Machiavelli Der Fürst
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8438-0410-3
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neu übsetzt und mit einleitendem Vorwort von Raphael Arnold
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Klassiker der Weltliteratur
ISBN: 978-3-8438-0410-3
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für die klassischen Fragen der politischen Philosophie interessierte sich Machiavelli weniger. Anstatt über ideale Staatsgebilde zu spekulieren oder nach dem Urzustand des Menschen zu fragen, beschäftigte er sich lieber mit den Fakten politischer Macht. Der Fürst ist vordergründig ein Lehrbuch der sogenannten Realpolitik, des Machterhalts und dessen, was man heute public relations nennen würde. Und obwohl Machiavelli vielen als der Teufel schlechthin gilt und sein Name in der Psychologie synonym mit einer kalten, berechnenden Intelligenz geworden ist, ist die Auseinandersetzung mit Machiavellis ehrlicher Analyse der Herrschaft ein Muss. Dazu bietet diese Neuübersetzung Gelegenheit.
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III.
Von gemischten Fürstenherrschaften
De principatibus mixtis
In einer neu erworbenen Fürstenherrschaft bestehen hingegen Schwierigkeiten. Zunächst erwachsen dort, wo es sich nicht um eine gänzlich neue handelt, sondern um einen neu hinzugekommenen Teil (was man insgesamt als eine gemischte Herrschaft bezeichnen kann), spezifische Unruhen zuerst aus einer natürlichen Schwierigkeit, die sich in allen neuen Herrschaften zeigt: So wechseln die Menschen ihren Herrn gerne, weil sie glauben, dass sich etwas bessern würde. Und dieser Glaube lässt sie gegen ihn zu den Waffen greifen; dabei täuschen sie sich aber, denn die Erfahrung lehrt sie, dass es zum Schlechteren führt. Dies rührt von einer anderen, natürlichen und ganz gewöhnlichen Notwendigkeit her: dass man nämlich diejenigen, deren neuer Herrscher man wird, hart angehen muss, sei es mittels bewaffneter Soldaten, sei es mit unzähligen anderen Beweisen von Gewalt, die der neu erworbene Besitz nach sich zieht. Somit hat man alle diejenigen zu Feinden, die man geschädigt hat, um zur Herrschaft zu gelangen, und es gelingt einem nicht, die Freundschaft mit denjenigen aufrechtzuerhalten, die einen dorthin gerufen haben, weil man sie nicht in dem Maße zufriedenstellen kann, wie sie es sich vorgestellt hatten, und weil man gegen sie kein heftiges Arzneimittel einsetzen kann, da man ihnen verpflichtet ist. Also ist man immer, selbst wenn man militärisch noch so stark wäre, auf die Gunst der Bewohner angewiesen, um in ein Land einzudringen.43 Aus diesem Grund hat Ludwig XII. Mailand im Nu besetzt und es im Nu wieder verloren. Um es ihm zu nehmen, genügten – beim ersten Mal – die Streitkräfte, die Ludovico unterstanden. Denn jene Leute, die dem König die Tore geöffnet hatten, fühlten sich von ihren Hoffnungen auf künftige Vorteile genarrt, und so konnten sie die Zumutungen seitens des neuen Herrschers nicht ertragen.44 Es ist wohl wahr, dass man Länder, die aufbegehrt haben, wenn man sie zum zweiten Mal erwirbt, mit größerer Schwierigkeit wieder verliert, denn der Herrscher nimmt den Aufstand zum Anlass, seine Herrschaft weniger zurückhaltend – durch Bestrafung der Abtrünnigen, durch Überführen der Verdächtigen und durch Vorkehrungen an den größten Schwachstellen – zu sichern. Dementsprechend genügte beim ersten Mal ein Herzog Ludovico, der innerhalb seines Herrschaftsgebietes Aufruhr anzettelte, damit Frankreich Mailand verlor. Damit es ihm aber ein zweites Mal verlorenging, dazu war es nötig, dass die ganze Welt gegen Frankreich war und seine Truppen vernichtet oder aus Italien vertrieben wurden45, was sich aus den oben genannten Gründen ergab. Dennoch wurde Mailand ihm im einen wie im anderen Fall weggenommen. Die allgemeingültigen Gründe für den ersten Fall wurden bereits diskutiert, diejenigen für den zweiten gilt es nun zu benennen und aufzuzeigen, welche Hilfsmittel dem König von Frankreich zu Gebote standen und welche einer in derselben Lage hätte, um das Erworbene besser zu behaupten, als es Frankreich gelang. Ich stelle darum zunächst fest, dass diejenigen Staaten, die erobert und einem lange bestehenden eingegliedert werden, entweder zur gleichen Gegend gehören und dieselbe Sprache sprechen oder nicht. Wenn das Erste für sie zutrifft, kann man die Herrschaft mit großer Leichtigkeit behaupten, vor allem, wenn die Menschen nicht gewohnt sind, in Freiheit zu leben; um sie zu besitzen, genügt es, die Dynastie des ehemaligen Herrschers auszulöschen, denn im Übrigen leben die Menschen ruhig, wenn man nur die alten Lebensbedingungen bewahrt und es zu keiner Änderung der Gewohnheiten kommt. Dies kann man anhand der Beispiele von Burgund, der Bretagne, der Gascogne und der Normandie sehen, die so lange schon unter französischer Herrschaft stehen.46 Und selbst wenn es da auch sprachliche Unterschiede gibt, so sind die Gebräuche doch ähnlich, und die Menschen kommen leicht miteinander aus. Und wer diese Staaten erobert, muss zweierlei Vorkehrungen treffen, wenn er sie behalten will: Erstens muss er dafür sorgen, dass die alte Herrscherfamilie ausgelöscht wird; zweitens, dass weder ihre Gesetze noch die Steuersätze geändert werden: Auf diese Weise vereinigen sich die neue und die alte Herrschaft in kürzester Zeit zu einem Staatskörper. Aber wenn man Staaten in einer Gegend erlangt, die sich in Sprache, Gebräuchen und Einrichtungen unterscheiden, dann tauchen Schwierigkeiten auf; und man bedarf großen Glücks und großen Fleißes, um sie zu behalten. Eine der besten und wirksamsten Abhilfen wäre es, dass die Person, die sie erobert, dort residiert. Das würde den Besitz sicherer und dauerhafter machen. So hat es der Türke in Griechenland getan, dem es nicht möglich gewesen wäre, sich dort zu halten, selbst wenn er alle anderen gesellschaftlichen Einrichtungen bewahrt hätte, um jenen Staat zu halten, aber nicht dorthin gegangen wäre, um dort zu wohnen.47 Denn wenn der Herrscher vor Ort ist, kann er Unruhen entstehen sehen und früh Abhilfe schaffen; wenn er aber abwesend ist, erfährt er erst von ihnen, wenn sie schon angewachsen sind und es keine Abhilfe mehr gibt. Darüber hinaus wird die Provinz nicht von seinen Beamten ausgeplündert. Die Untergebenen werden zufrieden sein aufgrund der kurzen Wege zum Herrscher, sodass sie größeren Anlass haben, ihn zu lieben und gute Bürger zu sein, andernfalls aber ihn zu fürchten. Wer von den Fremden daran denkt, das Gebiet anzugreifen, wird größere Bedenken haben. Deshalb wird er es, wenn er dort wohnt, nur unter allergrößter Schwierigkeit verlieren. Die andere, bessere Abhilfe besteht darin, Siedlungen an einem oder zwei Orten zu installieren, die diesem Staat sozusagen Fesseln sein sollen. Denn es ist notwendig, entweder dies zu tun oder dort Kavallerie und Infanterie zu haben. Für solche Kolonien gibt man nicht viel Geld aus, und so befiehlt man dort und hält sich, ohne oder mit wenigen Ausgaben; und man fügt nur denjenigen Schaden zu, denen man Feld und Hof nimmt, um sie neuen Bewohnern zuzuteilen. Jene machen aber nur den geringsten Teil dieses Staates aus. Da diejenigen, denen er Nachteile zufügt, verstreut und verarmt leben, können sie ihm niemals schaden, und alle anderen bleiben einerseits unbeschadet und sollten sich darum beruhigen, und achten andererseits ängstlich darauf, keine Verstöße zu begehen, aus Furcht davor, dass es ihnen wie denen ergehen möge, die enteignet wurden. Ich fasse zusammen: Diese Kolonien kosten nichts, sind treuer und fügen weniger Bewohnern Schaden zu; und diejenigen, denen Schaden zugefügt wurde, können nicht schaden, da sie, wie bereits gesagt, arm und verstreut leben. Darum muss man erkennen, dass man die Menschen entweder verwöhnen oder ausschalten muss. Denn wegen leichter Beschädigungen rächen sie sich, wegen großer können sie es nicht. Der Schaden, den man einem Menschen antut, muss deshalb dergestalt sein, dass man seine Rache nicht zu fürchten hat. Aber wenn man dort anstatt der Kolonien eine Besatzung unterhält, kostet dies erheblich mehr, und man verbraucht sämtliche Einkünfte dieses Staates für die Bewachung, wodurch dem Herrscher der Gewinn zum Verlust wird. Und er schafft mehr Verdruss, weil er dem gesamten Staat schadet, wenn er sein Heer von einer Unterkunft in die nächste umquartiert – eine Unannehmlichkeit, die jeder zu spüren bekommt, und alle werden zu seinen Feinden werden. Und diese Feinde können ihm schaden, da sie zwar geschlagen sind, aber in ihren eigenen Häusern verharren. In jeder Hinsicht ist diese Art der Bewachung folglich so unnütz, wie umgekehrt die durch Kolonien nützlich ist. Des Weiteren muss, wer mit einer – im obigen Sinne – andersgearteten Provinz zu tun hat, sich zum Führer und Verteidiger der weniger starken Nachbarstaaten machen und alles unternehmen, die starken zu schwächen, und auf der Hut sein, dass nicht durch irgendeinen Zufall ein fremder Machthaber eindringt, der so stark ist wie er selbst. Und es geschieht immer, dass so einer von jenen herbeigerufen wird, die in jener Provinz unzufrieden sind, sei es aus übertriebenem Ehrgeiz, sei es aus Angst: Wie schon gezeigt wurde, haben die Ätoler die Römer nach Griechenland gerufen.48 Und in jede andere Provinz, in die die Römer eindrangen, waren sie von den dortigen Einwohnern geholt worden. Der Lauf der Dinge will es, dass, sobald ein fremder Machthaber in eine Provinz kommt, all diejenigen, die weniger mächtig sind, zu seinen Anhängern werden, getrieben vom Neid gegenüber denjenigen, die bisher Macht über sie ausgeübt haben. Dies hat zur Folge, dass er bezüglich der weniger Mächtigen keine Mühe wird auf sich nehmen müssen, sie zu gewinnen, weil sie alle zusammen gerne und sofort mit seiner dort errichteten Herrschaft ein gemeinsames Ganzes bilden werden. Er muss nur daran denken, dass sie nicht zu viel Stärke und zu großen Einfluss erlangen. Dann wird er dank seiner Streitkräfte und ihrer Gunst diejenigen mühelos niederhalten, die bisher mächtig waren, um in allem die unbeschränkte...