E-Book, Deutsch, 459 Seiten
Marryat Der Pascha
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3133-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 459 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3133-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Obwohl Marryat für seine Seefahrerromane bekannt war zog es ihn manchmal auch in die Welt der Märchen- und Fantasieliteratur. Wie in diesem Buch in dem ein türkischer Pascha nicht genug bekommen kann von absonderlichen Geschichten ...
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Der Pascha ließ sich Kaffee reichen und zog einige Minuten nachher wieder, von Mustapha und dem bewaffneten Sklaven begleitet, durch die Stadt, um einen Geschichtenerzähler aufzusuchen. Das Glück begünstigte ihn abermals, denn er war kaum eine halbe Stunde gegangen, als er einen lauten Streit hörte. Er rührte von zwei Männern her, welche an der Thüre eines kleinen, von den in der Stadt lebenden Griechen und Franken häufig besuchten Weinhauses standen, nach welchem man manchen Sklaven schleichen und mit einem vollen Kruge für die Abendunterhaltung seines türkischen Gebieters zurückkehren sehen konnte; denn es gab unter den Gläubigen Viele, welche eben so gut, wie ihre Herrscher, heimlich die Gebote des Korans verletzten.
Der Pascha machte Halt, um zu lauschen, und einer der Streitenden rief nun: "Ich sage dir, Anselmo, es ist das schnödeste Gemisch, welches nur jemals getrunken wurde, und ich denke ich muß es wohl wissen, nachdem ich die Essenz eines Aethiopiers, eines Juden und eines Türken destillirt habe."
"Ich kümmre mich wenig um deine Destillate, Charis," versetzte der Andere, "und betrachte mich als einen weit bessern Sachverständigen, als Du bist. Ich bin nicht fünfzehn Jahre Dominikaner-Mönch gewesen, ohne den Werth aller Arten von Weinen kennen zu lernen."
"Ich möchte doch wissen, was der Kerl mit dem Destilliren von Leuten meint, bemerkte der Pascha, "und warum ein Dominikanermönch sich besser auf Weine verstehen soll, als andere Personen. Mustapha, du mußt diese zwei Männer zu mir bringen."
Am andern Morgen wurden sie vorgestellt, und der Pascha verlangte eine Aufklärung von dem, der zuerst gesprochen hatte. Der Mann warf sich vor der durchlauchtigen Hoheit nieder, berührte mit dem Kopf den Boden des Divans und sagte:
"Durchlauchtige Hoheit, versprecht mir zuerst, bei dem Schwerte des Propheten, daß mir nichts Leides geschehen soll, wenn ich Eurem Befehle willfahre, und dann will ich Euch mit Vergnügen gehorchen."
"Maschallah! Vor was fürchtet sich der Kafir? Welche Verbrechen hat er begangen, daß er Begnadigung verlangt, ehe er seine Geschichte erzählt?" sagte der Pascha zu Mustapha.
"Kein Verbrechen gegen Euren Staat, durchlauchtige Hoheit; aber in einem andern Lande bin ich unglücklich gewesen," fuhr der Mann fort. – "Ich kann meine Geschichte nicht erzählen, wenn sich Eure Hoheit nicht herabläßt, mir das Versprechen zu geben."
"Eure Hoheit mag es immerhin thun," bemerkte Mustapha, "da er behauptet, sein Verbrechen sey in einem andern Staate begangen worden. Vielleicht ist es schwer, und ich vermuthe fast, daß sich's um einen Mord handelt. Aber obgleich wir die Blumen beschützen, welche unsere Gärten ziehen, und diejenigen bestrafen, welche sie knicken, so kümmern wir uns doch nicht darum, wer unsere Nachbarn belästigt und beraubt. Ein gleiches Verhältnis trifft meiner Ansicht nach bei den Staaten zu, durchlauchtige Hoheit, und es genügt für die Herrscher, wenn sie über das Leben ihrer eigenen Unterthanen wachen."
"Sehr wahr Mustapha," erwiederte der Pascha. "Ausserdem möchten wir die Geschichte nicht gerne verlieren. Kafir, du hast unser Versprechen und magst fortfahren."
Der griechische Sklave (denn dies war er) stand sodann auf und erzählte seine Geschichte in folgenden Worten:
Geschichte des griechischen Sklaven
Ich bin ein Grieche von Geburt, und meine Eltern waren arme Leute, die zu Smyrna wohnten. Als einziger Sohn wurde ich zu dem Gewerbe meines Vaters, der ein Küfer war, erzogen. Als ich zwanzig Jahre zählte, hatte ich bereits meine Eltern begraben, und ich mußte nun für mich selbst sorgen. Eine Zeitlang stand ich im Dienste eines jüdischen Weinhändlers und blieb bei demselben drei Jahre nach meines Vaters Tode, bis sich ein Umstand zutrug, der zu meinem spätern Wohlstand und meiner nunmehrigen Herabwürdigung führte.
Um die Zeit, von der ich spreche, hatte ich durch Fleiß und Nüchternheit so sehr das Vertrauen meines Brodherrn gewonnen, daß er mich zu seinem Obergehülfen machte, und obgleich ich noch immer die Aufsicht führte und hin und wieder auf dem Küfergewerke arbeitete, wurde mir doch vorzugsweise das Abziehen und Verfeinern der Weine, um sie für den Markt vorzubereiten, überlassen. Wir hatten einen äthiopischen Sklaven im Hause, der unter mir arbeitete, – einen kräftigen, breitschulterigen und höchst boshaften Kerl, den mein Herr fast unmöglich zu bändigen wußte; denn er lachte über die Bastonade wie über jede andern Züchtigung und wurde hintendrein nur unzufriedener und starrsinniger als je. Wenn ich seiner Nachlässigkeit auf den Sprung kam, so leuchtete aus seinen Augen ein so drohendes Feuer, daß ich jeden Tag von ihm ermordet zu werden erwartete, und ich lag meinem Herrn wiederholt an, er möchte ihn aus dem Hause schaffen. Aber der Aethiopier war ein sehr kräftiger Mensch und konnte, wenn er wollte, ein Pipe Wein ohne Beistand weiter tragen, weßhalb sich der geizige Jude nicht bewegen ließ, meinen vielen Bitten Gehör zu schenken.
Eines Morgens trat ich in die Küferei und fand den Aethiopier an der Seite eines Fasses eingeschlafen, das ich schon seit einiger Zeit brauchte und bereit zu finden hoffte. Da ich mich scheute, ihn selber zur Strafe zu ziehen, so holte ich meinen Herrn herbei, damit er Zeuge des ungebührlichen Benehmens sey. Der Jude, über seine Trägheit erbost, schlug ihn mit einer der Dauben auf den Kopf. Der Aethiopier sprang wüthend auf; als er jedoch seinen Gebieter mit der Daube in der Hand dastehen sah, so begnügte er sich, vor sich hinzumurmeln, daß er sich nicht in dieser Weise schlagen lasse, und nahm seine Arbeit auf. Sobald mein Herr die Küferei verlassen hatte, ergoß der Aethiopier seinen Grimm gegen mich, weil ich ihn angegeben hätte, ergriff eine Daube und stürzte auf mich zu, um mir das Gehirn einzuschlagen. Ich schlüpfte hinter das Faß: er folgte mir, und ich hatte eben zu meiner Selbstverteidigung nach einem Dächsel gegriffen, als er über den Schemel fiel, der ihm in dem Wege lag. Er sprang wieder auf, um den Angriff zu erneuern, und nun versetzte ich ihm mit dem Dächsel einen Schlag, der ihm den Schädel zerschmetterte und ihn todt zu meinen Füßen hinstreckte.
Ich erschrack sehr über den Vorfall; denn obgleich ich nur aus Nothwehr gehandelt hatte, wußte ich doch wohl, daß der Herr über den Verlust des Sklaven sehr zürnen würde, und da keine Zeugen zugegen gewesen waren, so konnte es mir schlimm ergehen, wenn ich vor den Kadi gebracht wurde. Nach einiger Ueberlegung entsann ich mich der Worte des Sklaven, daß er sich nicht so schlagen lasse, und beschloß, die Leiche zu verbergen und meinen Herrn auf den Glauben zu bringen, daß er entlaufen sey. Freilich war dies einen große Schwierigkeit, da ich ihn nicht unbemerkt aus der Küferei fortschaffen konnte. Nach einigem Ueberlegen kam ich auf den Gedanken, ihn in das Faß zu stecken und dasselbe wieder aufzustellen. Ich mußte zwar aller meiner Kraft aufbieten, um die Leiche hineinzubringen, aber endlich gelang es mir doch. Nachdem ich den Deckel aufgesetzt und die Reife hinab gehämmert hatte, rollte ich das Faß in das Magazin, wo es für das Bedürfniß des nächsten Jahres mit Wein gefüllt werden sollte. Sobald es dort stand, pumpte ich den Wein aus der Kufe, füllte das Faß und schlug den Spund ein. Es war mir damit eine schwere Last von der Seele genommen, denn ich hatte jetzt wenigstens keine augenblickliche Entdeckung zu befürchten.
Kaum war mein Geschäft abgethan, als mein Herr hereinkam, und nach dem Sklaven fragte. Ich antwortete ihm, er habe die Küferei verlassen und hoch und theuer geschworen, daß er nicht mehr arbeiten wolle. Der Jude, welcher ihn zu verlieren fürchtete, beeilte sich, den Behörden Nachricht zu geben, damit man ihn wieder aufgriffe; aber da man geraume Zeit nichts mehr von dem vermeintlich Entlaufenen hörte, so glaubte man, er habe sich aus Trotz ersäuft, und Niemand dachte mehr an ihn. Mittlerweile fuhr ich fort, wie zuvor zu arbeiten, und da mir die Obhut über Alles vertraut war, so zweifelte ich nicht, zu gelegener Zeit die Mittel zu finden, um die Belästigung ruhig bei Seite zu bringen.
Im nächsten Frühjahr war ich eben beschäftigt, nach unserem Brauch Wein aus einem Fasse in das andere zu pumpen, als der Janitscharen Aga hereinkam. Er war ein großer Weinkenner und einer unserer besten Kunden. Da man seine sämmtliche Dienerschaft kannte, so ließ er den Wein nicht durch sie holen, sondern kam selbst in das Magazin, um sich ein Fäßchen auszulesen. Dies wurde dann von acht starken Sklaven in einer Sänfte, deren Vorhänge niedergelassen waren, fortgeschafft, damit man meinen sollte, er habe einen neuen Ankauf zu Vergrößerung seines Harems gemacht. Mein Herr zeigte ihm die Fässer, welche für den Markt desselben Jahres vorbereitet worden waren und in zwei Reihen dastanden; ich brauche kaum zu bemerken, daß das, welches den Aethiopier enthielt, nicht in die vorderste gehörte. Nachdem der Aga ein paar Pröbchen gekostet hatte, die ihm nicht zuzusagen schienen, bemerkte er: "Freund Issaschar, Dein Stamm will stets wo möglich die schlechtste Waare zuerst absetzen, und ich glaube daher, daß Du die besseren Sorten in der zweiten Reihe, nicht aber in der hast, welche Du mir da empfehlen willst. Laß Deinen Griechen den Heber in dieses Faß setzen," fuhr er fort, indem er auf dasselbe...




