E-Book, Deutsch, Band 5, 292 Seiten
Reihe: Ein Marie-Marler-Justizkrimi
Märkert Vorbelastet
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7546-1028-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Justizkrimi
E-Book, Deutsch, Band 5, 292 Seiten
Reihe: Ein Marie-Marler-Justizkrimi
ISBN: 978-3-7546-1028-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
'Dass das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den harten Stein besiegt, du verstehst, das Harte unterliegt'. Laotse Der Missbrauch eine Intrige? Bewährungshelferin Marie Marler zweifelt an der Schuld des Physiotherapeuten, der nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe bei ihr unter Führungsaufsicht steht. Hauptkommissar Christian Kramer, der für die Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter zuständig ist, fehlt jegliches Verständnis für seine Freundin. Der Mord ein Racheakt? Alles deutet darauf hin, wäre da nicht das eindeutige Alibi des Hauptverdächtigen. Und die Tatausführung spricht für die organisierte Kriminalität. Polizeiarbeit im Milieu der Bewährungshilfe - das ist äußerst realistisch geschildert und äußerst spannend erzählt. WDR 5, Mordsberatung zu: 'Schweigen ist Tod)'
Peter Märkert ist in Bochum aufgewachsen und lebt auch dort. Er studierte Informatik und Sozialwesen, arbeitete als Taxifahrer, als Sozialarbeiter im Vollzug und als Bewährungshelfer. Die Erfahrungen aus dem Milieu verarbeitet er in seinen Justizkrimis, die im Ruhrgebiet zwischen JVA, Drogen, Mord spielen und in denen er den Hintergründen von Verbrechen und Schuld nachspürt.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2 Seinen sechsunddreißigsten Geburtstag feiert Dr. Rista mit zwei befreundeten Ärzten in seiner Wohnung. Nach einem guten Essen und ein paar Gläsern Champagner überreden sie ihn zu einem Besuch im Spielcasino in Dortmund und bestellen ein Taxi. Beim Eintritt ist Dr. Rista von der Atmosphäre des Casinos beeindruckt. Er hält sich nur kurze Zeit bei den Automaten im Erdgeschoss auf und betritt voller Ehrfurcht den großen Spielsaal. Er kauft Jetons und wagt sich an den Roulette-Tisch. Er nimmt sich vor, nur kleine Summen zu setzen und bei Rot, seiner Lieblingsfarbe, und geraden Zahlen zu bleiben. Gewinne wechseln sich mit Verlusten ab. Schon nach kurzer Zeit reicht es ihm nicht mehr. An seinem Geburtstag will er das Besondere erleben. Er überwindet sich und setzt die Hälfte seiner Jetons auf Zero. Während sich die Kugel im Kessel dreht, spürt er ein Kribbeln im Bauch wie bei einer Achterbahnfahrt. Zero! Der Croupier schiebt ihm die Jetons zu. So einen Kick hat er bisher nicht erlebt. Es ist wie im Film. Er setzt erneut auf Zero, obwohl die Kollegen den Kopf schütteln, die aus der Entfernung sein Spiel beobachten. Er starrt auf die Kugel, beschwört sie regelrecht und zittert vor Anspannung. Zero kommt ein zweites Mal. Es ist unglaublich. Die Kollegen kommen heran, um ihm zu gratulieren. Er setzt auf Serien und sein Glück dauert an. Er ist der geborene Spieler. Kleine Verluste steckt er lachend weg. Das Schicksal meint es gut mit ihm. Eine blonde Schönheit kommt an den Roulette-Tisch. Sie sieht ihn aus klaren dunklen Augen an. Er weicht dem Blick aus, konzentriert sich auf das Spiel und macht seine Einsätze. Sie lacht und setzt kleine Summen auf die gleichen Felder. Der Croupier schiebt ihnen die Jetons zu. Die Kollegen drängen ihn zum Aufbruch, geben schließlich auf und verabschieden sich. Er beachtet sie nicht. Zu groß ist sein Glücksgefühl. Seine Aufmerksamkeit gilt dem Spiel und der Schönheit an seiner Seite. Der Gegensatz ihrer dichten hellblonden Haare mit den braunen Augen fasziniert ihn. Sie duftet anders, intensiver, strahlt mehr Sinnlichkeit aus als die Mütter in seiner Praxis. Oder liegt es an seinem Glück, das ihn für ihre Reize empfänglicher macht? Er stellt sich ihr vor und fragt nach ihrem Namen. Sie kommt nah an ihn heran und flüstert: »Estella«. Genauso erscheint sie ihm. Wie ein geheimnisvoller Stern. Zusammen überlegen sie die nächsten Einsätze und fiebern dem neuerlichen Gewinn entgegen, während die Kugel im Kessel ihre Bahnen dreht. In der Nacht ist an Trennung nicht zu denken. Estella steigt zu ihm ins Taxi und begleitet ihn nach Bochum in seine Wohnung. Sie erzählt, dass sie sich in Italien von ihrem Freund getrennt hat und längere Zeit in Deutschland bleiben will. Sie fragt nach seinem Leben und er berichtet von seiner Arztpraxis und den Kindern. Sie sind in guter Stimmung und trinken Champagner. Zu vorgerückter Stunde überlegt sie, ein Taxi zu bestellen. Er überredet sie, bis zum Morgen zu bleiben. Sie lässt sich darauf ein, betont allerdings, zu einer neuen Beziehung nicht bereit zu sein und für einen One-Night-Stand nichts übrig zu haben. Es stört ihn nicht. Es reicht ihm, dass sie über Nacht bleibt. Er überlässt ihr das selbstgebaute Bett und bereitet sich einen Schlafplatz auf der Couch. Am frühen Morgen wird er von seinem Smartphone geweckt. Er geht zu Estella, um zu prüfen, ob sie noch schläft, und sieht in ihre dunklen Augen. Sie lädt ihn ein, sich zu ihr aufs Bett zu legen. Er kommt ihrem Wunsch nach. Sie rückt näher. Er spürt ihre Wärme, könnte endlos so liegenbleiben, doch beim Blick auf seine Wanduhr schreckt er auf. »Um acht beginnt die Sprechstunde!«, ruft er und läuft ins Bad. Er beeilt sich, bei ihr dauert es länger. Er nutzt die Zeit, um ein schnelles Frühstück vorzubereiten und ihr einen kleinen Anteil des gestrigen Gewinns in einen Briefumschlag zu stecken, auf den er mit großen Lettern schreibt: Für Estella. Er wundert sich selbst über seine Großzügigkeit und überlegt, ob sie es missverstehen könnte. Zu spät, sie kommt aus dem Bad, steuert auf den Tisch zu und öffnet den Brief. Sie legt ihn beiseite, ohne das Geld zu zählen, und bedankt sich. Es klingt, als wäre sie beleidigt. Er versucht, den Eindruck der Käuflichkeit zu verwischen, dankt ihr für den schönen Abend und bittet sie, seine Glücksfee zu bleiben. Ohne ihre Unterstützung hätte er niemals so großartig gewonnen. Er redet vom Schicksal, das sie zusammengeführt hat, schreibt sich ihre Handynummer auf und verspricht, sie am Abend anzurufen. Er drängt zum Aufbruch und beobachtet Estella, die eilig ihre Sachen zusammenpackt. Er möchte nicht zu spät in die Praxis kommen, hasst es, wenn das Wartezimmer bei seinem Eintreffen überfüllt ist. Im Treppenhaus fragt er nach ihrer Adresse. Sie wohne in Unna bei ihrer Cousine. Er bietet ihr an, sie am Hauptbahnhof abzusetzen, von seiner Wohnung in Ehrenfeld sei es nicht weit. Sie zieht es vor, bei dem sonnigen Wetter zu laufen. Er brauche sich keine Gedanken zu machen, sie nutze Google-Maps auf ihrem Smartphone. Es reiche, wenn er ihr die Richtung zum Zentrum beschreibe. Sie spaziere gerne durch Fußgängerzonen, bevor die Geschäfte öffneten. Sie liebe das erwachende Leben überall und würde sich irgendwo in ein Café setzen, um die Menschen zu beobachten. Er überlegt, ob ihr Entschluss an der Hektik liegt, die er verbreitet, doch möchte nicht nachfragen, sie auch nicht überreden, mit ihm zu fahren. Es würde ihn Zeit kosten, sie am Bahnhof abzusetzen. Er deutet zum Schauspielhaus, die Königsallee runter, dann laufe sie direkt auf das Bermuda3eck und die Fußgängerzone zu. Sie gibt ihm einen Kuss auf die Wange und verschwindet. Auf der Fahrt zur Praxis vermisst er sie schon. Er ärgert sich, nicht gleich beim Abschied ein neues Date verabredet zu haben. Im Rückblick erscheint ihm das gemeinsame Frühstück unromantisch, als hätte er sie für den Abend als Begleitung gebucht. Ob sie es so empfunden hat? Es lag an dem Briefumschlag. Warum wollte er ihr unbedingt etwas von seinem Gewinn abgeben? Sie hatte selbst eine kleine Summe gewonnen. Stattdessen hätte er sie überreden sollen, in seiner Wohnung auszuschlafen und in Bochum zu bleiben, um den Abend oder das gesamte Wochenende zusammen zu verbringen. Er hätte ihr einen Wohnungsschlüssel anvertrauen sollen. Warum hat er es nicht versucht? Hat sie seine mangelnde Erfahrung bemerkt? Fühlte sie sich nicht begehrt? Hätte er fordernder sein sollen? Er würde gerne mit jemandem darüber sprechen, doch es ist niemand da, an den er sich mit solchen Fragen wenden könnte. Ein Gefühl der Einsamkeit bemächtigt sich seiner. Estella hat nicht nach seiner Handynummer gefragt. Das muss nichts bedeuten. Sie kann ihn in der Praxis erreichen. Er hat die Sprechstunde erwähnt, um den frühen Aufbruch zu erklären. Nach ihrer Arbeit hat er sich nicht erkundigt, auch ihre genaue Adresse in Unna nicht hinterfragt. Sie wird damit rechnen, dass er sich meldet. Als Italienerin erwartet sie von dem Mann die Initiative. So wird es sein, oder? So muss es sein. Sonst wird er verrückt. Er kennt sich zu wenig aus. Außerdem ist die Zeit zu schnell verflogen. Woher kommt sein Misstrauen? Sie erwähnte die Trennung in Italien. Zu einer neuen Beziehung wäre sie nicht bereit. Es hat ihn verunsichert. Er wird sie von der Praxis aus anrufen, sich nach der genauen Adresse erkundigen und sie zum Essen einladen. Er weiß wenig von ihr, kann kaum erwarten, mehr zu erfahren. Er überlegt, sie schon über die Freisprechanlage im Auto anzurufen, doch lässt davon ab, um nicht gleich zu Beginn den Eindruck zu erwecken, aufdringlich zu sein. Er erreicht die Praxis leicht verspätet, die Stühle im Wartezimmer sind besetzt. Er wollte es vermeiden. Es löst einen Erwartungsdruck aus, den er für seine Migräneanfälle verantwortlich macht. Lieber ist er der Erste in der Praxis, um sich langsam auf die Sprechstunde vorzubereiten. Er grüßt mit einem freundlichen Lächeln, das er sich gegenüber den Eltern und ihren Kindern angewöhnt hat, und bittet seine beiden medizinischen Fachangestellten, einen Moment mit dem ersten Patienten zu warten. Er eilt an seinen Schreibtisch im Behandlungszimmer. Wie gerne würde er einen Tag freinehmen, um in aller Ruhe über die Nacht nachzudenken und das nächste Treffen mit Estella zu planen. Es klopft an der Tür. Die beiden Mitarbeiterinnen kommen herein, ohne auf eine Antwort zu warten. Dr. Rista hält sich den Telefonhörer ans Ohr und bittet um ein wenig Geduld. Der Druck im Kopf steigt. Sie lassen sich nicht abwimmeln, gratulieren ihm nachträglich zu seinem Geburtstag, den er völlig vergessen hat. Er nimmt den bunten Blumenstrauß entgegen, den sie hinter sich versteckt haben und ihm reichen. Praktisch, wie sie sind, haben sie eine Vase mit Wasser dabei. Er bedankt sich, kündigt ein gemeinsames Frühstück in den nächsten Tagen an und bittet um zwei, drei Minuten Geduld, bevor sie den ersten Patienten hereinschicken. Kaum ist er allein, tippt er die Nummer in sein Diensttelefon. »Diese Rufnummer ist uns nicht bekannt, aber wir können Sie gern mit der Auskunft verbinden.« Hat er in der Eile am Morgen die Zahlen falsch notiert? Er wiederholt die Eingabe mit dem gleichen Ergebnis. Die Kleinen im Wartezimmer und auf dem Flur sind nicht zu überhören. Die Stimmen der Mütter auch nicht, die sich im Vorzimmer beschweren. Sie wollen, dass es vorangeht und nicht endlos warten. Er gibt schweren Herzens nach, lässt die kleinen Patienten nacheinander ins Behandlungszimmer kommen. Die Krankengeschichten lenken ihn kurzzeitig ab, doch während der Mittagspause in der Pizzeria und Trattoria Al Dente in Bochum-Linden wählt er erneut Estellas Nummer. Es bleibt bei der Ansage...