E-Book, Deutsch, 212 Seiten
Martini Saitensprung mit Kontrabass
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95520-610-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 212 Seiten
ISBN: 978-3-95520-610-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Christiane Martini ist Autorin und Musikerin. Sie liebt es, an ihrem Schreibtisch mit Blick in den Garten zu sitzen und an vielfältigen Projekten zu arbeiten. Dazu gehören Romane in verschiedenen Genres, von Cosy Crime über historische Romane bis Familiensagas, wie auch musikalische Lehrwerke und Drehbücher. Mit ihrer Tochter gründete sie 2021 die Plattform »Writers Concept«, mit der sie angehende AutorInnen unterstützen und den Artist Lounge Podcast, in dem sie mit KünstlerInnen aus verschiedensten Kunstrichtungen sprechen. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien als Autorin und Musikerin. Mit ihrer Familie und Beagle Buddy lebt sie in der Nähe von Frankfurt. Bei dotbooks veröffentlichte sie ihre Romane »Die Tochter der Kräuterhexe«, »Mops Maple« und »Saitensprung mit Kontrabass« sowie ihre humorvollen Kriminalromane »Tote Oma mit Schuss«, »Tote Oma auf Eis«, »Tote Oma Ahoi!« und »Tote Oma im Weihnachtsfieber«. Die ersten drei »Tote Oma«-Bände sind auch im Sammelband »Mord mit Seebrise« erhältlich. Die Reihe um den schlauen Kater Caruso und seine Katzenbande umfasst bei dotbooks die folgenden Bände: »Meisterdetektiv auf leisen Pfoten - Carusos erster Fall« »Venezianischer Mord - Carusos zweiter Fall« »Die venezianische Schachspielerin - Carusos dritter Fall« »Schatten über der Serenissima - Carusos vierter Fall« Alle vier Fälle sind auch im Sammelband erhältlich: »Mord in der Lagunenstadt - Kater Caruso ermittelt in Venedig«.
Autoren/Hrsg.
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1. KAPITEL
Paris, im Frühjahr 1788
Beschwingt trat Charlotte aus der Tür und hielt ihr Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Nach Wochen, in denen es fast ohne Unterlass geregnet hatte, zeigte sich endlich die Sonne am Himmel und bescherte der Stadt einen Hauch von Frühling. Bunt gekleidete Menschen eilten geschäftig hin und her, Händler stellten Stände vor ihren Geschäften auf, und an jeder Ecke wurden frische, köstlich duftende Backwaren feilgeboten. Charlotte lief die Gasse hinunter und bog rechts ab in Richtung der mächtigen Kirche Notre-Dame. Auf dem Kirchenvorplatz wimmelte es von Menschen, denn heute war wie jeden Freitag Markt. Fröhliche Grußworte flogen Charlotte zu, als sie zielstrebig einen Fischstand ansteuerte. »Guten Morgen, Yves. Herrliches Wetter heute, nicht wahr?«
Der Alte schmunzelte, und seine Augen verloren sich in einem Gewirr von Falten. »Du bist spät dran, Charlotte, aber ich habe dir den besten Fisch aufgehoben, wie du ihn bestellt hast.« Er holte unter dem klapprigen Brettertisch ein besonders großes Exemplar eines Hechts hervor.
Charlotte entnahm ihrem Lederbeutel, den sie sich um ihr linkes Handgelenk gebunden hatte, ein paar Münzen und gab sie Yves. »Ich danke dir. Leider fühlt sich Claudine nicht wohl, so habe ich heute Morgen die Hausarbeit allein machen müssen. Deshalb konnte ich nicht früher kommen.«
Yves nickte verständnisvoll. Charlotte kannte den alten Händler schon seit vielen Jahren. Woche für Woche kam er mit seinen Fischen auf den Markt und war durch seine zuvorkommende Art für sie zu einem väterlichen Freund geworden.
»Du arbeitest zu viel, Charlotte! Ein Mädchen in deinem Alter sollte tanzen gehen und sich amüsieren«, mahnte er.
Mit einem Seufzer hob sie die Schultern. »Ach, ich mache es ja gerne, schließlich ist es für meine Familie. Aber nun muss ich mich beeilen, sonst kommt der Gast, bevor der Fisch überhaupt im Ofen ist.«
Freundlich lächelnd wandte sie sich ab, um gleich wieder von einem jungen Mann mit einer Lederschürze vor der einfachen Kleidung aufgehalten zu werden.
»Claudine ist krank? Was fehlt ihr denn?« In seinen Augen flackerte Besorgnis.
Beruhigend legte Charlotte eine Hand auf den Arm des kräftigen Burschen. »Keine Sorge, Pierre, nur eine harmlose Erkältung. Meine Schwester klagte heute Nacht über Halsschmerzen, und sie hustet ein wenig, deshalb riet ich ihr, den Tag über im Bett zu bleiben.«
Doch Pierre schien immer noch in Sorge zu sein. »Wenn es aber schlimmer wird, dann rufst du einen Arzt, ja? Auch wenn es deinem Vater unnötig und zu teuer erscheint. Ach, wenn ich doch nur ...«
»Ich werde Claudine von dir grüßen. Darüber freut sie sich bestimmt.«
Pierres Augen leuchteten, und Charlotte, die keine weitere Zeit vertrödeln durfte, wandte sich zum Gehen. Der junge Mann tat ihr leid. Seit einem Jahr verehrte er ihre jüngere Schwester Claudine, aber er war nur ein einfacher Schustergeselle, lebte in einem kargen Raum über der Schusterei und erhielt von seinem Meister statt Lohn in klingender Münze nur einmal täglich ein warmes Essen. Somit konnte er Claudine nicht heiraten; außerdem würde ihr Vater es niemals zulassen, dass eine seiner Töchter einem armen Handwerksgesellen die Hand reichte. Für ihren Vater, den vermögenden Weinhändler Joseph Tronchat, wäre es ein Leichtes, Claudine und Pierre die entsprechende Starthilfe für ein gemeinsames Leben zu geben, ebenso seinen anderen vier Töchtern. Aber auch wenn er seine Kinder liebte – eines liebte er noch mehr: sein Geld, das er sorgsam hortete und von Jahr zu Jahr vermehrte.
Charlottes Mutter war vor zwölf Jahren bei der Geburt von Louise, der jüngsten Schwester, gestorben, und seitdem kümmerte sich Charlotte als Älteste um die Familie. War ihr Vater schon zuvor ein Mann gewesen, der seine Gefühle schlecht zeigen konnte, hatte er sich nach dem Tod seiner Frau noch mehr verschlossen. Er hatte den Verlust auch nach Jahren noch nicht verwunden, denn die Liebe zwischen Charlottes Eltern war etwas ganz Besonderes gewesen. Seitdem lebte Joseph Tronchat für sein Geschäft, dessen Einnahmen er von Jahr zu Jahr steigern konnte. Charlotte wüsste, dass er jedes seiner Kinder liebte, aber nur selten zeigte er eine Gefühlsregung. Léonard Tronchat, ein Jahr jünger als Charlotte, war der einzige Sohn unter den sechs Geschwistern. Seit er laufen konnte, hielt er sich im Weinlager seines Vaters auf, und es war keine Frage, dass er eines Tages das Geschäft übernehmen würde.
In Gedanken versunken, bog Charlotte um die Ecke in ihre Straße und prallte so heftig mit jemandem zusammen, dass ihr Korb zu Boden fiel und der Fisch in der Gosse landete. »Können Sie nicht aufpassen?«, fauchte sie verärgert. Durch den tagelangen Regen waren die Straßen matschig geworden, und das Prachtexemplar von Fisch lag nun, über und über mit grauem Schlamm bedeckt, im Dreck.
Der Mann, dem Charlotte das Malheur zu verdanken hatte, hob bedauernd die Hände. »Es tut mir schrecklich leid. Es lag nicht in meiner Absicht ...«
Erst jetzt blickte Charlotte hoch und sah in zwei haselnussbraune, von dichten Wimpern gesäumte Augen. Es war ein noch recht junger Mann, der vor ihr stand, und Charlotte meinte, selten ein so fein geschnittenes Gesicht gesehen zu haben. Man konnte ihn zweifellos als schön bezeichnen, wenngleich sein Kinn zu weich war, um männlich zu wirken. Schnell bückte er sich, und ohne sich zu kümmern, dass er dabei seine Finger beschmutzte, hob er den Hecht auf und legte ihn wieder in den Korb.
Seufzend fuhr sich Charlotte über die Stirn und strich eine Strähne ihrer kastanienbraunen Locken, die nur notdürftig von der schlichten Haube gehalten wurden, aus dem Gesicht. Es war der letzte Fisch gewesen, und ihr Vater hatte ausdrücklich auf einem Hecht zum Abendessen bestanden. Er erwartete einen wichtigen Gast, einen Winzer aus Burgund, und für seine Gäste war Joseph Tronchat das Beste gerade gut genug. Sparen tat er nur bei seiner Familie. »Wissen Sie, was Sie da angerichtet haben? Was soll ich jetzt bloß machen?«
Das Gesicht des Fremden drückte ehrliches Bedauern aus. »Ich werde Ihnen den Schaden selbstverständlich ersetzen.« Er griff nach Charlottes Arm. »Kommen Sie, wir werden etwas anderes finden.«
Charlotte machte sich frei und schüttelte so heftig den Kopf, dass sich weitere Strähnen unter ihrer Haube lösten.
»Sie verstehen nicht. Wenn mein Vater sagt, er möchte einen Hecht, dann akzeptiert er nichts anderes. Zudem bin ich spät dran und habe keine Zeit mehr, noch einmal auf den Markt zu gehen.«
»Ich weiß nicht, wie ich mein Bedauern über meine Ungeschicklichkeit zum Ausdruck bringen kann ...«
»Reden Sie nicht so gestelzt«, unterbrach Charlotte unwirsch und starrte verzweifelt auf den schmutzigen Fisch. »Was serviere ich jetzt nur unserem Gast?«
»Sie können den Hecht abwaschen. Wenn er gekocht oder gebraten ist, sieht keiner mehr, dass er im Schmutz der Pariser Straßen gelegen hat.«
»Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben«, seufzte sie, nahm ihren Korb und wandte sich zum Gehen. Sie musste sich nun wirklich beeilen; bestimmt war ihr Vater schon wütend, weil sie so lange ausblieb.
»Einen Augenblick noch.« Erneut griff er nach ihrem Arm. »Wie ist Ihr Name? Wann kann ich Sie wiedersehen?«
Charlotte lächelte, ihr Sinn stand nicht nach einem Flirt. »Manchmal ist Paris wie ein Dorf. Überlassen wir es dem Zufall.«
Mit raschen Schritten eilte sie davon. Zugegeben, der Fremde war äußerst attraktiv und freundlich, aber seine elegante Kleidung wies ihn als Mann von Stand aus, für den sie, die Tochter eines Weinhändlers, nicht mehr als ein Abenteuer sein würde. Es mangelte Charlotte nicht an Verehrern, doch zu mehr als ein paar netten Worten war sie nicht bereit. Sie träumte ohnehin nicht von der großen, der einzigen Liebe, nicht von dem Mann, dem sie sich mit Haut und Haaren verschreiben würde, dazu war sie einfach zu realistisch und von ihrem bisherigen Leben zu sehr geprägt worden. Joseph Tronchat hatte ihnen stets deutlich klargemacht, dass er nicht gewillt war, seinen Töchtern für deren Verheiratung eine entsprechende Mitgift zu geben. Aber welcher Mann nahm schon eine Frau, die außer einem netten Äußeren und hausfraulichen Qualitäten nichts mit in die Ehe brachte? Außerdem wer sollte dann den Haushalt führen? Claudine etwa? Unvorstellbar; die Schwester schaffte es sogar, Wasser anbrennen zu lassen. Adelaide und Thérèse waren Träumerinnen, lasen Gedichte und Theaterstücke und konnten nur mit Mühe ein Kleid säumen. Und Louise war noch viel zu jung. Nein, ihr Platz würde wohl, bis sie alt und grau war, in dem schmalen Haus in der Rue Chanoinesse sein.
Hatte Charlotte gehofft, ungesehen ins Haus gelangen zu können, so wurde sie schnell eines Besseren belehrt. Sie öffnete im Untergeschoss gerade die Tür zur Küche, als Joseph Tronchat ihr den Weg versperrte.
»Wo hast du dich herumgetrieben?«, fuhr er sie an. »Hast du vergessen, dass ich heute Abend einen wichtigen Gast erwarte? Und wie sieht es hier überhaupt aus?« Er machte eine umfassende Handbewegung in die Küche, in der noch kein Feuer im Kamin brannte. »Wie konnte mich Gott nur mit fünf Töchtern strafen? Die eine fauler als die andere.«
Schnell stellte Charlotte den Korb unter den Tisch, in der Hoffnung, ihr Vater möge keinen Blick auf das schmutzige Etwas werfen, das ein wohlschmeckendes Abendessen geben sollte. Joseph Tronchat stand unter großer innerer Anspannung; offenbar war der Gast für ein lukratives Geschäft wichtig, daher reagierte er derart ungehalten und barsch. Charlotte nahm es ihm nicht übel, denn sie hatte sich längst an sein oft...




