ihm Tante Martha zu ihrer Bemerkung nun eine ausführliche Erklärung abgeben würde und er länger dort sitzen würde. Er legte seine Füße auf den kleinen Couchtisch und lauschte.
» … als ich ungefähr in deinem Alter...




