Mahrt | Schicksalstage am Deich | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Mahrt Schicksalstage am Deich

Nordsee-Roman
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7583-4939-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Nordsee-Roman

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

ISBN: 978-3-7583-4939-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei Frauen und ein Haus am Meer "Überraschend erbt Katharina eine Pension am Deich. Gegen den Willen ihrer Familie verwirklicht sie ihren Traum vom Leben am Meer. Doch schnell holt sie die Vergangenheit ein. Welches dunkle Geheimnis steckt hinter der Erbschaft? Wem kann sie noch vertrauen? Nur ihr Jugendfreund Ole unterstützt sie. Ein Buch über die Kraft der Liebe und die Sehnsucht nach dem Meer."

Silke Mahrt studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Braunschweig und Hamburg. Heute lebt, arbeitet und schreibt sie in Bad Oldesloe. Ihre Themen sind starke Frauen und gesellschaftliche Anforderungen, die das Leben jeder Einzelnen prägen. Weitere Bücher von Silke Mahrt: "Das Leben ist kalt" BoD 2020, "Harzer Sühne" EPV 2023 www.silke-mahrt.de

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5. Juli 1955
Liebes Tagebuch, heute ist mein Geburtstag und du bist mein liebstes Geschenk. Naja, ehrlich gesagt, habe ich weiter nichts bekommen. Ich hatte mir so sehr ein Fahrrad gewünscht, nicht unbedingt ein neues, das können wir uns nicht leisten, aber ein eigenes gebrauchtes. Bis jetzt nehme ich immer das Rad von Karin. Es ist viel zu groß. Und jedes Mal, wenn ich sie frage, braucht sie es plötzlich selbst ganz dringend. Das nervt. Mutti hat mir erklärt, dass ich nicht so etwas Teures erwarten darf, aber bis heute morgen habe ich auf ein Wunder gehofft. Dabei hatte Mutti schon letzte Woche gesagt, ich dürfe als Geschenk drei (!) Mädchen zu meinem Geburtstag einladen. Ich hatte noch nie eine Geburtstagsfeier. Ich wollte auch nie eine. Hat sie denn nicht gemerkt, dass ich überhaupt keine Freundinnen habe? Ich werde nie eingeladen und ich treffe mich nie nachmittags mit jemandem. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin unsichtbar, wie ein Geist. Dabei sehe ich völlig normal aus, finde ich jedenfalls. Früher, in der Grundschule, hatte ich ganz viele Freundinnen, aber jetzt ist alles anders. Auf jeden Fall habe ich letzte Woche Helga, Edith und Sigrid aus meiner Klasse gefragt. Ich habe drei Tage gebraucht, bis ich mich endlich getraut habe. Ich war bestimmt rot im Gesicht und gestottert habe ich auch. Wie peinlich! Helga und Edith sind eigentlich ganz nett. Sie sind beste Freundinnen und manchmal reden sie mit mir. Also nicht richtig, aber sie sagen «Hallo» und sehen mich dabei an. Sie kichern nicht so viel wie die anderen Mädchen aus meiner Klasse. Ich dachte, wenn ich sie beide einlade, klappt es vielleicht. Sie haben auch genickt, aber heute war Helga krank und Edith muss sie am Nachmittag unbedingt besuchen, damit sie nicht so einsam ist. Das hat sie mir in der Pause zugeflüstert, als niemand geguckt hat. Bestimmt hatte sie keine Lust, allein zu kommen. Sigrid hat wie ich keine Freundin. Bei ihr ist es fast noch schlimmer als bei mir. Ich werde nicht beachtet, aber sie wird geärgert. Sie ist sehr dick und hat einen riesigen Busen, der beim Gehen mit ihrem Bauch um die Wette schwabbelt. Manchmal hänsele ich sie auch und ich mag sie nicht. Aber ich wusste nicht, wen ich sonst fragen könnte. Sigrid ist tatsächlich gekommen. Dazu nachher mehr. Heute Morgen hat Mama einen Kuchen auf meinen Platz am Frühstückstisch gestellt. Mit Schokoladenguss und einer «14» aus Zuckerperlen. Das sah sehr schön aus. Daneben lag ein kleines Paket. Ich dachte erst, es wäre ein Buch, aber das warst du, liebes Tagebuch. Du bist in grünes Kunstleder eingeschlagen und hast sogar ein Schloss mit einem winzigen Schlüssel. Daran habe ich gleich erkannt, dass du kein Poesie-Album bist. Außerdem habe ich schon eines, aber es haben nur wenige Mädchen hineingeschrieben. Eigentlich nur meine Freundinnen aus der Grundschule. Von Karin habe ich ein Paket Buntstifte bekommen. Das klingt wie ein Geschenk für ein kleines Kind, obwohl ich ja jetzt eine junge Dame bin, wie Papa immer sagt. Aber ich male gern und so kann ich die Seiten in dir bunt gestalten. Ein Fahrrad war natürlich nicht dabei. Wir haben alle zusammen gefrühstückt. Vati ist extra später zur Arbeit gegangen, weil ich Geburtstag habe. Das fand ich sehr nett von ihm und es war richtig gemütlich. Doch dann hat er das Radio eingeschaltet. Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow hat erklärt, dass es zwei eigenständige deutsche Staaten gibt. Vati hat sich furchtbar aufgeregt. Er ist ganz rot im Gesicht geworden, und Mutti hat immer geseufzt: «Walter, ach, Walter, nun reg dich nicht so auf. Das ist nicht gut für deinen Blutdruck.» Vati hat die Zeitung auf den Tisch geknallt und ist zur Arbeit verschwunden. Mutti hat geweint. Muttis Schwester Elisabeth – sie ist meine Patentante und deshalb heiße ich wie sie – lebt im Osten und Mutti vermisst sie sehr. Ich kann mich gar nicht mehr an sie erinnern. Jedenfalls war die tolle Geburtstagsstimmung weg. Ich bin dann zur Schule. Herr Stölzel, unser Klassenlehrer, hat auch gleich über Chruschtschow gesprochen und darüber, dass das Vaterland nicht geteilt werden dürfe und der Russe schon merken würde, was er davon hat. Ich verstehe die Aufregung nicht, obwohl es natürlich blöd ist, dass wir Tante Elisabeth nicht besuchen dürfen und sie uns nicht. Aber Deutschland hat nun mal den Krieg verloren und von so was kommt so was. Vati sagt, Frauen haben keine Ahnung von Politik und den wirklich wichtigen Dingen. Sie sollen schön aussehen, den Haushalt führen und ihren Kopf nicht überanstrengen. An meinen Geburtstag hat niemand gedacht. Nur Sigrid hat mir in der Pause schüchtern gratuliert. Das fand ich nett. Sie ist heute Nachmittag tatsächlich zum Kaffee gekommen. Die anderen haben mich wie immer überhaupt nicht beachtet. Mutti hat den Geburtstagskuchen auf den Tisch gestellt, alles mit dem besten Porzellan eingedeckt und sogar bunte Servietten und eine Kerze besorgt. Das sah toll aus. Ich glaube, Mutti war enttäuscht, dass nur Sigrid gekommen ist. Das war dann ein bisschen blöd. Der geschmückte Tisch für vier junge Damen und da saßen nur die dicke Sigrid und ich. Wir wussten nicht, was wir reden sollten. Als Karin von der Arbeit kam, hat sie sich zu uns gesetzt. Sie ist schon neunzehn und eine junge Dame. Als sie mit ihrer Ausbildung im Büro fertig war, hat sie ihre Zöpfe abschneiden lassen und hat nun einen Bubikopf. Das sieht schick aus und sehr erwachsen. Wenn sie aus dem Haus geht, trägt sie seidene Strümpfe. Vati schimpft dann immer und sagt, sie schmeißt sein Geld aus dem Fenster. Karin ist das egal. Sie wird manchmal richtig frech. Das würde ich mich nie trauen. «Es ist mein Geld, Vater. Und zu Hause gebe ich genug ab. So viel kann ich gar nicht essen», erklärt sie ihm jedes Mal. Wenn sie einundzwanzig ist, will sie ausziehen, hat sie mir verraten. Sie hat einen Verehrer. Er arbeitet bei ihr im Büro und ist schon fünfundzwanzig. Vati weiß nichts davon. Ich glaube nicht, dass er es erlauben würde. Letztens hat ihr Freund Karin bis vor die Haustür gebracht und ich habe gesehen, wie sie sich geküsst haben. Richtig lange. Hinterher hatte sie ein rotes Gesicht und ihre Bluse war verrutscht. Ich finde das ekelig, aber sie meint, ich sei einfach zu jung. Karin hat sich jedenfalls zu uns gesetzt. Erst fand ich das toll, doch dann hat sie nur von ihrer Arbeit gesprochen. Sie hat richtig angegeben, mit ihrem Büro, ihrer Frisur und der neuesten Mode. Sigrid hat nichts mehr gesagt und schweigend den Kuchen in sich hineingeschaufelt. Mutti hat sich auch noch dazu gesetzt und sich die ganze Zeit mit Karin unterhalten. Es fühlte sich überhaupt nicht mehr nach meinem Geburtstag an. Nach dem Kaffee, für Sigrid und mich gab es Kakao, nur Mutti und Karin haben Kaffee getrunken, sind Sigrid und ich in mein Zimmer gegangen, also in das Zimmer, das ich mir mit Karin teile. Zum Glück ist sie bei Mutti in der Stube geblieben. Da wurde es doch noch ein bisschen gemütlich. Wir haben über die Mädchen aus unserer Klasse gelästert. Bei uns in der Schule sind nur Mädchen. Die Jungen gehen auf die benachbarte Realschule und viele aus meiner Klasse stehen in der Pause am Zaun und albern herum, in der Hoffnung, dass mal einer der Jungen herüberschaut. Ich mache da nicht mit. Das ist doch peinlich. Sigrid hat mir ein Paar Zopfgummis geschenkt. Sie waren in eine Serviette eingepackt und ich glaube, sie hat sie schon getragen. Sie sind rosa mit einer dicken Kirsche und passen besser zu einem kleinen Kind. Ich finde sie hässlich, aber das habe ich nicht gesagt. Sigrids Familie ist arm. Ihr Vater ist erst vor einem Jahr aus russischer Gefangenschaft nach Hause gekommen und er hat keine Arbeit. Er ist total dünn und zittert die ganze Zeit. Bestimmt ist ihm noch kalt, meint Sigrid. Er spricht auch nicht. Sie hat fünf ältere Geschwister und meistens sehen ihre Klamotten aus, als hätten alle anderen sie schon vor ihr getragen. Und sie riecht nicht gut. Vielleicht kommt das, weil sie so dick ist oder weil die ganze Familie in drei Zimmern lebt. Da haben wir das besser, obwohl Vati ja immer sagt, wir haben kein Geld für ein Fahrrad. Ich habe erwartet, dass Mutti uns zum Abendessen ruft, aber um sechs kam sie ins Zimmer und hat zu Sigrid gesagt, es wäre Zeit. Sie müsse gehen. Ich glaube, Mutti mag Sigrid nicht. Ich fand das echt gemein. Eigentlich sollte es ein gemeinsames Abendbrot geben mit Würstchen und Kartoffelsalat. Schließlich war diese Feier mein Geburtstagsgeschenk. Naja, so schlimm war es auch nicht, dass Mutti sie nach Hause geschickt hat. Ich glaube nicht, dass wir Freundinnen werden können. Würstchen und Kartoffelsalat gab es dann für Mutti, Karin und mich. Vati musste nach der Arbeit noch zu einer Versammlung. Wir waren kaum fertig mit Essen, da klingelte es an der Tür. Karin ist sofort aufgesprungen. Wahrscheinlich dachte sie, es ist ihr Verehrer. Aber es war Frau Eberhardt von nebenan. Eberhardts haben einen Fernseher und sie hat uns gefragt, ob wir nach der Tagesschau rüberkommen wollen, «Was bin ich?» mit Robert Lembke gucken, weil ich doch Geburtstag habe. Das fand ich total...



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