Marshall | Eiskalte Freundschaft - Ich werde nie vergessen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Marshall Eiskalte Freundschaft - Ich werde nie vergessen

Thriller
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-21519-4
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-641-21519-4
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn die Schatten der Vergangenheit dich einholen, ist es zu spät, um zu bereuen ...
Die alleinerziehende Mutter Louise lebt ein ruhiges Leben mit ihrem kleinen Sohn Henry. Eines Abends, sie klickt sich gerade durch ihre Social-Media-Kanäle, pingt eine Nachricht auf: 'Maria Weston möchte mit dir auf Facebook befreundet sein.' Louise ist gleichermaßen irritiert wie geschockt. Maria war eine Klassenkameradin - doch sie verschwand vor 25 Jahren spurlos. Zuletzt wurde sie am Abend der Schulabschlussfeier gesehen, und jeder geht davon aus, dass sie tot ist. Doch nun scheint sie zurück und scheut sich nicht davor, Louise für die dramatischen Ereignisse von damals verantwortlich zu machen ...

Laura Marshall wuchs in Wiltshire auf und studierte Englisch an der University of Sussex. 2015 fand sie, dass es Zeit sei, sich ihren lebenslangen Traum zu erfüllen - das Schreiben eines Romans. Ihr Debüt 'Eiskalte Freundschaft. Ich werde nicht vergessen' wurde bereits vor der Veröffentlichung für den Lucy-Cavendish-Fiction-Preis nominiert. 'Drei kleine Lügen' ist Laura Marshalls zweiter Roman bei Blanvalet. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kent.
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KAPITEL 2

1989

Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan und versuche gerade, mir darüber klar zu werden, was geschehen ist, was ich getan habe. Meine Augen sind gerötet und brennen vor Müdigkeit, aber ich traue mich nicht einzuschlafen. Wenn ich einschlafe, dann wache ich wieder auf und erlebe diese eine gnädige Sekunde, in der ich mich noch nicht wieder erinnert habe – und dann bricht es wieder über mich herein und ist kraft dieser einen unschuldigen Sekunde umso schrecklicher und grässlicher.

Ich glaube, das letzte Mal war ich bis zum Morgengrauen wach, als ich bei Sophie übernachtet habe. Allerdings ist die Angelegenheit diesmal deutlich gewaltiger und tragischer. Draußen hat es die ganze Sommernacht hindurch ohne Unterlass geregnet, und die Zweige des Baums vor meinem Fenster peitschen permanent gegen die Scheibe. Ich bin nicht nur aufgrund der Droge wach, auch wenn sie leider immer noch durch meine Adern strömt. Seit vier Stunden sitze ich jetzt hier am Boden, während mein bisher stockfinsteres Zimmer ganz langsam von mattgrauem Zwielicht erhellt wird. Um mich herum überall Spuren meiner aufwendigen Vorbereitungen für den gestrigen Abend, gerade einmal zwölf Stunden zurück, mit der Aussicht auf Akzeptanz und Anerkennung. Auf dem Bett liegen drei Kleider und die jeweils dazu passenden Schuhe ausgemustert vor dem Bodenspiegel. Mein Blick bleibt unwillkürlich an dem Fleck im Teppich hängen, wo Sophie meinen nagelneuen Bronzing-Powder fallen gelassen hat. Ich habe noch ungeschickt versucht, ihn mit einem Kosmetiktuch, das ich in ein Glas abgestandenes Wasser getunkt hatte, wieder wegzuwischen.

Das Kleid, für das ich mich zu guter Letzt entschieden habe, ist neben mir zu einem zerknitterten Haufen verkümmert – stattdessen hab ich mir einen alten Sweater und Leggings angezogen. Unter den Augen hab ich dunkle Make-up-Schmierer, meine Lippen sind spröde, Lippenstiftreste kleben in den Rissen und bluten auf die Haut um meinen Mund.

Ich sitze nur deswegen schon so lange am Boden, weil ich mich nicht bewegen kann. Ich hätte gedacht, mein Herz würde rasen, aber tatsächlich fühlt es sich eher an, als hielte eine eiserne Faust es fest gepackt. Ich bin fast überrascht, dass es überhaupt noch schlägt. Alles passiert in der Geschwindigkeit eines Trauerzugs. Wenn ich meine Hand bewege und mir eine Haarsträhne hinters Ohr schiebe oder irgendwas vom Boden aufhebe, fühlt es sich wie in Zeitlupe an, ganz gleich wie schnell ich bin. Mein Gehirn hat Schwierigkeiten, alles einzuordnen, meine Gedanken schweifen ab, durchforsten schwerfällig die vergangenen Monate, und ich versuche zu begreifen, wie es dazu kommen konnte.

Ich nehme an, es fing vor ein paar Monaten an, als dieses neue Mädchen an unsere Schule kam. Ich hatte die Pause mit Sophie verbracht, die sich mit Claire Barnes und Joanne Kirby unterhielt; ich selbst beteiligte mich kaum. Wir saßen auf der Bank am hinteren Ende des Schulhofs, und die drei hatten ihre Röcke am Bund so oft umgeschlagen, dass sie sie eigentlich genauso gut hätten weglassen können. Am anderen Ende des Schulhofs stand Matt Lewis und gaffte Sophie an. Ich konnte ihm ansehen, was er dachte. Es war der Tag – der erste im Jahr –, an dem man endlich wieder den Frühling riechen konnte. Ich saß am Rand, genoss die Sonne auf meinem Gesicht und hoffte, dass sie nicht von mir erwarteten, etwas zu ihrem Gespräch beizutragen. Der Himmel war unglaublich blau, und Sophie wie auch Claire und Joanne leuchteten regelrecht, ihr schier unfassbar seidiges Haar reflektierte die Sonne, und ihre weiche, goldene Haut schimmerte. Natürlich wussten sie genau, wie sie auf andere wirkten. Dumm waren sie schließlich nicht.

Sophie frischte ihre Wimperntusche auf und redete über einen Jungen, mit dem sie am vergangenen Wochenende bei Claires sechzehntem Geburtstag rumgemacht hatte. Ich war natürlich nicht eingeladen gewesen. Claire und Joanne lassen sich ohnehin nur mit mir blicken, weil ich mit Sophie befreundet bin, und manchmal habe ich das Gefühl, dass auch diese Freundschaft kurz davor ist, mir aus den Fingerspitzen zu gleiten.

»Na ja, wir haben geknutscht und so, und dann … Tja. Was ist das Unangenehmste, das einem Jungen passieren kann? Genau das ist passiert.«

Claire und Joanna kreischten wie am Spieß.

»Oh mein Gott!«, rief Claire. »Wie peinlich! Du weißt, dass ich damals auf Johnnys Party was mit Mark angefangen hab? Wir sind raus aufs Feld, ich sitz da, ihr wisst schon, blas ihm einen, und irgendwie passiert – nichts. Ich schau hoch, und jetzt haltet euch fest: Er war eingeschlafen!«

Sophie und Joanne brachen in Gelächter aus. Ich grinste und tat so, als hätte ich den Witz verstanden. Zumindest weiß ich, was blasen bedeutet, wenn auch nur vage. Ich hab versucht, mir vorzustellen, so was mit jemandem zu machen, sogar mit jemandem, den ich gern mag, aber ich schaff es einfach nicht. Ich hab keinen Schimmer, wie so was funktioniert. Was du mit deinem Mund machst, mit der Zunge … Ich bekam eine Gänsehaut.

Jetzt lehnte sich Claire zu den anderen beiden hinüber, als würde sie ihnen gleich eine entscheidende Weisheit mit auf den Weg geben wollen. »Das ist doch voll in Ordnung bei euch beiden. Immerhin seid ihr erst ganz frisch dabei. Mir geht Sex inzwischen auf den Senkel, wisst ihr – Dan fällt einfach nichts anderes ein. Ihr wisst schon, ich will auch mal in die Stadt fahren, ins Kino gehen oder so.«

Sophie und Joanna überschlugen sich regelrecht, ihr beizupflichten. Es ist schon komisch, Sophie ist immer so cool, so selbstbewusst, aber manchmal, wenn sie mit Claire zusammen ist, dann erkenne ich ihre Achillesferse, die Risse in der Fassade werden sichtbar. Seit einiger Zeit darf ich manchmal mit in die Stadt kommen, dann sind wir als Gruppe unterwegs, aber sobald wir den Fluss erreichen, an dem der Weg zu schmal wird, müssen wir in Zweierreihen weiterlaufen. Und dann spüre ich immer, wie Sophie und Joanne unausgesprochen darum wetteifern, wer von ihnen beiden neben Claire gehen darf und wer mit mir vorliebnehmen muss.

Bis gestern Nacht habe ich noch nie einen Jungen geküsst, und ich weiß noch, dass ich insgeheim gebetet habe, die anderen mögen es nie herausfinden. Sophie weiß Bescheid, aber ich glaube nicht, dass sie es rumerzählt. Zumindest haben sie nie versucht, mich in diese Gespräche mit einzubeziehen. Ich habe einfach immer zu viel Angst, etwas Blödes zu sagen, irgendetwas, womit ich mich verrate und preisgebe, dass ich komplett unerfahren bin. Das meiste, was ich weiß, hab ich in der Just Seventeen gelesen, obwohl die weiß Gott deutlicher sein könnte. Diese Kummerkastentante dort scheint anzunehmen, dass man über ein gewisses Grundwissen verfügt, weshalb sie nur Ausdrücke und Begriffe verwendet, bei denen ich mir wirklich nicht sicher bin. Man könnte meinen, dass so etwas im Aufklärungsunterricht in der Schule durchgenommen wird, aber nein, bislang haben wir uns bloß ein altes Video aus den Siebzigern angeschaut, in dem eine Frau ein Baby zur Welt bringt, bevor dann ziemlich peinlich noch kurz die Rede von Penissen war, die in Vaginen eindringen. Also, das weiß sogar ich. In der einzigen Stunde, die halbwegs vielversprechend hätte werden können, wollte Mrs. Cook uns zeigen, wie man ein Kondom über eine Banane streift. Aber dreimal darfst du raten – am entscheidenden Tag war Mrs. Cook krank, sodass wir es uns von einer aus der Parallelklasse erzählen lassen mussten, die das Ganze eine Woche zuvor durchgenommen hatte.

Das neue Mädchen hieß Maria Weston. Sie sah okay aus, irgendwie wie alle anderen auch, nicht wahnsinnig hübsch, aber auch kein Trampel. Miss Allan hatte Sophie gebeten, sich um Maria zu kümmern, aber Sophie hat es mehr oder weniger dabei belassen, ihr zu zeigen, wo die Klos und die Schulkantine waren. Für den restlichen Tag ließ sie sie links liegen. Daraufhin versuchte Esther Harcourt, mit Maria ins Gespräch zu kommen, aber selbst eine Neue konnte erkennen, dass ausgerechnet Esther mit den geerbten Klamotten und der dicken Brille auf der Nase ihr nicht gerade den Weg zum sozialen Aufstieg an unserer Schule ebnen würde. Schon komisch, wenn ich darüber nachdenke, dass ich in der Grundschule die ganze Zeit mit Esther herumgehangen habe. Ich war gerne bei ihr zu Besuch, weil ihre Mutter uns immer erlaubte, stundenlang durch den Wald zu streunen; andererseits waren sie solche vegetarischen Hippies, dass es zum Abendbrot immer echt komische Sachen gab. Irgendwie fehlt sie mir; wir hatten damals eine Menge Spaß. Aber ich könnte heute nicht mehr mit ihr befreundet sein – das wäre echt ein Albtraum!

Jedenfalls hatte Sophie sich nicht mal in der Mittagspause zu dem neuen Mädchen gesetzt. Esther hatte schon wieder den Rückzug angetreten, weil Maria ihr in der Pause zuvor die kalte Schulter gezeigt hatte. Als ich mich der Essensausgabe näherte, ließ ich wie immer den Blick durch die Kantine schweifen und hielt nach einem Platz Ausschau, an den ich mich setzen wollte. Maria saß allein am Ende eines Tischs, an dessen gegenüberliegendem Ende eine Gruppe Streber Platz genommen hatte, unter anderem Natasha Griffiths (oder »Fresse und Hals«, wie Sophie sie nennt, wegen ihrer orange getönten Foundation im Gesicht und einem ziemlich weißen Hals). Fresse und Hals hielt gerade einen Vortrag über ihren Englisch-Aufsatz. Mr. Jenkins hätte gesagt, wie genial er gewesen wäre, und dass er sie am Ende des Unterrichts noch zu sich gerufen hätte (klar hat er, es weiß doch jeder, dass er ein alter Pädo ist). Ich war schon drauf und dran, an Maria vorbeizugehen, und fragte mich, ob ich mich wohl zu Sophie setzen durfte (sie saß mit Claire und Joanne hinten links an einem Tisch, der aus irgendeinem Grund der coole...


Marshall, Laura
Laura Marshall wuchs in Wiltshire auf und studierte Englisch an der University of Sussex. 2015 fand sie, dass es Zeit sei, sich ihren lebenslangen Traum zu erfüllen – das Schreiben eines Romans. Ihr Debüt »Eiskalte Freundschaft. Ich werde nicht vergessen« wurde bereits vor der Veröffentlichung für den Lucy-Cavendish-Fiction-Preis nominiert. »Drei kleine Lügen« ist Laura Marshalls zweiter Roman bei Blanvalet. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kent.



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