E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
MacKay Unser Kind muss leben!
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7337-2991-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-2991-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alles will Jodi tun, um das Leben ihres Sohnes zu retten! Auch wenn sie den Mann anflehen muss, den sie früher so geliebt und dann verlassen hat, weil er Gefühle nicht zuließ und nur seine Arbeit kannte: Dr. Mitch Maitland - Jamies Vater, der nichts von Jamie ahnt ...
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1. KAPITEL
Jodi Hawke stoppte ihren billigen Mietwagen am Bordstein und zog kräftig die Handbremse an. Mit klopfendem Herzen spähte sie durch die schmutzverschmierte Windschutzscheibe auf das kleine, hübsche Reihenhaus. Endlich hatte sie es gefunden, nachdem sie eine Stunde in Parnell, einem Stadtteil von Auckland, herumgefahren war. In Auckland kannte sie sich eben nicht aus. Doch das würde sich jetzt ändern, zumindest für einige Zeit. Ganz gleich, was bei dem bevorstehenden Treffen herauskommen sollte.
Doch dann fröstelte Jodi und bekam eine Gänsehaut. „Ich kann das nicht“, sagte sie laut. Sie schob sich den überlangen Pony aus dem Gesicht, betrachtete im Rückspiegel finster ihre schuldbewusste Miene und fauchte sich selbst an: „Aber du musst!“
Es stand so viel auf dem Spiel. „Jamies Leben hängt davon ab, dass du das hier machst“, drohte sie sich selbst. „Und vor allem davon, dass du es richtig machst. Dieser Tag musste doch irgendwann kommen.“
Bevor Jodi zum x-ten Mal über die Situation nachdenken konnte, stieß sie die Autotür auf und stieg aus. Das bescheidene Klinkerhaus lag etwas von der Straße zurückgesetzt, ein schnurgerader Weg führte auf die Haustür zu. Der Rasen war millimeterkurz geschnitten, und in den Beeten wuchs nur ein weiß blühender Bodendecker.
Mitch arbeitet also immer noch zu viel, als dass er Zeit oder Energie für irgendetwas anderes übrig hätte, dachte Jodi. Natürlich hatte er deshalb auch immer noch keine Zeit für eine Beziehung.
Manche Dinge änderten sich eben nie. Sein Pech, denn ob es ihm passte oder nicht, bald würde es für ihn große Veränderungen geben. Jodi war dabei, seine ganze Welt auf den Kopf zu stellen. Und zwar für immer.
Egal, wie er reagieren mochte, eins war klar: Das, was sie ihm zu sagen hatte, würde er niemals vergessen. Mitchell Maitland, der Mann, der ihr vor über drei Jahren das Herz gebrochen hatte, würde den Schock seines Lebens bekommen. Der Mann, den sie aus lauter Verzweiflung verlassen hatte, als sie endlich begriff, dass er sich nie ändern würde. Für niemanden. Und schon gar nicht für sie.
Sie hatte mehr von ihm gewollt als bloß die paar Stunden, die er pro Woche für sie übrig gehabt hatte. Doch wer unbedingt erfolgreich sein wollte, hatte keine Zeit für andere Menschen, geschweige denn Zeit für Liebe und Zuneigung. Das hatte Jodi schon als Kind erfahren. Nur war sie so dumm gewesen, trotz aller Warnzeichen zu hoffen und zu glauben, Mitch könnte anders sein. Sie hatte gedacht, ihre Liebe zu ihm würde alles überwinden.
Aber sie hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass zu einer Beziehung mehr gehörte als Liebe und Zuneigung. Nämlich auch Verantwortungsgefühl, Ehrlichkeit und Integrität. Dinge, die Mitch gefehlt hatten, wie sie ihm damals vorgeworfen hatte. Ob er ihr das inzwischen verziehen hatte? Jodi bezweifelte es. Jetzt musste sie dafür bezahlen, was sie ihm in den Monaten und Jahren verschwiegen hatte, nachdem sie ihn rausgeworfen hatte.
Als Jodi den Gartenpfad hinaufging, ignorierte sie ihre Nervosität und versuchte es stattdessen mit Forschheit. Wie wäre es mit: „Hey, Mitchell. Erinnerst du dich noch an mich? Ich bin die Frau, die es geschafft hat, noch einigermaßen heil von dir wegzukommen. Ich habe dich verlassen, sobald mir klar wurde, dass du immer nur gerade so viel Zeit für mich hattest, wie man für eine schnelle Nummer braucht.“
Kaum hatte sie den Klingelknopf gedrückt, da bemerkte sie die offenen Fenster, die Vorhänge, die sich im leichten Wind bewegten. Von drinnen hörte sie Musik. Nicht die harte Rockmusik, die Mitch bevorzugte, sondern eine Country-Melodie.
Flüchtig schloss Jodi die Augen und atmete tief durch. Was war, wenn er inzwischen eine Ehefrau oder Lebensgefährtin hatte? Doch nach Aussage eines alten Kollegen im Otago Hospital, Mitchs früherer Arbeitsstelle, war Mitch noch immer Single und verschliss genau wie damals eine Freundin nach der anderen. Trotzdem, vielleicht war die Information ja falsch.
Im Grunde wollte Jodi ihm nicht wehtun. Aber ihr blieb keine andere Wahl.
„Ich muss da jetzt durch“, murmelte sie vor sich hin. „Es geht um Leben oder Tod. Ob Jamie lebt oder stirbt.“ Entschlossen straffte sie die Schultern und drückte erneut auf die Klingel.
Dann starrte sie verblüfft die zierliche Frau an, die die Tür öffnete.
Ein offenes Gesicht mit einem freundlichen Lächeln, langes schwarzes Haar, das ihr über den Rücken fiel, und große braune Augen. „Hallo?“
Verlegen kämmte Jodi sich mit den Fingern durch ihre zerzausten Haare, die vermutlich aussahen, als hätte sie sie mit der Schafschere geschnitten. Sie hatte einfach weder Zeit noch Geld für solche unwichtigen Dinge wie Haarstyling. Ein wenig neidisch musterte sie die hübsche Frau vor sich. Sie hatte sich geirrt: Natürlich war Mitch kein Single. Attraktive, sexy Männer wie er waren nie allein.
„Hallo, ich bin Dr. Jodi Hawke. Ist Mitchell zu Hause?“
Die Frau lächelte liebenswürdig. Dass so plötzlich eine Fremde vor ihrer Tür auftauchte, schien sie nicht im Geringsten zu stören. „Tut mir leid, er arbeitet, obwohl heute Samstag ist. Ich würde sagen, versuchen Sie es später noch mal. Aber wer weiß, wann er nach Hause kommt. Er arbeitet immer sehr lange und übernimmt oft noch zusätzliche Dienste.“
Ich weiß. Das war ja das Problem. Eins der Probleme, korrigierte sich Jodi. „Er arbeitet im Auckland General Hospital, richtig?“
„Ja. Ist es nicht wunderbar, dass er all diesen kranken Kindern hilft?“, erwiderte die Frau. „Er kann so gut mit ihnen umgehen. Als unsere Lilly sich den Arm gebrochen hatte, hat Mitch ihn ganz schnell wieder gerichtet und sie dabei sogar zum Lachen gebracht.“
Unsere Lilly. Mitchell hatte eine Tochter? Jodi wurde auf einmal flau zumute, und sie musste sich an der Hauswand festhalten. Dieser Albtraum wurde ja immer schlimmer.
„Hey, Achtung. Sie kippen ja gleich um.“ Die Frau nahm Jodi beim Ellbogen und zog sie in den Hausflur hinein. „Was ist los? Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen. Oder wie unsere Lilly sagen würde: einen Vampir. Hier.“ Sie schob Jodi zu einem Stuhl. Für ihre zierliche Figur war die Frau erstaunlich kräftig. „Setzen Sie sich, und stecken Sie den Kopf zwischen die Knie. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.“
„Bitte entschuldigen Sie“, flüsterte Jodi. „Ich werde normalerweise nie ohnmächtig.“ Reiß dich zusammen, schimpfte sie mit sich. Du bist eine Mutter, und Mütter tun alles für ihre Kinder. Absolut alles.
Ein Schatten bewegte sich vor ihr. Als sie vorsichtig den Kopf hob, begegnete sie dem mitfühlenden Blick der Frau.
„Trinken Sie das. Ich heiße übrigens Claire.“ Die Frau kniete neben dem Stuhl und hielt Jodi ein Glas an die Lippen. „Was ist denn passiert? Du meine Güte, erst fragen Sie nach Mitch, und in der nächsten Sekunde fallen Sie um wie ein Sack Kartoffeln.“
„Ich weiß nicht. Muss wohl die Hitze sein.“ Hitze? Im Herbst? „Oder ich hab irgendwas Falsches gegessen.“ An der halben Scheibe Toast heute Morgen konnte es nun wirklich nicht liegen. Jodi nahm das Glas von Claire entgegen und sah sie an. „Es tut mir schrecklich leid. Ich werde Sie nicht länger stören.“ Da sie es plötzlich eilig hatte zu verschwinden, stand sie auf, taumelte jedoch sofort.
Rasch hielt Claire sie fest und drückte sie wieder auf den Stuhl. „Nicht so schnell. So können Sie nicht rausgehen. Sonst fallen Sie noch hin und verletzen sich.“
Die merkwürdige Situation war Jodi peinlich. Sie trank das Wasser aus und zwang sich dazu, den Nebel aus ihrem Kopf zu verdrängen. Um sich abzulenken, schaute sie sich im Flur um und danach durch eine offene Tür ins Wohnzimmer. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es war zu sauber und ordentlich. Zu unpersönlich. Keine Spielzeuge oder Kinderbücher.
„Lebt Ihre Tochter nicht bei Ihnen?“, fragte sie.
„Doch, natürlich.“ Dann begriff Claire. „Ich lebe nicht hier.“ Sie lachte. „Ich bin Mitchs Putzfrau, nicht seine Freundin.“ Sie bekam einen richtigen Lachanfall. „Schön wär’s. Nein, ich bin mit Dave verheiratet. Er ist Fernfahrer, und wir sparen auf ein eigenes Haus.“
Jodi war zutiefst erleichtert. „Da habe ich wohl komplett falsch gelegen, oder?“ Zum Glück, denn sie wollte dieser Frau, die so nett zu ihr war, keine Unannehmlichkeiten bereiten. „Dann gehe ich jetzt lieber. Es hat keinen Sinn, auf Mitch zu warten.“
Zurück zum Motel und zu Jamie. Ihre Mum arbeitete sicher an ihrem letzten Finanzbericht, in der Hoffnung, dass Jamie schlief, solange Jodi unterwegs war. Doch sie war immerhin mitgekommen, um in den ersten paar Tagen auszuhelfen, bis Jodi wusste, was als Nächstes auf sie zukommen würde. Eigentlich sah es ihrer hart arbeitenden Mutter gar nicht ähnlich, ihren kleinen Lebensmittelladen auch nur für einen Tag zu verlassen. Und jetzt sogar für eine ganze Woche.
Besorgt schaute Claire sie an. „Ohne Mitchs Erlaubnis würde ich Sie hier ungern im Haus warten lassen. Er weiß nichts von Ihrem Besuch, oder?“
„Nein. Ich … wir sind heute von Dunedin hergeflogen. Es ist eine Überraschung.“ Und was für eine, dachte Jodi bei sich.
Claire ging zur Haustür, um sie hinauszulassen. „In Ordnung. Ich mag Mitch. Er ist nett und zahlt mir immer mehr als nötig. Und er veranstaltet nie ein großes Chaos, das man aufräumen müsste. Das möchte ich nicht aufs Spiel setzen.“
Einmal ein Charmeur, immer ein Charmeur. Jodi ging an ihr...