Marshall | Der gewagte Antrag | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

Marshall Der gewagte Antrag

Winterträume voller Sehnsucht
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-095-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Winterträume voller Sehnsucht

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

ISBN: 978-3-95576-095-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auf der Reise zu seinem Landsitz von Banditen überfallen, findet sich Lord Halstead auf Gut Campions wieder - ohne Gedächtnis. Er erinnert sich nicht, wer er ist, und erkennt auch seine bezaubernde Gastgeberin Elinor, Countess of Malplaquet, nicht. Während er sich im winterlichen Yorkshire auf ihrem Gestüt nützlich macht, entbrennt er in heißer Liebe zu der schönen Lady. Und muss sich eingestehen, dass sie für ihn, den Fremden ohne Namen, völlig unerreichbar ist ...



Als Bibliothekarin hatte Paula Marshall ihr Leben lang mit Büchern zu tun. Doch sie kam erst relativ spät dazu, ihren ersten eigenen Roman zu verfassen, bei dem ihre ausgezeichneten Geschichtskenntnisse ihr sehr hilfreich waren. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie fast die ganze Welt bereist. Ihr großes Hobby ist das Malen.

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1. KAPITEL


“Was war nur in dich gefahren, Charles?”, fragte Guy kopfschüttelnd. “Wie konntest du dich so aufführen? Ein solches Verhalten sieht dir doch überhaupt nicht ähnlich! Aber dein Benehmen bei Watier, noch dazu vor Trenchard, war wirklich der Gipfel! Hörst du mir eigentlich zu, Charles? Um vier Uhr nachmittags kannst du doch nicht immer noch betrunken sein!”

Charles Augustus Shadwell, Viscount Halstead, Erbe des dritten Earl of Clermont, einst Captain der Kavallerie unter Wellington und seit fünf Jahren außer Dienst, war bemüht, sich im Bett aufzurichten, doch vergebens. Alles drehte sich ihm vor den Augen; der Mund war ausgetrocknet, und im Magen hatte er ein abscheuliches Gefühl. “Musst du solchen Lärm machen?”, murmelte er und stöhnte laut.

“Lärm?”, wiederholte Guy indigniert. “Und ich habe stets von dir gedacht, du würdest nicht trinken, zumindest nicht seit deinem Eintritt in die Armee! Welcher Teufel hat dich gestern Abend geritten? Ganz London weiß bereits Bescheid, und Trenchard war, was dich nicht wundern darf, längst bei Vater und hat ihm alles brühwarm berichtet.”

“Was denn?”, brummte Charles, setzte sich seufzend auf und merkte, dass er sich nachts in trunkenem Zustand vollbekleidet hingelegt hatte. “Weshalb hältst du mir eigentlich eine Standpauke, Guy? Um Himmels willen, lass die Vorhänge zu, wenn dir noch ein Funke Zuneigung für mich geblieben ist! Im Dunklen geht es mir schon schlimm genug, doch im Hellen …”

“Ach, halt den Mund!”, herrschte Guy ihn an und zog mit einem Ruck die Portièren zurück. Bei Licht betrachtet, bot der stets von ihm verehrte Bruder in der unordentlichen, abstoßend fleckigen Kleidung einen jämmerlichen, bleichen und übernächtigten Anblick. Guy war zutiefst erschüttert und machte keinen Hehl aus seiner Meinung.

Charles versuchte, sich zu entsinnen, was er gesagt oder getan haben sollte, das den im Allgemeinen respektvollen Bruder so gegen ihn aufgebracht haben konnte. Er konnte sich nur erinnern, dass er am vergangenen Nachmittag wutschnaubend und außer sich vor Zorn Miss Mertons Haus verlassen hatte. Danach musste er sich sinnlos betrunken und etwas Furchtbares angestellt haben, das Guys Worten zufolge offenbar einen gewaltigen Aufruhr erzeugt hatte. Doch was das sein konnte, hatte er längst vergessen. Von dem Augenblick an, da die Tür zu Miss Mertons Salon mit lautem Knall hinter ihm zugefallen war, hatte er eine Gedächtnislücke, als sei nie etwas geschehen.

Von Charles enttäuscht, äußerte Guy mit bekümmerter Miene: “Vater will dich umgehend sehen. Du meine Güte, Charles! Warum musstest du das tun, ausgerechnet jetzt, da ihr wieder einigermaßen miteinander auskommt? Und was soll Miss Merton denken, wenn sie die Neuigkeit erfährt?”

“Ich gebe keinen Deut darum, was sie denkt!”, antwortete Charles schroff, stand auf und torkelte zum Pilasterspiegel. Was er sah, verursachte ihm Entsetzen. Die kurzen schwarzen Locken hingen ihm zerzaust in die Stirn; die Augen waren rotgerändert und blutunterlaufen, und das markante, jetzt eingefallen wirkende Gesicht hatte eine ungesunde, beinahe gelbliche Blässe. So, wie er sich im Moment präsentierte, musste er jeden abschrecken. Ihm konnte das nur recht sein, denn je mehr Frauen sich voll Grausen von ihm abwandten, desto wohler war ihm ums Herz. In den vergangenen Jahren hatte er viel zu sehr im Mittelpunkt ihres Interesses gestanden, und jede von ihnen war im Grunde ihres Herzens ein leichtfertiges Weib gewesen. Julia Merton war nur die letzte in dieser lange Reihe gewesen, so wahr Gott ihm helfe.

Guy hörte nicht auf, den Bruder mit Vorwürfen zu überschütten und im Zimmer auf und ab zu gehen.

“Sei endlich still!”, knurrte er barsch und wankte zum Toilettentisch. Er goss kaltes Wasser aus der Porzellankanne in die Waschschüssel und tauchte das Gesicht ein. Vielleicht half es, ihm einen klareren Kopf zu verschaffen, und außerdem entging er des Bruders ewigen Tiraden. Nach einem Moment straffte er sich, schüttelte sich die Nässe aus den Haaren und murrte: “Hab wenigstens die Güte, Guy, mir zu erklären, was ich gemacht habe oder angeblich gesagt haben soll!”

“Von angeblich kann nicht die Rede sein!”, erwiderte Guy erbost. “Ich weiß, wovon ich rede! Schließlich war ich ja da! Und wer, glaubst du, hat dich heimgebracht und Ulric Tallboys davon abgehalten, dich auf der Stelle umzubringen?”

“Meinen herzlichsten Dank!”, knurrte Charles, ergriff den Bruder bei den Schultern und schüttelte ihn kräftig. “Willst du mir jetzt endlich sagen, was ich getan haben soll? Oder muss ich dich so lange beuteln, bis dir die Worte von allein über die Lippen kommen? Ich möchte unverzüglich wissen, wessen ich beschuldigt werde.”

“Das weißt du wirklich nicht?”, wunderte Guy sich keuchend und war froh, dass Charles ihn losließ. “Gestern bist du bei Watier erschienen, warst bereits halbbetrunken und konntest dich kaum noch auf den Beinen halten. Du hast wie ein Verrückter gespielt, und dann …”

“Oje!”, stöhnte Charles auf und sank matt auf das Bett. “Das genügt, Guy. Leider erinnere ich mich nun an alles.”

“Puh, welche Erleichterung!”, murmelte Guy, ging zum Toilettentisch und goss Wasser in ein Glas. Er kehrte zum Bruder zurück, reichte es ihm und forderte ihn auf: “Hier, trink das! Danach wirst du dich wohler fühlen.”

“Nichts kann mir helfen, mich je wieder in Ordnung zu fühlen”, meinte Charles niedergeschlagen. Er bedauerte, dass er schuld war an Guys unübersehbarem Ärger. Mit neunzehn Jahren war der Bruder elf Jahre jünger als er und hatte stets bewundernd zu ihm aufgeschaut. Vielleicht lag es daran, dass sie beide im Äußeren und im Wesen so unterschiedlich waren. Er ähnelte seinem Vater, während Guy blond war, schlank und reichlich schüchtern.

“Ich werde deinem Kammerdiener läuten”, sagte Guy entschlossen. “Du solltest dich herrichten lassen, wenn du zu Vater willst. Im Augenblick siehst du furchtbar zerknittert und mitgenommen aus.”

Charles hatte nichts dagegen, dass der Bruder ihn kommandierte. Guy hatte ihn gern, immer seine Partie ergriffen und auch jetzt nur die besten Absichten.

Einige Zeit später stand er wartend im Gang vor den Gemächern des Vaters, dessen Sekretär ihm mit Leichenbittermiene mitgeteilt hatte, dass Seine Lordschaft noch beschäftigt sei, den Sohn jedoch in Kürze empfangen werde. Er war sicher, dass der Vater ihn absichtlich hinhielt. In Anbetracht dessen, was tags zuvor bei Watier geschehen war, hatte er wohl keine bessere Behandlung verdient. Als der Sekretär ihn schließlich in das Arbeitszimmer bat, war er nicht überrascht, den Vater in starrer Haltung vor dem Schreibtisch stehen zu sehen, hinter dem das wundervolle Porträt der verstorbenen Mutter an der Wand hing.

“Du weilst also wieder unter den Lebenden”, stellte George Shadwell, Earl of Clermont, in ironischem Ton fest. “Stimmt es, was ich von Trenchard gehört habe?”

“Da mir nicht geläufig ist, was er dir berichtet hat, finde ich deine Frage schwer zu beantworten.”

“Lass die Wortklauberei, Charles! Ich spreche von deinem gestrigen Besuch bei Watier. Du hast eine abscheuliche Wette abschlossen und dich über deren Anlass auch noch in der peinlichsten Weise lustig gemacht. Das ist wahrlich nicht das Benehmen, welches ich von meinem Sohn und Erben verlangen kann!”

Seit dem vergangenen Abend hatte Charles' Selbstvertrauen sehr gelitten. Daher unternahm er keinen Versuch, sich zu verteidigen, sondern erwiderte nur verbittert: “Ich habe nie aufgehört, den Tag zu verfluchen, an dem ich dein Erbe wurde. Gott weiß, wie hart ich mich bemüht habe, Fredericks Platz auszufüllen, doch dir kann ich nie etwas recht machen. In deinen Augen ist Frederick unvergleichlich.”

“Was du in der Tat nicht bist!”

Charles hatte den Eindruck, dass er sich nun doch etwas zur Wehr setzen müsse. “So, wie du mich siehst, wohl nicht”, entgegnete er kühl. “Aber Fredericks Tod hat mir nicht nur den Bruder genommen, dem ich in der Erbfolge keineswegs folgen wollte, sondern mich auch meiner Karriere in der Armee beraubt. Beim Militär habe ich mich sehr wohl gefühlt und hatte mir auch bereits einen Namen gemacht. Vergiss das bitte nicht!”

“Ach, was!”, sagte George schroff. “Mein Erbe konnte nicht bei der Kavallerie bleiben, und außerdem ist der Krieg vorbei. Du wurdest hier gebraucht, damit du lerntest, den Besitz vernünftig zu verwalten.”

“Darum habe ich mich nach Kräften bemüht”, erwiderte Charles fest. “In dieser Hinsicht hast du nicht den geringsten Grund zur Klage. Green hat dir gewiss nicht nur über meine Tüchtigkeit berichtet, sondern auch von den in Pinfold eingeführten Neuerungen. Indes, Frederick kann ich natürlich nicht ersetzen, und das ist der wahre Grund, warum es ständig Spannungen zwischen dir und mir gibt. Lediglich in der Zeit, als ich beim Militär war, hatten wir keinen Streit.”

George fand, dass sein Sohn nicht ganz unrecht hatte, ließ sich jedoch nicht anmerken, was er dachte. “Du warst immer ein ungebärdiger, wilder Junge, Charles”, äußerte er und zeigte offen seine Geringschätzung für den zweitältesten Sohn. “Und dann ist aus dir ein zügelloser, eigensinniger Mann geworden. Isabella hast du gegen meinen Willen geheiratet, und du weißt selbst, zu was das geführt hat. Deine …”

Charles spürte, dass ihm das Blut aus den Wangen wich.

“Erspar mir das”, unterbrach er den Vater. “Dafür habe ich wahrlich teuer genug bezahlt. In den fünf Jahren seit Fredericks Tod habe ich mich eines mustergültigen Lebenswandels befleißigt und mich ganz deinen Wünschen gefügt. Warum veranlasst dich der...



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