Maly | Mord auf dem Eis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ernestine Kirsch und Anton Böck

Maly Mord auf dem Eis

Historischer Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-789-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ernestine Kirsch und Anton Böck

ISBN: 978-3-96041-789-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein wunderbarer Schmökerkrimi aus dem verschneiten Wien der 20er Jahre.

Winter 1924: Während die Stadt im Schnee versinkt, verbringen Ernestine und Anton viel Zeit im Wiener Eislaufverein und vergnügen sich beim beliebten Rundtanz. Doch die winterliche Idylle wird jäh zerstört, als eine junge Eiskunstläuferin ermordet wird. Ernestines und Antons detektivisches Gespür ist gefragt, und die beiden stürzen sich in einen neuen Fall, der erschütternder nicht sein könnte.

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PROLOG Wien, Winter 1899 Die elektrische Lampe neben dem Schminktisch war wieder einmal ausgefallen. Während die Hausarbeiter penibel darauf achteten, dass die Bühne, der Publikumssaal und die Logen des Theaters ausreichend beleuchtet waren, schien es egal zu sein, wie viel Licht den Künstlern in ihren Garderoben zur Verfügung stand. Anastasia hatte eine der alten Petroleumlampen entzündet, die griffbereit neben den Kostümen lagerten. Nun stand die Lampe zwischen Parfümflaschen, Cremetiegeln und Pinseln auf ihrem überfüllten Tisch. Der flackernde Lichtstrahl ließ ihr geschminktes Gesicht im matten Spiegel fremd aussehen. Nach der zweistündigen Aufführung war sie müde. Auch wenn sie bloß eine Nebenrolle in Johann Strauss’ Operette »Wiener Blut« getanzt hatte, war der Abend anstrengend gewesen. Die meisten ihrer Kolleginnen waren schon auf dem Heimweg. Viele würden sich zu Hause waschen und abschminken. Anastasia war geblieben. Die Bassena am Gang in ihrem Wohnhaus war wieder einmal kaputt. Heute Morgen waren nur ein paar rostig braune Tropfen aus dem Wasserhahn gekommen. Mit einem feuchten Tuch wischte sie den dunklen Kohlestift von ihren Augen und entfernte die absurd kirschroten Kreise auf ihren Wangen. Der Schweiß hatte die kräftigen Farben ineinanderfließen lassen. Dann nahm sie das alberne Krönchen vom Kopf und löste den strengen Knoten ihres Haars. Es war jedes Mal eine Befreiung. So als würde man ein enges Korsett aufschnüren und wieder richtig durchatmen können. Ihre fülligen Locken fielen in weichen Wellen auf ihre Schultern und umrahmten ihr schmales Gesicht. Der matte Rest des Kohlestifts ließ ihre Augen leuchten und geheimnisvoll erscheinen. Sie war eine schöne Frau, das wusste sie. Anastasia hatte es oft genug gehört. Selbst der Theaterdirektor hatte beim Vortanzen kein Blatt vor den Mund genommen. »Tänzerinnen mit Ihrem Talent gibt es wie Sand am Meer. Aber Frauen, die so aussehen wie Sie, nach denen muss man suchen. Ich gebe Ihnen ein fixes Engagement.« Anastasia war sich bewusst, dass sie es niemals an die Spitze des Ensembles schaffen und immer in der zweiten Reihe tanzen und singen würde. Die Anstellung hatte ihr in den letzten Jahren ein geregeltes Einkommen gesichert. Bald würde Anastasia nicht mehr auf die mickrigen Zahlungen angewiesen sein. Sie hatte dem Drängen einer ihrer Bewunderer nachgegeben und sich verlobt. Ihr Zukünftiger war ein vornehmer Herr, der sich galant um sie bemüht hatte. Leider waren nicht alle ihre Verehrer aus diesem Holz geschnitzt. Es gab auch die Aufdringlichen und jene, vor denen man sich als Frau in Acht nehmen musste. Erst letzte Woche war ihre Kollegin Louise von einem Oberstleutnant der Kavallerie nach der Vorstellung in einem der Separees im Sacher vergewaltigt worden. Sie war nicht die Einzige, der so etwas widerfuhr. Anastasia hatte sich schon einige Male gegen körperliche Übergriffe zur Wehr setzen müssen. Es war das Los der Sängerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen. Solange sie auf der Bühne der kaiserlichen und privaten Theater und Hofopern standen, waren sie geschätzte Künstlerinnen, denen man Beifall entgegenbrachte. Sobald sie die Bühne verließen, waren sie für viele nicht mehr wert als einfache Prostituierte. Dass Katherina Schratt, die langjährige Geliebte des Kaisers, eine Schauspielerin war, hatte daran nichts verändert. Im Gegenteil, in den Augen der Männer waren Tänzerinnen Freiwild, dem auch der Kaiser nicht widerstehen konnte – hoch bewundert und heiß begehrt, aber rechtlos und der Lust der Männer ausgeliefert. Zum Glück waren die Schattenseiten des Künstlerinnendaseins für Anastasia bald Geschichte. Sie tauschte die Bühne gegen Sicherheit, Wohlstand und gesellschaftliche Anerkennung ein. Ein gutes Geschäft, angesichts der Tatsache, dass sie in einer feuchten Ein-Zimmer-Wohnung ohne Wasser und Elektrizität wohnte. Anastasia stand auf. Ihr Blick fiel auf die langstieligen Rosen auf dem Hocker neben ihr. Seit vier Wochen erhielt sie jeden Abend Blumensträuße, Pralinen und Briefe von einem Unbekannten. Anfangs hatte sie die Briefe gelesen, mittlerweile zerknüllte sie die Kuverts und warf sie ungeöffnet in den Papierkorb. Es waren unverschämte, obszöne Worte, perverse Phantasien, die ihr die Schamesröte ins Gesicht trieben. Dabei war sie wirklich nicht prüde, naiv oder unerfahren. Sie hatte sich in den letzten Jahren an einiges gewöhnt. Doch diese Schreiben waren anders. Sie jagten ihr Angst ein. Die Art, wie der Unbekannte ihren Körper beschrieb und seine Wünsche in Worte fasste, unterschied sich von allen Briefen, die sie je erhalten hatte. Es war, als würde er sie ständig beobachten. Er war über all ihre Schritte informiert, kannte jeden Zentimeter ihres Körpers. Sogar vom Muttermal an einer sehr diskreten Stelle wusste er. Zuerst hatte Anastasia begonnen, ihr Fenster mit einem dicken Tuch zu verhängen. Niemand sollte ihr zusehen können, wenn sie sich auszog und wusch. Trotzdem hatte der Unbekannte im nächsten Brief in allen Einzelheiten beschrieben, wie sie dabei vorging. So, als hätte er durch ihr Schlüsselloch geschaut. Mit jedem Geschenk wuchs Anastasias Unbehagen. Der Mann kannte so viele Details aus ihrem Leben, dass es nur eine Erklärung geben konnte: Er beschattete sie Tag und Nacht. Anastasia hatte die Briefe ihrer Kollegin Emmi gezeigt, die mit einem Polizeibeamten befreundet war. Emmi hatte ihr geraten, die Briefe zum nächsten Revier zu bringen. Doch Anastasia fürchtete, dass sie dort keine Unterstützung erfahren würde. Im besten Fall belächelte man sie mitleidig, im schlimmsten erklärte man ihr mit obszönem Grinsen, dass sie als Tänzerin nichts anderes erwarten durfte und sich über das Interesse freuen sollte. Natürlich verriet der Schreiber der Briefe seinen wahren Namen nicht. Er nannte sich »Rosenkavalier«, was wenig originell war. Seit Wochen begegnete Anastasia männlichen Zeitgenossen in ihrer Umgebung mit Argwohn. Mittlerweile verdächtigte sie jeden, der sie länger ansah, als notwendig war. Der kleine dicke Beamte, der jeden Abend in der ersten Reihe saß und sie anhimmelte, kam ebenso in Frage wie der Kadett, der sich bloß einen Stehplatz leisten konnte und stets auch dann noch applaudierte, wenn der Vorhang längst gefallen war. Im Grunde konnte jeder Mann ihr diese Briefe schicken. Der Briefträger, der ihre Post brachte, oder der Bäcker, bei dem sie jeden Morgen ihre Semmeln kaufte. Wobei die beiden Letzten wohl kaum genug Geld für langstielige Rosen hatten. Anastasia schraubte das Glas mit der Creme zu und stellte es zurück auf den Schminktisch. Dann schlüpfte sie aus ihrem Kostüm und zog ihre Unterröcke und ihr Kleid an. Sie verzichtete auf das Korsett. Auf dem Weg nach Hause hatte sie einen Mantel an. Niemand würde sie sehen. Als sie fertig war, nahm sie die Rosen vom Hocker. Wie jeden Abend trug sie den Strauß zu Franz, dem Portier. Er hockte neben dem Eingang und wartete darauf, dass er endlich absperren und in seine Dienstwohnung humpeln durfte. Er hatte als junger Bursche in der Schlacht von Solferino seinen rechten Unterarm verloren. Seither steckte der Ärmel seines Arbeitsmantels leer in der Tasche. »Für Ihre Frau«, sagte Anastasia. »Mei, die Poldi weiß schon gar nimmer, was sie mit all den Blumen anfangen soll«, antwortete er und klang enttäuscht. »Die Bonbonniere war ihr lieber.« Anastasia konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie bezweifelte, dass die Poldi das teure Demelkonfekt jemals sah. Viel eher vermutete sie, dass die Süßigkeiten in Franz’ Magen landeten. Ihr war es egal, Hauptsache, sie war die unliebsamen Geschenke los. Sie winkte Franz zum Abschied, wünschte ihm eine Gute Nacht und verließ das Carltheater auf der Praterstraße. Jenes Traditionshaus, das vom berühmten Schauspieler Carl gekauft worden war. Dem Künstler, der Johann Nestroy zu großem Ruhm verholfen hatte, war es gelungen, das Carltheater innerhalb weniger Jahre in eine der angesagtesten Bühnen Wiens zu verwandeln. Eisiger Wind blies Anastasia ins Gesicht. Sie zog den Mantel enger und lief schnell über die Praterstraße stadteinwärts Richtung Donaukanal. Anastasia war erschöpft. Sie wollte nur noch eins: rasch nach Hause und in ihr Bett. Die Prachtstraße, auf der sich untertags die Wiener und Wienerinnen tummelten, wo sie in einem der vielen Gastgärten der Kaffeehäuser eine Melange oder einen kleinen Braunen genossen, war nun beinahe menschenleer. Anastasia bog in die Zirkusgasse, die ihren Namen dem Zirkus Renz verdankte. Das große Gebäude war jedoch der einzige Prunkbau in der sonst schäbigen Gasse. Hier war nichts vom Glanz der Praterstraße zu spüren. Abseits vom Zirkus standen alte, baufällige Häuser dicht beisammen. Große Abstände gab es nur zwischen den Straßenlaternen, die allesamt mit Gas betrieben wurden. Anastasia beschleunigte ihre Schritte. Ihre Absätze hallten laut vom würfeligen Pflaster wider. Die Geräusche verloren sich in der Dunkelheit der Nacht. Waren da noch andere, festere Tritte zu hören? Sie blieb stehen, lauschte und drehte sich um. Tatsächlich, sie wurde verfolgt. Nun hielt auch ihr Verfolger an. Ein Mann stand direkt neben einer der Gaslaternen. Das fahle Licht fiel auf sein kantiges Gesicht. Für einen Moment setzte Anastasias Herz aus. Die Erkenntnis fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Wie hatte sie so blind sein können? Sie hatte das Offensichtliche nicht sehen wollen. In den letzten Wochen war sie ihm mehrere Male begegnet. Er war ein Wolf im Schafspelz. Die Gier in seinen Augen ließ ihr Blut in den Adern gefrieren. Auch die hatte sie nicht wahrhaben wollen. Anastasia wog ihre Möglichkeiten ab. Sollte sie um Hilfe rufen? Laut schreien? Einen Skandal provozieren? Aber würde sie überhaupt jemand hören?...


Beate Maly wurde 1970 in Wien geboren, wo sie bis heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt. Zum Schreiben kam sie vor rund 20 Jahren. Zuerst verfasste sie Kinderbücher und pädagogische Fachbücher. Seit rund zehn Jahren widmet sie sich dem historischen Roman und seit "Tod am Semmering" auch dem Kriminalroman. 2019 war sie mit "Mord auf der Donau" für den Leo-Perutz-Preis nominiert.

www.beatemaly.com



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