Mäderer | Mainschatten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Franken Krimi

Mäderer Mainschatten


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96041-119-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Franken Krimi

ISBN: 978-3-96041-119-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der tödliche Unfall eines jungen Lehrers in einer traditionsreichen Würzburger Tanzschule stellt sich als Mord heraus. Kommissarin Nadja Gontscharowa nimmt undercover Tanzstunden, doch statt der Lösung näher zu kommen, gerät sie immer tiefer in ein Netz aus Verrat und Eifersucht. Bis sie entdeckt, dass sich im Umfeld der Schule schon einmal ein Todesfall ereignet hat . . .

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1 Drei, zwei, eins, zwei, eins, drei, zwei, eins, drei, zwei … Das Zählen hilft. Es hilft ihr dabei, das Haus zu verlassen. Es hilft, von einem Ort zum anderen zu kommen. Es hilft, die Zeit zwischen den bekannten Stationen zu überbrücken. Sie hat sich die Gedanken von früher zurechtgelegt, die normalen Gedanken. Auf diesen ausgetretenen Pfaden kann sie balancieren. Beim Metzger, wenn ihr Blick auf die fleckige Schürze der Verkäuferin fällt, denkt sie jedes Mal: Hoffentlich fasst sie meinen Wurstaufschnitt nicht mit der Hand an. Danach kann sie das Geld abzählen und einen schönen Feierabend wünschen, egal wie spät es ist. Wenn sie wieder auf der Straße steht, beginnt das Zählen erneut, bis sie am Park angelangt ist. Dort füttert sie die Enten mit altem Brot und fragt sich: Ist das überhaupt gesund für die Tiere? Sie bleibt so lange stehen, bis jede Ente und jeder Erpel sein Stückchen bekommen hat, denn sie kennt ja inzwischen jeden Einzelnen. Danach zählt sie weiter bis zum Supermarkt, wo sie ihre Liste hervorholt und alles in den Wagen stapelt, wo sie manchmal viel zu viel kauft und manchmal viel zu wenig. Sie muss ihre Gedanken beschäftigt halten. Denn in der kleinsten Pause, wenn sie das Zählen vergisst, dann pocht ein Name an die Oberfläche ihrer Wahrnehmung. Ein Name, der eigentlich nicht mehr existiert. Und mit dem Namen kommen Bilder und eine Stimme, die singt und flüstert und quasselt und bockt und trällert und schreit. Dann kommen Erinnerungen und eine Bewegung, die erste, und ein Geruch. Und dann kommt die Stille. In die Stille hinein schleicht sich der Schmerz. Er zwingt sie, stillzustehen, auf die Stimme zu hören und zu begreifen. Danach kann sie nicht mehr weiter. Sie muss nach Hause laufen, nach Hause rennen und den Schmerz so lange zurückdrängen, bis sie allein ist. Dann erst darf sie rufen und eine Suche beginnen, die kein Ende findet und nie eines finden wird. * * * Es war Sonntag, sieben Uhr dreißig, als das Handy klingelte. Nadja Gontscharowa drehte sich unwillig im Bett herum und tastete nach dem Nachttischchen, wo sie es vermutete. Dabei stießen ihre Finger gegen ein Glas, das umkippte und einen Schwall Wasser über die Matratze ergoss. Nadja fuhr hoch und suchte schimpfend nach einer Packung Taschentücher, um die Flut einzudämmen. Das Telefon klingelte weiter. Seufzend tappte sie zu dem einzigen Stuhl, der neben mehreren halb leeren Umzugskartons im Zimmer stand, und schnappte sich die über der Lehne hängende Jeans. Als sie das Handy aus der Hosentasche zog, kam ihr das Klingeln gleich doppelt so laut und mindestens fünfmal so nervig vor. Wieder einmal nahm sie sich vor, einen harmonischeren Klingelton einzustellen. »Nadja Gontscharowa, hallo?«, meldete sie sich mit einem Räuspern, um ihre verschlafene Stimme zu kaschieren. »Ah, habe ich Ihren Schönheitsschlaf unterbrochen, Verehrteste? Ich bin untröstlich, man könnte auch sagen, am Boden zerstört. Zerknirscht und mit tief gesenktem Büßerhaupt wage ich es dennoch, für einige Minuten Ihre Aufmerksamkeit aus den schönsten Träumen heraus an mich zu reißen.« Nun gähnte Nadja ungeniert. »Kommen Sie zum Punkt, Professor«, sagte sie, angelte ihre Hausschlappen unter dem Bett hervor und schlurfte mit dem Handy am Ohr ins Badezimmer. Während Lars Nauke zu weitschweifigen Erklärungen ausholte, musterte Nadja ihr Spiegelbild. Es war eindeutig von Vorteil, dass sie die Augen noch immer halb geschlossen hatte, so konnte sie sich einbilden, bei ihrem bleichgesichtigen Gegenüber handle es sich um eine optische Täuschung. Sie selbst sah auf keinen Fall so fertig aus. Sie war kaum Mitte dreißig, trieb viel Sport, rauchte nicht und ernährte sich gesund. Zumindest ab und zu. Wenn sie Zeit hatte. Mit schlechtem Gewissen dachte sie an die letzten Wochen zurück, während derer sie sich hauptsächlich von Burgern, Pizza, Leberkässemmeln und Schmalzgebäck ernährt hatte. Aber seit Hauptkommissar Karlheinz Bär, ihr Vorgesetzter, wegen eines Herzinfarkts ausgefallen war und Nadja ihn vertreten musste, schien ihr die Zeit nur so davonzulaufen. Als stellvertretende Leiterin des Würzburger K1 konnte sie nicht einfach um fünf nach Hause gehen und sich ein ausgewogenes Abendessen kochen. Meistens saß sie dann noch am Computer, brütete über Protokollen oder versuchte, der wachsenden Flut von E-Mails Herr zu werden. Nadja realisierte, dass Lars Nauke seinen Redefluss unterbrochen hatte und nun ein belustigtes Schnauben von sich gab. »Was?«, fragte sie verwirrt. »Sie müssen deutlicher sprechen. Wenn Sie so nuscheln, versteht man ja kein Wort.« Die Kommissarin konnte sein Grinsen richtiggehend erahnen. »Aber Frau Gontscharowa, warum haben Sie so große Ohren?«, fragte der Rechtsmediziner mit verstellter Stimme. Nadja seufzte. Lars Nauke war einer der brillantesten Köpfe, den sie kannte, aber leider auch der kindischste. Und eine weitere seiner schlechten Eigenschaften war die grässlich gute Laune am frühen Morgen. Er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie sein Spielchen mitmachte. »Damit ich Sie besser hören kann«, erwiderte sie also brav. »Sehr schön, also sperren Sie Ihre wohlgeformten Öhrchen mal hübsch auf und geben Sie gut Acht. Ich habe hier eine ziemlich tote Leiche vor mir liegen. Und da stinkt was zum Himmel, natürlich rein metaphorisch gesprochen. Will sagen, die Leiche ist ermordet worden, als sie noch keine Leiche war. Und da Kriminalhauptkommissar Bär noch nicht wieder einsatzfähig ist, dürfen Sie wohl die Ermittlungen leiten. Na, freuen Sie sich?« Er klang so wohlwollend, als hätte er seiner Lieblingsnichte gerade ein rosa Pony zum Geburtstag geschenkt. Nur dass in diesem Fall das Pony aus einem Mordopfer bestand. Nadja kippte Mundwasser in einen Zahnputzbecher, nahm einen Schluck und gurgelte laut und vernehmlich. Sie hoffte, Professor Nauke würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und sich jetzt etwas kürzer fassen. Doch weit gefehlt. »Was ist denn bei Ihnen los? Gibt es einen Rohrbruch? Soll ich vorbeikommen? Ich könnte in fünf Minuten da sein«, bot er an. Nadja verschluckte sich vor Schreck an der Mundspülung und bekam einen Hustenanfall. Lars Nauke schien zu lauschen, dann sagte er ungerührt: »Ah, dann sind Sie jetzt also endlich wach, und ich kann zur Sache kommen. Wie heilsam so ein kleiner Schock am Morgen doch sein kann. Und hören Sie auf, in mein Ohr zu husten. Das kommt davon, wenn Sie so ungezogen sind und Ihre Morgentoilette beim Telefonieren erledigen.« Nadja gab sich geschlagen und ging zurück ins Schlafzimmer, wo sie einen zerknitterten Block unter einem Berg Wäsche hervorkramte und sich damit aufs Bett setzte. »Okay, alles bereit. Schießen Sie los«, sagte sie und zog sich die Bettdecke über die Füße. Lars Nauke erklärte: »Es geht um den Tanzschultoten. Der Fall sah ja zuerst recht eindeutig aus, also sind wir von einem Unfall ausgegangen. Das Opfer heißt Sebastian Dreher, achtundzwanzig Jahre alt, Tanzlehrer. Er ist der Sohn von den Drehers, diesem Tänzerehepaar, Sie wissen schon.« »Nein, weiß ich nicht«, antwortete Nadja. Sie bildete sich ein, vor dem Leichenfund noch nie etwas von der Familie gehört zu haben. Lars Nauke seufzte, als hätte er es mit einer besonders langsamen Schülerin zu tun. »Ich vergesse immer, dass Sie ja keine echte Würzburgerin sind, sondern eine ›Zugroaste‹«, sagte er gönnerhaft und unterschlug dabei geflissentlich die Tatsache, dass er ebenfalls ein »Zugroaster« war, wenn er nun auch schon ziemlich lange in Würzburg lebte. Dann bequemte er sich zu erklären: »Die Drehers sind die Besitzer unserer ältesten und renommiertesten Tanzschule. Yvonne Dreher war früher Turniertänzerin, hat sogar bei den Deutschen Meisterschaften teilgenommen, soweit ich weiß. Ihr Mann ist eher der gemütliche Typ. Es heißt, er stehe ziemlich unter dem Pantoffel, ist aber auch ein guter Tanzlehrer. Und Sebastian ist vor ein paar Jahren in das Familienunternehmen mit eingestiegen.« »Das ist ihm anscheinend nicht gut bekommen«, murmelte Nadja. »Wach gefallen Sie mir gleich viel besser«, antwortete Lars Nauke nur. »Aber Sie haben mir doch vor drei Tagen noch erklärt, dass er zuckerkrank war. Wie hatten Sie das so schön formuliert: Er ist zuerst in den Unterzucker gefallen und dann die Treppe runter. Und war die Tür zur Tanzschule nicht sogar verschlossen, als die Putzfrau morgens kam und die Leiche fand? Der Mörder müsste ja irgendwie hinein- und hinausgekommen sein. Das fanden wir zuerst alle nicht sehr wahrscheinlich. Aber jetzt haben Sie eine andere Theorie entwickelt?« Nun war es an Professor Nauke, sich zu räuspern. Er machte selten Fehler, und wenn doch, dann gab er sie ungern zu. »Also der genaue Ablauf war nicht so ganz klar. Sebastian Dreher war Diabetiker Typ 1, musste sich also regelmäßig Insulin spritzen. Aber ob er wegen der Hypoglykämie überhaupt erst gestürzt ist oder zuerst den Unfall hatte und im bewusstlosen Zustand dann hypoglykämisch wurde, das ist eine schwierige Frage. Ich tendiere zum Letzteren. Die Sturzverletzungen waren jedenfalls nicht tödlich, das kann ich mittlerweile mit Sicherheit sagen.« Nadja seufzte. Sie war eindeutig noch nicht wach genug, um Naukes Fachchinesisch deuten zu können. »Ehrlich gesagt, verstehe ich das Problem nicht ganz. Wie kommen Sie darauf, dass es sich um einen Mord handeln könnte?« »Die Frage ist, warum er überhaupt in den Unterzucker gefallen ist! Diabetiker sind ab einem gewissen Alter meist ziemlich gut eingestellt, was die Insulinzufuhr...


Anja Mäderer wurde 1991 in Gunzenhausen geboren und zog zum Studium nach Würzburg. Nach dem Staatsexamen unterrichtete sie an einer Schule für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und verbrachte anschließend ein Vierteljahr in Buenos Aires. Inzwischen lebt und schreibt sie wieder in Franken.



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