Mäderer | Mainsturm | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 320 Seiten

Reihe: Nadja Gontscharowa und Peter Steiner

Mäderer Mainsturm

Franken Krimi
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-262-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Franken Krimi

E-Book, Deutsch, Band 4, 320 Seiten

Reihe: Nadja Gontscharowa und Peter Steiner

ISBN: 978-3-98707-262-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein Krimi voll Würzburger Geschichte Mitten in der Würzburger Altstadt wird die Leiche einer Geschichtsdoktorandin gefunden, direkt vor dem ehemaligen Wohnhaus von Tilman Riemenschneider. Das Opfer scheint auf der Suche nach einer verschollenen Figur des Holzschnitzers gewesen zu sein und forschte zu seiner Rolle im Bauernkrieg. Für die beiden Kommissare Nadja Gontscharowa und Peter Steiner beginnt eine abenteuerliche Ermittlung in den alten Gemäuern der Stadt - bis sie sich fragen müssen: Kann etwas, das fünfhundert Jahre zurückliegt, heute noch einen Mord auslösen?

Anja Mäderer wurde 1991 in Gunzenhausen geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Würzburg und veröffentlichte dabei ihren ersten Krimi. Sie schmiedet neue Mordpläne, während sie mit ihren Kindern auf dem Friedhof spielt. Als Anja Stapor schreibt sie auch Thriller. www.anja-maederer.de
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1

499Jahre später
Nadja / Montag, 13.Januar, Franziskanergasse

Nadja Gontscharowa stand im orangefarbenen Licht einer Straßenlaterne und sah auf die Tote hinab. Die Szenerie hatte etwas Unwirkliches an sich. Die dunkle Gasse, die Tote mitten auf der Straße, Dunst, der aus einem Gully aufstieg. Sie fühlte sich wie an einem Filmset. Oder mitten im viktorianischen London auf der Jagd nach Jack the Ripper. Beinahe erwartete sie, dass ein Arzt mit blutigen Handschuhen neben sie treten würde. Ein Köfferchen in der Hand und hinter einem altmodischen Zwicker Augen, die vom Kokain glänzten.

Stattdessen schob sich ein Arm in einem dunkelgrauen Kaschmirmantel unter ihren, eine Hand verschwand in ihrer Manteltasche und drückte kurz ihre Finger.

»Sie sehen so verloren aus, Verehrteste. Wie eine Schwindsüchtige im Fiebertaumel.«

Also hatte auch er das Gefühl, eine Szene aus längst vergangenen Zeiten mitzuerleben. Sie sah zu Professor Lars Nauke auf, dankbar für das Gefühl von Heimat, das sie beim Anblick der sorgfältig gestutzten Koteletten, der ebenso sorgfältig geputzten Brille und des Schals mit dezent kariertem Muster überkam, den er sich um den Hals geschlungen hatte. Ihr Blick wanderte weiter zu seinen Ohren, die rot leuchteten.

»Mützen sind wohl unter Ihrer Würde?«

»Haben Sie jemals einen Mann gesehen, dessen Attraktivität durch eine Mütze gesteigert worden wäre?«

»Ich kann zumindest sagen, dass die Attraktivität eines Mannes mit einer Mittelohrentzündung und Zwiebelwickeln um den Kopf rapide abnimmt.«

»Auch wieder wahr. Vielleicht leihe ich mir die Kopfbedeckung von Kollege Steiner aus.«

Lars Nauke, Chef des rechtsmedizinischen Instituts, ging zu Peter hinüber, der an der Absperrung lehnte und mit der jungen Beamtin vom Kriminaldauerdienst sprach, die sie verständigt hatte.

Nadja betrachtete stumm das Opfer. Eine Frau, vielleicht Ende zwanzig, klein, aber mit breiten Hüften in der nassen Jeans. Ihr gefütterter Anorak stand offen und gab den Blick frei auf einen beigefarbenen Pulli und etwas, das wie ein schwarzes Loch darin wirkte. Eine ihrer Hände lag ausgestreckt auf dem Pflaster, als hätte sie sich an dem Stein festklammern wollen. Schöne Hände, die langen Finger geschmückt mit mehreren Silberringen.

Nadja ging in die Hocke, zog sich einen Handschuh über und nahm die Hand vorsichtig in ihre. Die Leichenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Doch die unnatürliche Kälte passte nicht zu dem Gefühl von weicher Haut. Sie musterte die unlackierten Nägel und die Ringe. Drei davon machten mit verschlungenen Mustern einen altertümlichen Eindruck. Nur der Ringfinger hob sich davon ab. Hier protzte ein durchscheinend weißes Steinchen in einer Halterung aus Weißgold. Ein typischer Verlobungsring, kein günstiger.

Nachdenklich legte Nadja die Hand zurück auf den Boden. Sie war der Frau nun so nahe, dass sie dem Blutgeruch nicht mehr entkam, der von ihrem Oberkörper aufstieg. Nadja zwang sich, ihm standzuhalten, ihn einzuatmen wie etwas, das die Tote ihr mitgab auf den Weg, der nun vor ihnen lag.

Sie wandte sich dem stillen Gesicht zu. Ein Lippenpiercing glitzerte im Licht der Laterne. Die Augen waren geöffnet. Nadja beugte sich tiefer und erkannte den leichten Rand von Kontaktlinsen vor der braunen Iris.

Was hatte sie gesehen, kurz vor ihrem Tod? Nadja legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Es wirkte fast so, als ob die Straßenlaterne das ganze Licht der Gasse in sich versammelte, statt es auszustrahlen. Dann gerieten die Giebel der umliegenden Häuser in ihr Blickfeld, das Wirtshausschild eines Steakhauses, das natürlich längst geschlossen hatte, der Turm der Franziskanerkirche, und darüber öffnete sich ein nächtlicher Januarhimmel. Kalt und klar, mit Sternen, die boshaft funkelten.

Nadja wurde schwindelig bei dem Blick in die Unendlichkeit, und sie schloss die Augen, das Gefühl von Kälte unter den Lidern.

»Was sagt sie dir?« Peter war neben sie getreten und sah auf Nadja und die Tote hinunter. Sein Blick huschte zwischen ihnen hin und her, als würde er sie vergleichen. Er trug einen gefütterten Parka und hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen. Nadja konnte nur die Silhouette der Nase sehen und die schmalen Lippen, aber nicht die Lachfältchen, die sein Gesicht so prägten. Peter mochte den Winter nicht. Er bekam schon schlechte Laune, wenn das Thermometer unter die Fünf-Grad-Marke fiel.

Nadja glaubte, sich aus ihrer Kindheit an ganz andere Winter zu erinnern. Winter, in denen das Leben gleichsam stillgestanden hatte. Wo der Ofen der Mittelpunkt des Häuschens gewesen war und das wirbelnde Weiß vor dem Fenster die Autos vergraben hatte, bis man gar nicht mehr wegkam, selbst wenn man gewollt hätte. Nicht wie hier in Deutschland, wo der Alltag niemals unterbrochen wurde und das Wetter nur eine Begleiterscheinung war, manchmal eine schöne, manchmal eine nervige. Hier ärgerte man sich, wenn man keine Garage hatte und morgens die Scheiben freikratzen musste. Aber so war auch der Frühling eher eine nette Überraschung als die Naturgewalt, wie Nadja ihn aus Sibirien in Erinnerung hatte.

»Sie passt so gar nicht hierher, und doch ist das Bild sehr stimmig.«

Peter nickte. »Ich weiß, was du meinst. Das Piercing, die gefärbten Haare, aber dabei diese zeitlose Tragik, die sie ausstrahlt. Die dunkle Gasse, die wie der Inbegriff des geheimnisvollen Tatorts wirkt, wo schon seit Jahrhunderten Mädchen vor Männern mit schwarzen Hüten davonlaufen.«

»Davonlaufen, das ist das Nächste. Was macht sie hier? Wie ist sie hierhergekommen? Ist sie auf offener Straße erschossen worden, oder hat sie jemand hier abgelegt, oder warum sind keine Blutspuren ringsum zu sehen?«

»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.« Lars Nauke war wieder neben sie getreten. Nadja starrte ihn an. Er trug nun ein rosafarbenes Stirnband mit aufgestickten bunten Plastikperlen, die fröhlich klimperten. Es spannte deutlich an seiner Stirn.

»Leiern Sie es bloß nicht aus, das vergibt Mariechen mir nie«, kam es von Peter.

»Verzeihen Sie, dass mein Kopfumfang an Zartheit mit dem eines Kindes nicht ganz mithalten kann.« Lars Nauke kratzte sich am nur unzureichend bedeckten Ohrläppchen und setzte eine neue Kaskade an Klimpern in Gang. »Was ich eigentlich sagen wollte: Wenn ich die Leiche genauer untersucht habe, kann ich Ihnen hoffentlich mehr über die Verletzung sagen und ob wir von einem anderen Tatort ausgehen müssen oder nicht. Bei einer Schussverletzung wie dieser kommt es sehr stark darauf an, was die Kugel auf ihrem Weg alles mitgenommen hat. Es könnte schon sein, dass die Frau noch eine Weile gelebt hat.«

»Wissen wir, wer sie ist?«, fragte Nadja.

Peter schüttelte den Kopf. »Laut den Kollegen vom Kriminaldauerdienst trägt sie nichts bei sich, was Aufschluss darüber geben würde. Keinen Geldbeutel, kein Handy, keinen Schlüssel …«

»Also fehlt etwas, ihre Tasche vermutlich. Denn ohne Schlüssel geht ja wirklich niemand aus dem Haus«, stellte Nadja fest. »Und was ist das da?«

Sie deutete auf die Manteltasche der Toten, die sich nach außen wölbte. Peter zog seine Handschuhe zurecht und griff hinein. Er holte eine grüne Wollmütze heraus. Schweigend betrachteten sie den oben aufgesetzten Puschel.

Nadja strich über die Wollfasern. »Wenn ihr eine Mütze dabeihättet, würdet ihr sie bei dieser Kälte dann in der Manteltasche lassen?«

»Nein!«, kam es prompt von Peter.

»Stochern Sie ruhig in der Wunde herum, also in meiner.« Lars Nauke tastete erneut nach seinem geliehenen Stirnband. »Aber nein, wenn ich eine hätte, würde ich sie selbstverständlich tragen.«

»Wir müssen alle Anwohner befragen. Womöglich wohnt sie in der Nähe oder kam aus einem der Häuser.« Nadja wandte sich zum Steakrestaurant um. »Oder vielleicht hat sie hier gearbeitet.«

Lars Nauke folgte ihrem Blick. »Im ›Tilmans‹? Ich kann mich zumindest nicht erinnern, sie schon mal dort gesehen zu haben. Ich esse hier ab und zu, wenn ich Lust auf ein gutes Stück Black Angus habe.«

Nadja stand auf und stellte sich näher zu ihm. Die Vorstellung von Lars Nauke, wie er alleine vor einem Steakteller saß und Selbstgespräche über die Qualität des dazu servierten Weines führte, hatte etwas Trauriges. Bestimmt kannte er alle Kellnerinnen dort. Aber vielleicht war er ja gar nicht allein. Seit den Erlebnissen rund um den Onlinedating-Fall im letzten Sommer hielt Lars Nauke sich sehr bedeckt, was sein Privatleben anging.

Nadja warf ihm einen besorgten Blick zu. Er lächelte sie an. »Das kriegen wir raus, keine Sorge. Ich mache die Tote zur Priorität.«

Nadja nickte, und Peter grinste. »Bevor Sie sich jetzt aus dem Staub machen: Das Stirnband will ich zurück, gewaschen und gebügelt!«

Peter / Montag, 13.Januar, Franziskanergasse

Die Kälte ging vom Boden aus und stieg seine Beine empor, obwohl er die festen Wanderschuhe trug und die Kniestrümpfe aus kratziger Wolle, die seine Oma vor Jahrzehnten gestrickt hatte und die mittlerweile eine ganze Reihe Löcher aufwiesen.

Peter wackelte mit den Zehen, um sie aus ihrer Kältestarre zu lösen. Nadja schienen die für Würzburg so untypischen Minusgrade nicht zu stören. Reglos kniete sie neben der Leiche, fast ebenso starr wie der Körper, der mit jeder Minute auf der eiskalten Straße weiter abkühlte und steif gefroren sein würde, wenn sie nicht bald fertig waren und dem Fahrer des Leichenwagens den Abtransport in die Rechtsmedizin ermöglichten.

Professor Nauke hatte sich schon verabschiedet. Aber Nadja...


Mäderer, Anja
Anja Mäderer wurde 1991 in Gunzenhausen geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Würzburg und veröffentlichte dabei ihren ersten Krimi. Sie schmiedet neue Mordpläne, während sie mit ihren Kindern auf dem Friedhof spielt. Als Anja Stapor schreibt sie auch Thriller.
www.anja-maederer.de

Anja Mäderer wurde 1991 in Gunzenhausen geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Würzburg und veröffentlichte dabei ihren ersten Krimi. Sie schmiedet neue Mordpläne, während sie mit ihren Kindern auf dem Friedhof spielt. Als Anja Stapor schreibt sie auch Thriller.
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