Martin | Blut und Schokolade | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Martin Blut und Schokolade

Schonungsloser, hochaktueller und brisanter Jugendroman über Kinderarbeit in der Kakaoindustrie
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86272-985-2
Verlag: Dressler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Schonungsloser, hochaktueller und brisanter Jugendroman über Kinderarbeit in der Kakaoindustrie

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-86272-985-2
Verlag: Dressler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als die 18-jährige Manal auf der Suche nach ihren Wurzeln an die Elfenbeinküste reist, ändert sich ihr Leben auf einen Schlag: Hinter einem von Hunden bewachten Zaun steht Issa, mitten im Urwald. Und braucht ihre Hilfe. Er will seinen kleinen Bruder nach Hause holen, der, wie viele andere Kinder, zum Arbeiten auf die Kakaoplantage verschleppt wurde. Doch so einfach ist das nicht, denn in der Welt hinter dem Zaun herrschen eigene Regeln, und viele der Kinder haben Angst vor der Freiheit. Schließlich gelingt ihnen jedoch mit Manals Hilfe die Flucht. Und eine gnadenlose Verfolgungsjagd durch ein ausgetrocknetes Land beginnt ...

Peer Martin, 1968 in Hannover geboren, ist studierter Sozialpädagoge. Seine Erfahrungen aus der Jugendarbeit und die Geschichten eines syrischen Freundes inspirierten ihn, Bücher zu schreiben.
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Manal


Sie betrachtete ihre Hände.

Schmale Hände, dunkel, feingliedrig, an der linken silberne Ringe, einer mit einem schlichten blauen Stein, der andere ein Muster verschlungener Ornamente auf der dunklen Haut.

Er nahm sie in seine, die so viel heller waren, flocht ihre Finger ineinander, lachte, dort auf dem Sofa zwischen den bunten Decken und Kissen. »Weiße Schokolade und dunkle Vollmilch«, wisperte er. »Wenn man das mischt, gibt es marmorierte Pralinen, das wäre doch hübsch.« Und er ließ ihre Hand los und drehte stattdessen eine ihrer Locken um seinen Finger. .

»Und obendrauf Kringel aus schwarzer Bitterschokolade …«

Manal rollte mit den Augen. »Gib mir noch ein paar mehr Klischees«, flüsterte sie, lachte aber ebenfalls und zerzauste sein helles Haar.

Er: Joscha Hainmüller, 24, Student der Betriebswirtschaft und Teilzeitverkäufer mit kundenbindendem Charisma.

Sie: Manal Sophie Sonnentau, 18, Abiturientin, Aushilfe im Laden.

Und das Sofa: ein Sofa in einem Hinterzimmer voller Pappkartons und Geschenkpapierrollen. stand auf dem Papier, in Gold eingeprägt. Der alte Wegebrecht musste ein Urenkel des ersten Wegebrechts sein, er selbst hatte keine Söhne. Oder Töchter. Weshalb er Joscha und Manal brauchte, um die Kunden ins Geschäft zu locken.

Sie waren schön, vor allem zusammen, schön, wenn sie zwischen den Pralinen standen und lächelten und abwogen, sie hatten eine so positive Ausstrahlung, alle sagten das.

Manchmal hasste Manal es, schön zu sein. Sie sagten ihr zu oft, dass sie schön war. Und es schien alles zu sein, was sie ausmachte; auch der alte Wegebrecht hatte nicht gefragt, welchen Abschluss sie hatte oder was sie mit ihrem Leben tun wollte, er hatte gesagt: Sie sind eine schöne junge Frau, und sie eingestellt. Und sie wusste, auch er hatte gedacht.

»Pssst!«, machte Joscha. Da waren Schritte im Verkaufsraum, Manal hörte sie jetzt auch. Der alte Herr Wegebrecht. Das Geschäft war geschlossen, sie sollten eigentlich damit beschäftigt sein, hier hinten Pralinen in Geschenkpäckchen abzupacken. Dies war nur eine Pause.

Sie lauschten gemeinsam, erstickten fast an ihrem Lachen. Natürlich wäre es peinlich, wenn der alte Wegebrecht sie nackt auf dem Sofa finden würde, andererseits taten sie nichts ausdrücklich Verbotenes.

Die Schritte näherten sich der Tür.

»Lass ihn doch reinkommen«, wisperte Joscha. »Kann er noch was lernen über Pralinen.« Er legte die Hände um ihre Brüste, als wären sie etwas, das er präsentierte: »Voilà, ein Traum von Mokka, mittig mit einem Hauch Nugatcreme.«

Manal hasste all diese dummen Vergleiche. Und eigentlich hasste sie Joschas Worte. Aber sie schlug seine Hände nur spielerisch weg, und dann stand sie neben dem Sofa und schlang mit einer blitzschnellen Bewegung eine der Decken um sich: goldgelbes Webmuster. Sie steckte sie seitlich über ihrer Brust fest, die Türklinke wurde heruntergedrückt – Joscha hechtete hinter das Sofa, wo er sich duckte, um sich in seine Jeans zu winden. In diesem Moment ging die Tür auf. Da stand er, der alte Herr Wegebrecht, klein und hager, im Anzug, korrekt wie immer. Er hielt ein Päckchen in der Hand und musterte Manal in ihrer Decke.

»Wir haben gerade etwas ausprobiert«, sagte sie. »Für eine neue Kampagne.«

»Afrika«, sagte Herr Wegebrecht und nickte. »Hübsch. Vielleicht noch ein Tuch ins Haar, im selben Farbton … vielleicht hat Ihre Mutter so was?«

Manal strich die etwas durcheinandergeratenen Locken zurück, die ihr bis fast auf die Schultern reichten, und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Hat sie nicht. Aber kriegt man im Eine-Welt-Laden.«

»Wir brauchen was Besonderes für die Adventszeit«, sagte Joscha und tauchte hinter dem Sofa auf, in Jeans, aber mit bloßem Oberkörper, vermutlich hatte er sein T-Shirt nicht gefunden. Manal musste sich auf die Lippen beißen, um nicht zu lachen. »Wir könnten heiße Schokolade ausschenken, im Ethnolook.«

Herr Wegebrecht nickte steif. »Afrika, der schwarze Kontinent der Schokolade.« Er sah zu Joscha und hob eine Augenbraue. »Und sind … auf einer Wüstentour?«

»So in etwa«, murmelte Joscha und grinste.

»Wir müssen ohnehin über das Adventsgeschäft sprechen. Dienstpläne, Überstunden, Zusatzkräfte. Und da ist ein Paket für Sie.« Herr Wegebrecht sah Manal an. »Eigentlich bin ich deshalb gekommen. Ich war vorn im Laden, um die letzte Lieferung zu kontrollieren, da habe ich es gefunden.«

Manal nahm das Paket und las den Absender. Und ein Bezirk. Irgendwelche Zahlen.

»Mein Onkel«, murmelte sie. »Warum schickt er mir ein Paket ans Geschäft?«

Herr Wegebrecht zuckte die Schultern. »Ich überlasse Sie dem Pralinenabpacken, werden Sie mit den fünfzig Stück noch heute fertig?«

»Natürlich«, sagten Manal und Joscha gleichzeitig. Und dann schloss sich die Tür hinter Herrn Wegebrecht. Sie atmeten beide auf und ließen sich aufs Sofa fallen.

»Afrika-Kampagne«, flüsterte Joscha und grinste. Er fuhr mit dem Finger die Linie nach, die die Decke bildete, oberhalb ihrer Brüste. »Das will ich sehen, wie du im Advent so im Laden stehst.«

Manal schnappte sich eine Schere und öffnete das Paket. Darin lag, geschützt von alten Zeitungen, eine große rötlich gelbe Frucht mit breiten dunkelbraunen Streifen.

»Eine Kakaoschote«, sagte Joscha.

Manal nickte. Sie überflog den Brief, der bei der Schote lag, die winzige, ordentliche französische Schrift ihres Onkels.

Manal schüttelte den Kopf. »Er war schon immer ein Spinner, mein Onkel«, sagte sie und lachte.

Joscha fand ein Messer im Laden, und er blieb hinter ihr stehen, während sie die harte Frucht in zwei Hälften schnitt, sie spürte seinen Atem auf ihren bloßen Schultern.

Dann klappte die Frucht auf, das Fruchtfleisch und die Samen lagen vor ihnen.

»Sie sind weiß!«, sagte Joscha erstaunt. Manal lachte. »Ja, sie sind weiß.«

Sie griff tief ins Innere der Frucht, holte mit zwei Fingern etwas von der glitschigen Masse heraus und steckte es Joscha in den Mund.

»Hm«, sagte er. »Süß. Aber nicht schokoladig.«

»Man macht die Schokolade aus denen hier«, sagte Manal und nahm einen der großen Samen. Steckte ihn in den Mund. Schüttelte sich. Er schmeckte bitter.

»Du kannst hinfahren. Alles darüber rausfinden, wie man sie macht«, sagte Joscha. »Du warst noch nie bei deinem Onkel, oder?«

»Nein. Er ist nicht mal wirklich mein Onkel. Er ist um tausend Ecken verwandt mit meiner Mutter.«

»Ich dachte, deine Mutter kommt aus den USA

»Tut sie. Lange Geschichte.« Manal seufzte. »Und eigentlich hat sie nichts mit mir zu tun.«

»Fahr hin. Sieh es dir an. Das Land, aus dem deine Vorfahren kommen.«

Sie legte den Kopf schief. »Kommst du mit?«

Er küsste sie und schüttelte den Kopf. »Das Weihnachtsgeschäft ruft. Und das Studium. Das ist Abenteuer.«

Sie zog einen Flunsch. »Ich dachte, jetzt, wo wir miteinander geschlafen haben, sind wir fest zusammen?«

»Ich …« Joscha machte einen Schritt zurück. »Ich meine, du bist das schönste Mädchen, das ich kenne, und ich würde das durchaus wiederholen, aber … ich bin nicht so der Typ für monogame Beziehungen …«

Sie beobachtete, wie er hilflos dastand, und das Lachen platzte aus ihr heraus. »Hast du gedacht, ich mein das ernst? Joscha. Wer ist schon der Typ für monogame Beziehungen?«

Und dann nahm sie eine Praline von einem der Kühlgitter, eine noch unverpackte Praline, steckte sie in den Mund und leckte sich die Finger ab.

»Das Leben ist ein Spiel«, wisperte sie. »Ein Spiel und Schokolade.«

Aber als sie sich anzog, fragte sie sich, ob das eigentlich alles war. Und eine seltsame Sorte Melancholie zog an ihr.

Als ihr Vater ihr an diesem Abend Gute Nacht sagte, wie er es tat, seit sie klein war, saß Manal im Bett und sah den Mond an, der durchs Fenster schien.

»Du wirfst dich nicht mehr ins wilde Leben heute Abend?«, fragte er. »Ich meine, es ist elf Uhr, und du hast das Licht aus?«

»Ich habe den Mond an«, flüsterte Manal. »Ich denke nach.«

Er setzte sich auf den Stuhl an ihrem Schreibtisch. »Darüber, was du tun wirst?«, fragte er leise. Er sagte nicht:

»Warst du mal in Côte d’Ivoire?«

Er nickte. »Zwei Mal. Lange her. Zwischen dem...


Peer Martin, 1968 in Hannover geboren, ist studierter Sozialpädagoge. Seine Erfahrungen aus der Jugendarbeit und die Geschichten eines syrischen Freundes inspirierten ihn, Bücher zu schreiben.



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