Maly | Mord auf der Donau | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Ernestine Kirsch und Anton Böck

Maly Mord auf der Donau

Historischer Kriminalroman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-419-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Ernestine Kirsch und Anton Böck

ISBN: 978-3-96041-419-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein feinsinnig-unterhaltsamer Kriminalroman im Stil von Agatha Christie.

ENTLANG DER DONAU, 1923: Auf einem Luxusdampfschiff, das von Wien nach Budapest fährt, stirbt ein Gast. Zuerst sieht es aus, als wäre ihm die Szegediner Fischsuppe nicht bekommen, doch die pensionierte Lehrerin Ernestine Kirsch und ihr Freund Anton Böck haben ihre Zweifel: Einige der Schiffspassagiere scheinen ein Motiv für einen Mord zu haben. Gemeinsam gehen sie der Sache auf den Grund – und damit dem Mörder fast in die Falle.

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PROLOG
Ungarn, 1873 Orangerot flimmerte die Sonne über der ockerfarbenen Steppe und tauchte die ungarische Puszta in ein sanftes, spätsommerliches Licht. Eine leichte Brise bewegte trockene Halme und brachte sie zum Knistern. Insekten schwirrten über der dunkelbrauen Erde, Grillen zirpten im Gras. In der Ferne weidete eine Schafherde träge neben einem der vielen Ziehbrunnen, deren schmale Silhouetten charakteristisch für die schier endlose Weite der Landschaft waren. Gleich neben dem Brunnen befand sich ein Gebiet, das von den Bewohnern der Gegend liebevoll »Eichenwäldchen« genannt wurde. Niemand wusste, woher der Name stammte, denn seit Menschengedenken wuchsen dort keine Eichen mehr. Hüfthohes Gebüsch, winzige Blüten in Lila und Weiß sowie niedrige Erlen, deren faustdicke Stämme mit einem einzigen Axthieb eines kräftigen Mannes umgehauen werden konnten, prägten das Bild. Dennoch zog der Landschaftsstreifen mehr Menschen an als die übrige Puszta. Hinter den Erlen gab es ein riesiges Pferdegestüt und zwei Bauernhöfe. Vor einem der einfachen Gebäude, in dessen dichtem Schilfdach sich Insekten tummelten, spielte die fünfjährige Ilona. Wie immer war sie sich selbst überlassen. Ilona war nicht die Tochter der Bauern, sondern bloß ein Pflegekind, von dem niemand so recht wusste, wer die leiblichen Eltern waren. Kurz nach ihrer Geburt hatte ein junger Bursche sie am Hof abgegeben und für ihre Versorgung Geld versprochen. Besucht oder nach dem Mädchen erkundigt hatte sich in all den Jahren nie jemand. Alle vier Wochen kam, wie vereinbart, ein absenderloses Kuvert, in dem sich eine bescheidene Summe befand. Mit dem Zusatzverdienst hatte die Bäuerin zwei neue Legehühner und vor ein paar Wochen eine Ziege gekauft. »Solang ich die Briefe erhalte, kannst du hierbleiben«, sagte die Bäuerin regelmäßig. Ilona wusste also, dass sie den Hof verlassen musste, sobald ihre Post ausbleiben würde. Im Moment stampfte die Bäuerin Butter in der Küche. Der Bauer war am Feld, gemeinsam mit zwei Knechten. Meistens nahm er Ilona mit, dann musste sie genau wie die Erwachsenen das Gras mit einer Sichel schneiden, die für ihre jungen Hände viel zu groß war, Saat ausbringen oder bei der Ernte mithelfen. Heute war sie am Hof geblieben, weil der Bauer einen Zaun ausbesserte. »Dabei bist du bloß im Weg«, hatte er gemeint. Ilona war es recht. Jetzt hockte sie in ihrem alten, löchrigen Kleid auf dem staubigen Boden und zog mit einem Stecken Endlosschleifen in den Sand. Die Spuren verliefen zuerst zu kleinen konzentrischen Kreisen, um dann wieder größer zu werden. Das Muster, das sich bildete, war dem auf der Töpferscheibe ähnlich, die im hintersten Schuppen stand. Manchmal drehte Ilona das verstaubte Gerät. Sie mochte das knarrende Geräusch, das dann ertönte. Es klang beinahe wie Musik. Natürlich wagte Ilona sich nur an die Scheibe, wenn sicher war, dass niemand sie sehen konnte. Hätte die Bäuerin sie dabei erwischt, hätte sie mit dem Kochlöffel zugeschlagen oder schlimmer noch mit der Peitsche. Die Strafen der Bäuerin waren brutal. Ilonas schmaler Rücken war mit blauen Flecken und roten Striemen übersät. Mittlerweile spürte sie es kaum noch, wenn die Alte zuschlug. Nur wenn die Bäuerin besonders grausam war und darauf bestand, dass Ilona ihr Kleid auszog, und die feine Haut bei jedem ihrer Hiebe aufplatzte, brannten die Wunden oft tagelang. Ilona hielt im Zeichnen inne und presste beide Hände fest gegen ihren Magen. Er knurrte laut. Seit dem Frühstück hatte sie kein Essen bekommen. Das war nicht ungewöhnlich. Ilona kannte kein Gefühl der Sättigung. Sie hatte immer Hunger. Als Pflegekind hatte sie kein Anrecht auf eigene Mahlzeiten. Zumindest behauptete der Bauer das. Sie sei der Abschaum der Gesellschaft. Ein Balg, den die eigenen Eltern nicht haben wollten. Ilona wusste nicht, was der Abschaum der Gesellschaft war, aber sie spürte, dass sie weniger wert war als das Vieh am Hof. Während die Ziegen regelmäßig gefüttert wurden, musste sie sich mit den Abfällen der anderen zufriedengeben. Manchmal gab es mehr, meist aber weniger. Heute Morgen war ihre Portion besonders bescheiden ausgefallen. Sie hatte lediglich eine winzige Kante trockenen Brotes erhalten. Aber Ilona war schlau. Wenn sie nicht mit aufs Feld musste, schlich sie sich, sobald der Bauer und die Knechte weg waren, in den Stall. Wenn sie Glück hatte, fand sie noch einen kleinen Rest Milch im Eimer. Heute war er allerdings völlig leer gewesen. Die rot gefleckte Hofkatze war ihr zuvorgekommen. Ein leises Brummen ließ Ilona aufschrecken. Zwei fette schwarze Fliegen surrten an ihrer Nase vorbei. Ilona schüttelte den Kopf und verscheuchte sie mit der Hand. Doch die Insekten waren hartnäckig. Eine Fliege setzte sich auf ihre Schulter, die andere auf ihren nackten Unterarm. Rasch sprang Ilona auf. Die Bewegung war zu schnell, sofort wurde ihr schwindelig. Auch dieses Gefühl war ihr nicht fremd. Es passierte immer dann, wenn sie den ganzen Tag über nichts getrunken hatte. Normalerweise schöpfte Peter, der alte Knecht, Wasser aus dem Ziehbrunnen für sie. Aber heute hatte er es vergessen. Ilona könnte die Bäuerin fragen, aber wenn die schlecht gelaunt war, und das war sie beim Butterstampfen immer, würde sie bloß laut schimpfen. Sie würde gewiss wütend reagieren, wenn Ilona sie in ihrer Arbeit unterbrach. Ilona selbst war noch zu klein, um den Brunnen zu bedienen. Auch wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte und streckte, konnte sie den Hebel des Ziehbrunnens nicht erreichen. Sie hatte es erst vorgestern probiert. In einem Jahr, wenn sie ein paar Zentimeter größer war, würde sich dieses Problem gelöst haben. Ilona hielt die Hand schützend über ihre Augen und blinzelte in die Ferne. Die Sonne stand bereits tief. Bald würden der Bauer und die Knechte zurückkehren. Mit etwas Glück fielen beim Abendessen mehr Reste für sie ab als heute Morgen. Wenn Peter sie bemerkte, langte er noch einmal nach und schob seine eigene Schüssel zu Ilona. Der alte Knecht mit dem faltigen Gesicht und dem gekrümmten Rücken war der Einzige am Hof, der hin und wieder freundlich zu ihr war. Aber Peter sah nicht mehr gut, und er war beinahe taub. Meistens bekam er gar nicht mit, dass Ilona hungrig war. Aus der Küche roch es verführerisch nach gerösteter Zwiebel und Paprika, im großen Suppentopf der Bäuerin kochte seit Stunden ein Gulasch. Wenn die Männer vom Feld kamen, würden die Fleischstücke so weich sein, dass man sie mit der Zunge am Gaumen zerdrücken konnte. Ilona hoffte inständig, ein paar Happen zu erwischen. Als sie sich umdrehte, nahm sie einen vorbeiziehenden Schatten neben sich wahr. Die Rotgefleckte sprang vom Stalldach und kam mit aufgestelltem Schwanz und geschmeidigen Bewegungen auf sie zu. Ilona mochte die Katze, die ihr nicht feindlich gesinnt war. Aber ähnlich wie Peter war auch die Katze launisch. An manchen Tagen ließ sie sich streicheln und schnurrte behaglich, und in besonders kalten Nächten kam sie zu Ilona in den Stall und schmiegte sich an ihren mageren Körper. Dann wieder kehrte sie ihr den Rücken zu und lief weg, sobald Ilona sich ihr nähern wollte. Heute schien einer der Tage zu sein, an denen die Katze zutraulich war. Sie umrundete Ilonas nackte Beine. Ihr weiches Fell kitzelte ihre Waden. Ilona bückte sich, um die Katze hinter den Ohren zu kraulen, aber die Rotgefleckte wich geschickt aus und lief Richtung Stall. Schon nach wenigen Metern blieb das Tier stehen und drehte sich nach Ilona um, so als wollte sie das Mädchen dazu auffordern, ihr zu folgen. Bereitwillig warf Ilona den Stecken weg und lief dem Tier hinterher. Die Katze bewegte sich schnurstracks auf den Kuhstall zu und verschwand hinter dem schiefen Holztor. Nach der prallen Sonne war es im fensterlosen Gebäude düster. Durch die Ritzen der Holzlatten drang noch ein wenig Tageslicht. Es roch nach frischem Heu und dem scharfen Urin der Tiere. Nach kurzer Zeit gewöhnten sich Ilonas Augen an das Halbdunkel. Sie wusste, dass zwei Kühe im hinteren Teil des Stalls waren. Die Bäuerin hatte sie heute Morgen nicht rausgelassen. Als Ilona sich den riesigen Tieren näherte, hoben sie träge den Kopf, ohne dabei ihre Kaubewegungen zu unterbrechen. Die Rotgefleckte sprang leichtfüßig auf einen Futtertrog und balancierte problemlos über den schmalen Rand. Wieder vergewisserte sie sich, dass Ilona hinter ihr war. Am Ende des Trogs hielt die Katze inne. Ihre Nase beschnupperte einen Gegenstand am Boden. Ilona konnte noch nicht erkennen, worum es sich handelte. Mit flinken Schritten erreichte sie die Katze und konnte ihr Glück kaum fassen. Da stand ein halb voller Eimer Milch. Eine der Mägde musste ihn vergessen haben. Vielleicht war sie zu einer anderen Arbeit gerufen worden. Vorsichtig drehte Ilona sich um. Niemand war ihr gefolgt. Bis auf die Katze und die beiden Kühe war sie allein im Stall. Keiner würde bemerken, wenn sie ein paar Schlucke der warmen, süßen Milch trank. Aber der Eimer war schwer. Viel zu schwer für eine Fünfjährige. Ilona kniete sich auf den Boden. Das Heu stach in ihre nackten Knie, doch sie nahm es kaum wahr. Die Vorfreude auf die Milch war zu groß. Sie fasste mit beiden Händen in den Eimer. Ihre kurzen Kinderfinger durchbrachen die dicke Fettschicht, die sich auf der Milch gebildet hatte. Darunter befand sich lauwarme, sämige Flüssigkeit. Gierig formte Ilona eine Schale mit den Händen und führte sie zum Mund. Der süße Rahm schmeckte nach Heu, Fett und Kuh. Aus ihren Mundwinkeln tropfte die Milch auf ihr Kleid. Hastig wischte Ilona die Flecken mit dem Ellbogen weg. Eine Milchspur rann über ihren Unterarm. Die Rotgefleckte kam näher und schleckte mit ihrer rauen Zunge die Tropfen weg. So als wollte die Katze die verräterischen Spuren beseitigen, um...


Beate Maly wurde 1970 in Wien geboren, wo sie bis heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt. Zum Schreiben kam sie vor rund 20 Jahren. Zuerst verfasste sie Kinderbücher und pädagogische Fachbücher. Seit rund zehn Jahren widmet sie sich dem historischen Roman und seit 'Tod am Semmering' auch dem Kriminalroman.



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