Marshall | Wenn die Christrose erblüht | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Digital Edition

Marshall Wenn die Christrose erblüht


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7337-5987-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Digital Edition

ISBN: 978-3-7337-5987-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach einem Skandal flieht Rose über die Feiertage nach Yorkshire. Aber auch hier findet sie keine Ruhe: Sir Miles, der die unschicklichen Gerüchte über sie kennt, umwirbt sie. Hat er sich verliebt - oder glaubt er, Rose hätte nichts zu verlieren?



Als Bibliothekarin hatte Paula Marshall ihr Leben lang mit Büchern zu tun. Doch sie kam erst relativ spät dazu, ihren ersten eigenen Roman zu verfassen, bei dem ihre ausgezeichneten Geschichtskenntnisse ihr sehr hilfreich waren. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie fast die ganze Welt bereist. Ihr großes Hobby ist das Malen.

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1. KAPITEL

Nein! Unmöglich! Sie musste sich irren! Sie konnte doch nicht diesen langen Weg nach Morton Castle im nördlichsten Yorkshire auf sich genommen haben, nur um diesen Menschen, diesen Sir Miles Heyward, ihren Todfeind, nun in den Salon eintreten zu sehen. Hier bei ihrer Cousine Isabel hatte sie die Weihnachtszeit in seliger Anonymität verbringen wollen!

Miss Rose Charlton, bekannt für ihre stoisch-gelassene Haltung, verlor beinahe ihre Selbstbeherrschung ob dieses unerwarteten und unwillkommenen Anblicks. Um die Sache noch ärger zu machen, hatte der Mann sich wie stets vollkommen in der Hand und schaute ihr, die Brauen leicht erhoben, direkt ins Gesicht.

Wenn sie so bestürzt war, ihm zu begegnen, konnte es möglich sein, dass es ihn ebenso erstaunte, hier auf sie zu treffen, als ob sie ihn erwartete? Wichtiger war, würde er ihr Dinge sagen, die ihren zerbrechlichen Seelenfrieden zerschmetterten? Denn Frieden hatte sie, fern der Londoner Gesellschaft mit ihrem bösartigen Klatsch, hier in Isabel Mortons Heim zu finden gehofft. Rose erinnerte sich nur zu gut an das Gespräch mit Isabel, kurz bevor sie zum Dinner hinuntergegangen war. Und an deren unglückliche Miene während der Unterredung …

„Meine liebe Rose“, hatte Isabel so behutsam wie möglich begonnen, „zwar war ich persönlich sehr froh, dich zum Fest einzuladen, musste mich jedoch dafür meinem Gemahl widersetzen. Er sucht ja London gar nicht mehr auf und weiß daher nicht viel über den ton und seine Skandale. Nur erhielt er unglücklicherweise unmittelbar nach meinem Schreiben an dich einen Brief von seinem Freund Lord Sheffield, der ihm neben diversem anderen Klatsch auch erzählte, dass das letzte Gerücht dich betrifft und jene elende Geschichte bezüglich Lord Attercliffes. Mein Eindruck war ja, dass das Ganze vertuscht wurde und seit Jahren schon vergessen sei. In der Tat weiß ich selbst nichts Genaues darüber, da dein Vater und der meine damals die öffentliche Verbreitung der Angelegenheit mit Erfolg verhinderten.“ Sie holte tief Luft und fuhr fort: „Anthony befahl mir auf der Stelle, die Einladung an dich zurückzuziehen, doch ich weigerte mich dieses Mal, ihm zu gehorchen. Immerhin bist du meine Cousine, und du warst damals noch sehr jung. Du warst meine beste Freundin, bevor dein Vater starb und du dich aufs Land verkrochst. Mir war bekannt, dass du dieses Jahr die Saison in London verbrachtest – weswegen der Skandal vermutlich wieder aufgerührt wurde. Ich versicherte Anthony, dass du ganz schuldlos bist, und schließlich erklärte er sich bereit, dich zu empfangen. Allerdings vertraue ich darauf, dass du dich hier bei uns eines Betragens befleißigst, das ihm keine Gelegenheit gibt … nun, ich brauche wohl nicht mehr zu sagen.“

Isabel war sich unangenehm bewusst, dass es ihr trotz ihres festen Entschlusses nicht besonders gut gelungen war, Rose nicht allzu sehr zu kränken.

Rose wiederum mühte sich sehr, ihre kühle Haltung zu wahren, die ihr in den Jahren, die seit dem Tod ihres Vaters verstrichen waren, zur zweiten Natur geworden war.

Sie antwortete so gemessen, wie es ihr möglich war. „Angesichts dieser Lage wirst du es mir nicht übelnehmen, wenn ich mich morgen, so früh es nur geht, auf den Heimweg mache.“

Isabel war entsetzt. „Ach, du darfst mich nicht Anthonys erneutem Lamentieren aussetzen. Sein dauerndes ‚Hab ich’s nicht gesagt‘! Unter uns, er ist ein wahrer Brummbär geworden. Du musst einfach bleiben. Beweise ihm mit deinem besten Betragen, dass er endlich einmal unrecht hat.“

Rose hatte nicht bemerkt, dass Isabels Ehe nicht mehr ganz glücklich war. In ihren nur unregelmäßig eintreffenden Briefen klang es nämlich stets so, als ob sie und ihr Ehegemahl das glücklichste Paar der Welt wären.

„Wenn du darauf bestehst“, sagte sie zögernd. „Lieber jedoch würde ich abreisen, denn ich möchte auf keinen Fall zwischen dir und deinem Gemahl stehen. Noch möchte ich den einen oder anderen Gast in Verlegenheit bringen, der von den Gerüchten gehört haben könnte.“

„Da wird nichts passieren, sie sind alle hier aus der Gegend, ländlicher Adel, der keinen Bezug zum haut ton hat. Nein, verlass dich darauf, alles ist gut, und du wirst ein fröhliches Fest weit weg von der Londoner Gerüchteküche genießen. Anthony wird sich bald beruhigen, und du kannst dich leichten Herzens in das muntere weihnachtliche Treiben stürzen.“

Rose dachte, dass sie möglicherweise nie wieder leichtherzig sein würde, behielt die Bemerkung allerdings für sich. Stattdessen versuchte sie, ihre trüben Ahnungen zu unterdrücken. Letztendlich hatte Isabel vielleicht recht. Yorkshire und London lagen weit voneinander entfernt, und es wäre nicht nett, Isabels Freundlichkeit trotzig abzulehnen. Sie würde sich bemühen, die Weihnachtszeit gebührend zu genießen und die unglückselige Vergangenheit zu vergessen.

Früher am gleichen Tag hatte Sir Miles Heyward in einer Poststation an der Straße von London nach York ein ziemlich miserables Mahl eingenommen. Er war auf dem Weg nach Morton Castle, das am Rande Yorks lag, und fragte sich immer noch, warum er zugesagt hatte, das Weihnachtsfest bei einem Freund zu verbringen, den er seit ihren Universitätstagen in Oxford nicht mehr gesehen hatte. Damals, nach ihrem Abschluss, waren sie gemeinsam nach London gegangen und hatten sich dort eine Weile recht königlich amüsiert.

Jedoch war Anthonys Vater, noch jung, gestorben, und Anthony hatte sich daraufhin heimbegeben in den Norden, um die Leitung des Familienbesitzes zu übernehmen, und war weder in den Süden des Landes noch nach London je wieder zurückgekommen. Er hatte früh geheiratet, und obwohl er ursprünglich davon gesprochen hatte, im Parlament eine Rolle spielen zu wollen, war er nun zufrieden mit seinem Dasein als adeliger Gutsherr. Anfang des Jahres erhielt Miles einen Brief von ihm, in dem er sich nach einem anderen alten Freund erkundigte und sich in Erinnerungen an frühere, heiterere Tage erging.

„Wie ich hörte, hat deine Mutter erneut geheiratet“, schrieb er, „und lebt nun in der Nähe von Selby. Falls du ihr in diesem Jahr keinen Weihnachtsbesuch abstattest, frage ich mich, ob du vielleicht Lust hättest, nach Morton Castle zu kommen; dann könnten wir ein wenig über die alten Zeiten plaudern – so langsam vermisse ich sie.“

Miles hatte den Brief beiseitegelegt, um ihn später, mit mehr Zeit, zu beantworten und die Einladung abzulehnen. Denn kurz vor Weihnachten würde er, wie geplant, die Honorable Emily Sansome heiraten und dann die Flitterwochen in Brighton verbringen.

Leider fand die Hochzeit nicht statt. Seine Emily hatte einen reicheren, bedeutenderen Zukünftigen gefunden, und nach einem ihm aufgezwungenen Streit über eine Nichtigkeit hatte sie den Verlobungsring zurückgegeben, mit der Begründung, dass sie nicht zueinander passten. Großzügig nahm er offiziell die Schuld für den Bruch des Verlöbnisses auf sich, und Emilys Vermählung mit ihrem Marquis stand kurz darauf in der Morning Post und fand zwei Tage nach dem Datum statt, an dem er – Miles – sich mit ihr hatte verbinden wollen.

Nach reiflicher Überlegung betrachtete er es als Segen, dass sie ihm den Laufpass gegeben hatte – anders konnte man es nicht nennen – denn es stellte sich heraus, dass sie ihren neuen Bräutigam schon insgeheim getroffen hatte, bevor sie jenen Streit vom Zaun brach, der das Verlöbnis beendete. Dennoch fühlte Miles sich ob ihrer rücksichtslosen Zurückweisung erniedrigt.

Frauen waren allesamt leichtfertig, war seine grimmige Schlussfolgerung – alle hechelten der günstigsten Gelegenheit nach, und wenn sie kam, mochte alles und jeder zum Teufel gehen. Unversehens erschien ihm ein Besuch bei Anthony Morton im fernen Norden Englands recht verlockend. Dort wäre er den mitleidigen Blicken der Londoner nicht mehr ausgesetzt, mit denen er letztlich bedacht worden war.

Außerdem langweilte ihn das Stadtleben so langsam, und er bedauerte es, keinen Landbesitz, sondern nur ein großes Vermögen ererbt zu haben und ein prächtiges Stadtpalais. Er war als noch sehr junger Mann in die Armee eingetreten und hatte unter Wellington im Krieg auf der iberischen Halbinsel gedient. Nach einer schweren Verwundung im Kampf um Salamanca war er gerade eben rechtzeitig genesen, um an der Schlacht um Waterloo teilzunehmen.

Nach Waterloo kam seine militärische Karriere zum Ende, und damit fehlte ihm eine Beschäftigung, was ihn nach und nach bekümmerte, denn seine Arbeit war sein Leben gewesen – besonders, nachdem er in Wellingtons Kommandostab aufgenommen worden war.

Kürzlich hatte er den Entschluss gefasst, ein Landgut zu erwerben und es selbst zu leiten. Er hatte beschlossen, Mr Coke aus Norfolk und dem Duke of Bedford nachzueifern, die beide ihre Ländereien persönlich geführt hatten, anstatt es Angestellten zu überlassen. Ein alter Freund, der im Agrarministerium arbeitete, hatte ihm eine Liste von Büchern und Schriften über Ackerbau und Viehzucht und die Verwaltung von Landgütern zusammengestellt. Das Studium dieser Werke führte dazu, dass sich sein Interesse insbesondere auf die Verbesserung der Zucht von Vieh und Feldfrüchten richtete, und so hatte er kürzlich einen Makler beauftragt, ihm einen passenden Besitz zu suchen, vorzugsweise in der Mitte oder im Süden Englands.

Als er die Sache mit Emily erneut überdachte, wurde ihm jäh klar, dass höchstwahrscheinlich sein ständiges Reden über diese seine Träume, aufs Land zu ziehen, der Auslöser dafür gewesen war, ihn zu verlassen. Sie...



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