Mahrt | Das Leben ist kalt | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

Mahrt Das Leben ist kalt

Wenn jede Hilfe fehlt
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-3596-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wenn jede Hilfe fehlt

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

ISBN: 978-3-7526-3596-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Lockdown verändert das Leben von sechs Frauen. Nichts ist mehr wie es war. Unter dem Druck von Distanz und Einsamkeit zerbröseln Beziehungen und lieb gewonnene Routinen. Jede ist gefangen zwischen einem vergangenen Alltag und neuen Herausforderungen. Nach wenigen Wochen stehen sie vor den Scherben ihres bisherigen Lebens. Auf sich allein gestellt schlittern sie hilflos auf eine Katastrophe zu. Doch sie kämpfen für ihre Träume, Familien und Werte. Ein Buch über Krisen und ihre Ursachen, über starke Frauen und ihren Mut zur Veränderung.

Silke Mahrt studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Braunschweig und Hamburg. Heute lebt, arbeitet und schreibt sie in Bad Oldesloe. Ihre Themen sind starke Frauen und gesellschaftliche Anforderungen, die das Leben jeder Einzelnen prägen. Kontakt: silke.mahrt@web.de

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An einem Freitag im März
Charlotte
Charlotte bückte sich und reichte ihrer Tochter die Sandalen. „So, Mia. Die Schuhe kannst du dir allein anziehen. Die haben Klettverschlüsse. Das schaffst du.“ Sie stöhnte und richtete sich langsam auf. Ihr Rücken brannte. Die Muskeln waren steinhart. Sie warf einen Blick auf ihren Sohn Jakob. Er war auf dem Weg vom Auto zur Kita im Buggy eingeschlafen und schnarchte leise. Sie hatte ihn vor zwanzig Minuten aus der Krippe abgeholt. Er war total übermüdet. Sie schafften es dort nicht, dass er mittags vernünftig schlief. Nachmittags nickte er ständig kurz ein und war nörgelig. Abends war er überdreht und wollte nicht ins Bett. Jeden Tag dasselbe Theater. Sie strich sich die verschwitzten Haare aus der Stirn. „Frau von Mülensiefen, bitte denken Sie daran, dass Sie unbedingt mit Mia basteln und regelmäßig Schwungübungen machen. Sie spielt sehr schön mit den anderen Kindern, aber an ihrer Feinmotorik müssen Sie wirklich arbeiten. Sie kann immer noch keine Schleife binden und auch beim Ausschneiden benötigt sie viel Unterstützung.“ Frau Fischer, Mias Erzieherin, stand vor ihr. Charlotte hatte ihr Kommen nicht bemerkt. Sie zuckte zusammen und schlug die Augen nieder. Sie war wieder sechs Jahre alt und hatte geträumt anstatt den Erwachsenen zuzuhören. Am liebsten hätte sie wie Mia eine Schnute gezogen. „Das habe ich Ihnen ja alles bereits beim letzten Elterngespräch erklärt. Mia kommt im Sommer in die Schule, da wird das verlangt. Bitte üben Sie mit ihr. Ich habe Ihnen hier einige Materialien zusammengestellt.“ Mit diesen Worten drückte Frau Fischer Charlotte einen Stapel Zettel in die Hand. „Wir wissen ja nicht, wann wir wieder öffnen dürfen. Vorschularbeit ist extrem wichtig. Also jeden Tag fleißig üben.“ Die Erzieherin strich Mia über die blonden Locken und warf Charlotte einen mahnenden Blick zu. „Auf Wiedersehen. Und bleiben Sie gesund.“ Sie stolzierte weiter zur nächsten Mutter und überhäufte diese mit Ratschlägen. Charlotte hörte nicht, welche Probleme das andere Kind hatte und welche Aufgaben Frau Fischer hier zuteilte. Auf jeden Fall überreichte sie ein Buch und viele Blätter Papier. Charlotte schüttelte den Kopf. Frau Fischer erklärte ihr bei jeder Gelegenheit, was sie falsch machte. Sie gab ungefragt Erziehungstipps und mischte sich in Dinge ein, die sie nichts angingen. Charlotte schwieg, hörte zu und nickte brav. Später ärgerte sie sich, weil sie sich alles gefallen ließ. Im Beruf war sie anders. Sie wehrte sich und setzte sich durch. Im Kindergarten wurde sie wieder zum Kind. In der Schule bei Emilie, ihrer älteren Tochter, war das genauso. Lehrerinnen und Erzieherinnen lähmten sie und machten sie sprachlos. Bestimmt irgendein Kindheitstrauma. Charlotte fröstelte. Trotz der frühlingshaft frischen Temperaturen klebte die Bluse an ihrem Körper und der Schweiß sammelte sich zwischen ihren Brüsten. Den Blazer hatte sie im Auto gelassen. Ein Fehler, denn so sah jeder die Schweißflecken unter ihren Achseln. Sicher müffelte sie ordentlich. Zu Hause musste sie als Erstes raus aus den verschwitzten Klamotten, diese blöden Pumps ausziehen und duschen. An der Ferse hatte sie eine dicke Blase. Ihr Kopf pochte seit dem hastigen Mittagessen und ihr Rücken schmerzte. In den letzten Tagen hatte sie die Übungen aus ihrem Pilates-Kurs vernachlässigt und war vor lauter Stress nicht zum Joggen gekommen. Ihre Gedanken wanderten zurück. Der ganze Tag war die reinste Katastrophe gewesen. Kurz vor der Mittagspause war ihr Chef in ihr Büro gestürmt. Die Regierung hatte angekündigt, dass ab Montag Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen auf unbestimmte Zeit geschlossen würden. Außerdem verhängte sie eine strikte Ausgangssperre. Alle durften ihre Wohnungen nur zum Einkaufen und für Arztbesuche verlassen. Ausnahmen gab es lediglich für diejenigen, die in lebensnotwendigen Berufen arbeiteten. Kaum hatte der Chef die Ankündigungen der Regierung bekannt gegeben, war Chaos ausgebrochen. Alle redeten durcheinander, jeder hatte irgendwelche Ideen, Vorschläge oder Probleme. Niemand wusste, wie das funktionieren sollte. Charlotte war Leiterin der Marketingabteilung eines namhaften Kosmetikherstellers und traf ständig Entscheidungen. Heute jedoch war ihr alles über den Kopf gewachsen. Viele ihrer Mitarbeiterinnen hatten kleine Kinder und würden parallel im Homeoffice arbeiten. Sie klärte die technischen Voraussetzungen mit der IT, motivierte und beruhigte die Kolleginnen und teilte die Aufgaben neu ein. Dabei blieb keine Zeit für ihre eigene Planung. Das rächte sich jetzt. Sie war mit ihren Nerven am Ende. Auch sie würde ab Montag von zu Hause arbeiten. Sie hatte die Unterlagen des aktuellen Projekts zusammengestellt und an ihren privaten Account gemailt. Auf die Daten des Betriebs hatte sie keinen Zugriff mehr. Hoffentlich hatte sie nichts vergessen. Kurz vor Arbeitsende hatte sie ihren Mann Leon angerufen. Er war Unternehmensberater und würde ebenfalls im Homeoffice arbeiten. Sie würden sich die Kinderbetreuung teilen. In Gedanken stellte sie bereits einen festen Plan auf, um alles zu organisieren. Planung war das halbe Leben, nicht nur im Beruf, sondern auch bei der Organisation des Familienalltags mit drei Kindern. Gemeinsam würden sie es schaffen. „Frau von Mülensiefen. Haben Sie noch eine Frage? Ich will jetzt abschließen.“ Charlotte zuckte zusammen. Da stand sie herum und guckte Löcher in die Luft. „Nein, alles gut. Entschuldigen Sie. Ich war in Gedanken.“ Jetzt entschuldigte sie sich schon bei Frau Fischer. Was war heute mit ihr los? Sie musste dringend einkaufen. Die Geschäfte sollten ab morgen lediglich stundenweise öffnen. Was machte eigentlich Mia die ganze Zeit? Suchend sah sie sich nach ihrer Tochter um. Mia saß träumend auf der Bank. Sie hatte sich die Sandalen falsch herum angezogen. „Mia, nun beeil dich. Das sind Entenfüße! Das musst du doch selber merken.“ Charlotte biss sich auf die Zunge. Erst vergaß sie die Zeit, träumte herum und danach ließ sie ihren Frust an ihrer Tochter aus. „Entschuldige, Mäuschen. Ich helfe dir.“ Sie half Mia, Sandalen und Jacke anzuziehen und schnappte sich den Kinderrucksack. „Mia, komm! Wir müssen los.“ Sie griff mit einer Hand nach dem Buggy, in dem Jakob zum Glück weiter friedlich schlief, mit der anderen zerrte sie Mia hinter sich her. Die Kleine hatte Mühe, ihr zu folgen. Sie zog eine Schnute. „Ich will mit Sophie spielen. Kann Sophie mit zu uns kommen?“ Sophie war Mias beste Freundin und die beiden spielten regelmäßig nachmittags zusammen. „Mäuschen, heute nicht. Wir fahren jetzt noch schnell zum Einkaufen. Wir müssen uns beeilen.“ In Mias Augen sammelten sich Tränen. Sie schluckte. Zum Glück holte Leon ausnahmsweise Emilie vom Hort ab, der an ihre Grundschule angeschlossen war. So musste sie bloß Jakob und Mia mitnehmen. Im Autoradio war von Hamsterkäufen berichtet worden. Es war besser, sofort zu fahren. „Ich kann nicht so schnell!“ Mia hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht an Charlottes Arm. „Wo ist überhaupt das blöde Auto?“ „Nun komm schon. Beeil dich. Du bist doch ein großes Mädchen.“ Charlotte atmete tief ein. Ruhig bleiben. Nur nicht einen von Mias regelmäßigen Bockanfällen provozieren. Von wegen, die Trotzphase endet irgendwann. Bei Mia hatte sie das Gefühl, dieser Entwicklungsabschnitt würde ewig dauern und direkt in die Pubertät übergehen. Endlich erreichten sie das Auto. Charlotte hob den schlafenden Jakob in den Kindersitz und schnallte ihn an. Mia kletterte in den Sitz. „Mama, hilfst du mir?“ Mias Stimme klang weinerlich. Sie kämpfte mit dem Gurtverschluss. Charlotte seufzte. Die Feinmotorik mussten sie wirklich üben. Im Grunde war das die Aufgabe der Erzieherinnen. Was machten die den ganzen Tag mit den Kindern? Zügig schnallte sie Mia an. Üben konnten sie ein anderes Mal. Heute war dafür keine Zeit. Sie stieg ins Auto und sank in den Sitz. „Und dann hat der Julian die Sophie ...“ Mia plapperte vor sich hin. Charlotte hörte nur mit halbem Ohr zu. Hatte sie die Blumen gegossen? Wer weiß, wann sie wieder ins Büro kam. Sie schüttelte den Kopf. War das überhaupt wichtig? Mist, sie hatte sich gar keine Gedanken über ihren Einkauf gemacht. Samstags kaufte sie erst in Ruhe auf dem Wochenmarkt ein. Anschließend fuhr sie zum Bioladen und trank dort zusammen mit ihrer Freundin Martina in dem kleinen Café einen Latte macchiato. Die restlichen Besorgungen erledigte sie bei Rewe. Am liebsten bummelte sie durch die Läden und suchte nach Leckereien, auf die sie gerade Appetit hatte, die besonders frisch und köstlich aussahen. Viel brauchten sie in der Woche nicht. Die Kinder...



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