Martin / Herzwurm / Camacho Alcocer | Neues verkehrswissenschaftliches Journal - Ausgabe 15 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Martin / Herzwurm / Camacho Alcocer Neues verkehrswissenschaftliches Journal - Ausgabe 15

Ehrenamtlich organisierte Mobilität im ländlichen Raum mit Elektrofahrzeugen: Ergebnisse des Forschungsprojekts "EFB - e-Fahrdienst Boxberg"

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-7431-5502-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Bericht zeigt wesentliche Ergebnisse des Forschungsprojekts 'EFB - e-Fahrdienst Boxberg' auf. Im Zuge des Projekts wurde ein Fahrdienst mit vollflexibler Bedienform als ein Gemeinschaftsverkehr mit ehrenamtlichen Fahrern und einem elektrisch betriebenen Großraum-Pkw in der Stadt Boxberg untersucht. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten ländlich geprägter Räume wird die Notwendigkeit der Verbesserung der Mobilität der Menschen in diesen Räumen motiviert. Dazu erfolgt die Einordnung des Forschungsvorhabens in den Kontext nachhaltiger Mobilität unter Hervorhebung des Ehrenamts sowie der Elektromobilität. Der ländliche Raum und dessen strukturelle Veränderungen werden insbesondere aufgrund des demographischen Wandels diskutiert. Diese Bereiche werden in dem Anwendungsfall adressiert und Ergebnisse des Forschungsprojekts vor dem Hintergrund struktureller und verkehrlicher Rahmenbedingungen der Stadt Boxberg umfassend beschrieben. Untersuchungsergebnisse des Fahrbetriebs zeigen auf, welche Verbesserungsmaßnahmen ergriffen werden können. Durch die Auswertung von maschinell aufgezeichneten Fahrzeugdaten und begleitender Fahrprotokolle ist es möglich, für ausgewiesene Strecken Aussagen zum Fahrzeugverhalten zu treffen. Unterschiedliche Fahrstile der Fahrer werden identifiziert und bei den Auswertungen berücksichtigt. Untersucht wird u.a. der Batterieverbrauch des Fahrzeugs vor dem Hintergrund der Topografie unterschiedlicher Strecken sowie durch die Nutzung von Zusatzverbrauchern. Abschließend liefert der Ausblick weitere Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere im Kontext der Digitalisierung, die ein Treiber bspw. für die Integration von Gemeinschaftsverkehren in bestehende Auskunftssysteme des ÖPNV darstellt.

Ullrich Martin war nach verschiedenen Tätigkeiten im Eisenbahnbereich und an der TU Braunschweig von 1998 bis 2001 Universitätsprofessor am Lehr- und Forschungsgebiet Verkehrsbau- und Verkehrssystemtechnik der Universität Leipzig. Seit 2001 ist er als Universitätsprofessor am Institut für Eisenbahn und Verkehrswesen und Verkehrswissenschaftliches Institut der Universität Stuttgart tätig.
Martin / Herzwurm / Camacho Alcocer Neues verkehrswissenschaftliches Journal - Ausgabe 15 jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


3 Maßnahmen adressieren
Um ein ehrenamtlich getragenes Mobilitätskonzept realisieren und langfristig betreiben zu können, bedarf es der Beachtung einiger grundlegender Prinzipien und der Durchführung bestimmter Maßnahmen. Diese gilt es insbesondere im Falle einer Konzeption und einer Erstinbetriebnahme eines e-Fahrdienstes im Vorfeld zu prüfen und zu planen. Abbildung 3-1: Gestaltungsbereiche des e-Fahrdienstes Die einzelnen Maßnahmen sind fünf Gestaltungsbereichen zugeordnet. Die einzelnen Gestaltungsbereiche werden im Folgenden allgemein erläutert. Die Adaption der Maßnahmen einzelner Gestaltungsbereiche auf den e-Fahrdienst Boxberg und die Darstellung der Umsetzung erfolgt in Kapitel 4. 3.1 Der Verein
Getragen wird der Fahrdienst von einem eingetragenen Verein (e.V.), der vom ehrenamtlichen Engagement der Bürger vor Ort lebt, die einen Teil ihrer Zeit dafür aufbringen, als Fahrer des e-Fahrzeugs tätig zu sein.13 Zum Verein gehören üblicherweise neben dem Vorstand auch die ehrenamtlichen Fahrer (vgl. Abbildung 3-2). Abbildung 3-2: Die ehrenamtlichen Fahrer in Boxberg Durch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)14 werden Mindestanforderungen an die Gründung eines e.V. geregelt und es entsteht die Notwendigkeit, wesentliche Merkmale des Vereins (bspw. den Vereinszweck) verbindlich in einer Satzung zu bestimmen. Ein e.V. ist ein rechtsfähiger aber nicht wirtschaftlich agierender Verein (auch Idealverein genannt) sowie eine juristische Person und somit voll rechtsfähig, d.h. er kann klagen und verklagt werden. Dies gibt bei Rechtsgeschäften mit Dritten eine gewisse Verlässlichkeit, zumal Gläubigern das Vereinsvermögen als Haftungsmasse dient (sofern Schäden aus der Erledigung satzungsgemäßer Aufgaben entstanden sind).15 Im Bürgerverein sind mindestens ein Vorstand sowie eine Mitgliederversammlung zu bestimmen. Übliche Ämter des Vorstands sind Vorsitzende sowie stellvertretende Vorsitzende und Kassierer. Darüber hinaus können weitere Ämter wie Pressereferenten, Beisitzer, Geschäftsführer, Fahrerobmann, Fahrzeugwart u.v.m. individuell in der Satzung bestimmt werden. Eine wesentliche Aufgabe des Vereins ist die Sicherstellung des Betriebs. Hierzu zählen Aufgaben wie die Planung des Verkehrs und Fahrzeugreparaturen. Darüber hinaus ist der Verein dafür verantwortlich, seinen Mitgliedern, darunter insbesondere den Fahrerinnen und Fahrern, ein „Wir-Gefühl“ zu vermitteln, um das Miteinander zu stärken (Dienel, et al., 2014). Auf regelmäßig stattfindenden Fahrertreffen zur Schichteinteilung sollte die Bedeutung der Ehrenamtlichen durch den Vorstand hervorgehoben werden. Dem Verein kommen weitere Aufgaben zu. Eine wesentliche Aufgabe wird im Folgenden aufgrund der Relevanz verdeutlicht: die Öffentlichkeitsarbeit. Um einen Fahrdienst zuverlässig betreiben zu können, muss eine hinreichende Anzahl an Fahrerinnen und Fahrern vorhanden sein. Hierzu, aber auch für die Gewinnung von Fahrgästen sowie Sponsoren, stellen lokale Netzwerkaktivitäten eine einfach umzusetzende aber auch erfolgsversprechende Maßnahme dar (Dobeschinsky, 2012). Insbesondere durch die persönliche Ansprache einzelner Personen im Ort kann aktiv für den Verein geworben werden (Dienel, et al., 2014). Hierzu ist es auch hilfreich, den Verein in das Vereinsleben der Kommune einzubinden, um ein Teil dieses öffentlichen Netzwerkes zu werden. Eine weitere Möglichkeit bieten größere Versammlungen von Bürgern, wie es bei etwa bei Seniorennachmittagen der Fall ist. Darüber hinaus ist die örtliche Presse oftmals an dem Konzept der Gemeinschaftsverkehre interessiert und veröffentlicht Artikel, die in Abstimmung zu bestimmten Anlässen (Jubiläen, Sonderfahrten, besondere Veranstaltungen o.ä.) forciert werden sollten, heraus (Dobeschinsky, 2012), (Dienel, et al., 2014). 3.2 Fahrgäste
Fahrgäste stammen aus der allgemeinen Öffentlichkeit und sind (potenziell) alle mobilitätseingeschränkten Personen sowie andere Interessierte. Dazu zählen oftmals Menschen ohne eigenen Führerschein wie bspw. Jugendliche, vermehrt aber ältere Menschen. Eine Beschränkung zur Nutzung des Fahrdienstes, bspw. durch Notwendigkeit einer Vereinsmitgliedschaft, gibt es bei Bürgerautos nicht (NVBW, 2015). Abbildung 3-3: Ein Fahrer mit Fahrgast in einer üblichen Situation Genaue Erhebungen zu Gemeinschaftsverkehren gibt es hinsichtlich der Fahrgastzusammensetzung für (e-)Fahrdienste bislang nicht. Die Ergebnisse der hier beschriebenen Untersuchungen liefern dazu anhand der durchgeführten Fahrgastbefragungen im Antworten für das Bürgerauto in Boxberg. Aufgrund dieser Nutzergruppe ergeben sich bestimmte Anforderungen an das Mobilitätskonzept, bspw. die Durchführung als Bedarfsverkehr, aber auch bezüglich der Hilfsbereitschaft der Fahrer im Umgang mit den Fahrgästen und dem Fahrzeug, auf die in Kapitel 4 eingegangen wird. 3.3 Fahrzeug und Ladeinfrastruktur
Grundsätzlich können Pkws mit höchstens acht Fahrgastsitzplätzen zum Einsatz kommen, die ein maximal zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen nicht überschreiten und mit einem Führerschein der Klasse B gefahren werden können. Das Fahrzeug sollte in erster Linie den Anforderungen der Fahrer und Fahrgästen entsprechen. Dabei handelt es sich üblicherweise um Serienfahrzeuge im Ursprungszustand, Umbauten werden nicht vorgenommen (Schiefelbusch, 2015). Hinsichtlich des Antriebs stellt der Verbrennungsmotor noch den Status Quo dar. Im Sinne einer nachhaltigen Mobilität sind Fahrzeuge mit Elektroantrieb eine zu prüfende Alternative. Ein Elektrofahrzeug kommt in Boxberg zum Einsatz (Renault Kangoo Z.E. - Zero Emission). Abbildung 3-4: Das e-Fahrzeug in Boxberg In Anlehnung an die (Nationale Plattform Elektromobilität, 2014) muss Elektromobilität als ein ganzheitliches System betrachtet werden, das sich aus vier Kategorien zusammensetzt: Ladeinfrastruktur, Fahrzeugtechnik, Stadtplanung und Intermodalität sowie Energie und Umwelt (vgl. Kapitel 4). Um die Ladeinfrastruktur festzulegen und zu implementieren, ist es wichtig, diese mit den anderen drei Kategorien des Systems zu koordinieren. Der erste Koordinationsschritt bezieht sich auf die Kompatibilität der Ladeinfrastruktur und die verwendete Fahrzeugtechnik. Es existieren bereits verschiedene Typen von Ladestationen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Die unterschiedlichen Stationen werden charakterisiert anhand der Stromart (AC oder DC/ Gleich- oder Wechselstrom), der Anzahl der Phasen (1-3), dem Ladestrom (13 - 200A), und der Spannung (230 -400 AC und 500 - 850 DC) charakterisiert. Als Lademöglichkeiten dienen im einfachsten Fall entsprechend abgesicherte herkömmliche Haussteckdosen für niedrige Ladeleistungen, oftmals sind es fest installierte Stationen für höhere Ladeleistungen. Die jeweiligen Ladezeiten variieren hierbei aufgrund der Ladeleistung der Station und der Fahrzeugkapazität (vgl. Abbildung 3-5). Abbildung 3-5: Ladenzeiten in abhängig der Ladeleistung16 Der zweite Koordinationsschritt beschreibt im Kontext der Stadtplanung die räumliche Lage der Ladestation in Bezug auf die Stadt- und Raumstruktur. Die Ladeinfrastruktur sollte sich in Bereichen befinden in denen es die Nachfrage erfordert. Bei flexiblen Mobilitätskonzepten wie einem e-Bürgerauto können auch Auflademöglichkeiten bei laufendem Betrieb in Betracht gezogen werden. Die Fahrer sollten bei geplanten und ungeplanten Ladezeiten in der Lage sein, die Station schnell und einfach zu erreichen. Letzteres ist einfacher, wenn sich die Station dort befindet, wo die meisten Fahrten enden und die Fahrer am häufigsten warten (z. B. auf Fahrgäste oder während Pausen). Dies ist auch eine betriebliche Frage, da Zeitpläne für das Aufladen vorher festgelegt werden sollten. Zusätzlich kann für flexible Ladesysteme „halb-geplantes“ Aufladen stattfinden, wenn Ladestationen in der Nähe oder erreichbar sind. In Anlehnung an Energie und Umwelt beschreibt der dritte Koordinationsschritt als Hauptziel den optimalen Einsatz und die Integration von erneuerbaren Energien in Ladesystemen. So wird deutlich, dass in der Zukunft die örtliche Lage einer Ladestation in Bezug auf die Stromquelle und die Gesamtbilanz an Bedeutung gewinnt, zum Beispiel durch die Platzierung der Station in der Nähe eines Gebäudes, das Strom aus einer Solaranlage erzeugt. Da das Fahrzeug eines Fahrdienstes in der Praxis stets an der gleichen Stelle abgestellt wird, ist üblicherweise dort auch nur eine Lademöglichkeit für das Fahrzeug vorzusehen. Je nach Hersteller und Fahrzeugtyp können hier unterschiedliche Lademöglichkeiten in Frage kommen. Wenn das Fahrzeug im nichtöffentlichen Bereich (z. B. einem Betriebshof der Kommune) geparkt wird, haben sich sogenannte Wandladestation oder Wallboxen17 als pragmatische Lademöglichkeit etabliert, da diese verhältnismäßig schnell und kostengünstig durch entsprechendes Fachpersonal installiert werden...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.