MacAskill | Gutes besser tun | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

MacAskill Gutes besser tun

Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8437-1339-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1339-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Soll ich einen Flüchtling bei mir beherbergen? Ist es sinnvoll, nach Naturkatastrophen zu spenden? Übernehme ich besser die Patenschaft für ein Kind aus Äthiopien oder für ein Kind aus Deutschland? Helfe ich den Betroffenen, oder beruhige ich nur mein Gewissen? William MacAskill hat mit dem Konzept des effektiven Altruismus eine Antwort gefunden. Er nennt die Kriterien für sinnvolles und nachhaltiges Helfen. Oft sind es scheinbar kleine Handlungen, die Großes bewirken: Eine einfache Wurmkur verbessert die Lebensqualität afrikanischer Kinder mehr als eine teure Wasserpumpe fürs ganze Dorf. MacAskill zeigt, warum gut gemeint und gut gemacht zwei verschiedene Dinge sind und wie wir Veränderungen am besten erreichen können. Sein Buch ist eine konkrete Handreichung für alle, die Gutes noch besser tun wollen.

William Mac Askill, geboren 1987, hat in Oxford in Philosophie promoviert und war Fulbright Stipendiat in Princeton. Derzeit arbeitet er als Research Fellow an der Cambridge University und ist Professor für Philosophie in Oxford. Er hat die Organisationen Giving what we can und 80 000 Hours, eine Karriereberatung für effektive Altruisten, gegründet.
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Einleitung


Würmer und Wasserpumpen


Wie können Sie am meisten Gutes tun?


Im Jahr 1989 war Trevor Field noch ein typischer Südafrikaner mittleren Alters, der ein ganz normales Leben führte. Er aß gern Steaks, liebte kaltes Bier und Angelausflüge mit seinen Freunden. Er arbeitete in der Werbebranche für Zeitschriften wie TopCar und Penthouse und hatte nie ernsthaft darüber nachgedacht, seine Fähigkeiten zum Wohl der Menschheit einzusetzen. Aber dann entdeckte er die PlayPump, und nichts war mehr wie zuvor.

In jenem Jahr besuchte Field gemeinsam mit seinem Schwiegervater, der einen Hof besaß, eine Landwirtschaftsmesse in Pretoria. Dort lernte er einen Wasserwirtschaftsingenieur namens Ronnie Stuiver kennen, der das Modell einer neuartigen Wasserpumpe vorführte. Die Demonstration erinnerte Field an einen Angelausflug, bei dem er die Bewohnerinnen eines Dorfes beobachtet hatte, die stundenlang bei einer von einer Windmühle betriebenen Pumpe warten mussten, bis sie an der Reihe waren, um ihre Wasserbehälter zu füllen. Es war ein windstiller Tag, aber die Frauen, die kilometerweit gelaufen waren, konnten nicht ohne Wasser in ihre Dörfer zurückkehren. Also ließen sie sich auf dem Boden nieder und warteten darauf, dass sich die Mühle in Gang setzte und das Wasser zu fließen begann. Angesichts dieser unfairen Strapazen dachte er: Es muss einen besseren Weg geben, um das zu machen. Nun sah er, wie eine Lösung aussehen konnte.

Stuivers Erfindung schien ihm brillant. Statt der typischen Handpumpe oder eines von einer Windmühle angetriebenen Mechanismus, wie man ihn in armen Ländern in vielen Dörfern findet, funktionierte Stuivers Pumpe gleichzeitig als Spielplatzkarussell. Die Kinder konnten auf dem Karussell spielen und so die Pumpe antreiben, die das Wasser aus der Tiefe nach oben beförderte, wo es in einem Tank gespeichert wurde, der über eine Leitung mit dem Dorf verbunden werden konnte. Die Frauen würden nicht mehr Kilometer weit laufen müssen, um das Wasser mit einer Handpumpe aus dem Brunnen zu holen oder an einem windstillen Tag stundenlang bei einer Windmühle in der Schlange warten müssen. Die »Spielpumpe«, wie Stuiver sie nannte, nutzte die Körperkraft der spielenden Kinder für eine nachhaltige Wasserversorgung der Gemeinde. »Afrikanische Kinder haben fast nichts – nicht einmal Schulbücher, geschweige denn Spielplätze –, und der Zugang zu Wasser ist ein großes Problem«, erzählte mir Field. »Diese Pumpe war die beste Erfindung, die ich je gesehen hatte.«1

Field kaufte Stuiver das Patent für die Pumpe ab und machte sich daran, das Design in seiner Freizeit zu verbessern. Seine Erfahrung in der Werbung brachte ihn auf die Idee, Plakatwerbung auf den Wassertanks anzubringen, um Einnahmen für die Wartung der Pumpen zu erzielen. Im Jahr 1995 konnte er mit Colgate Palmolive einen ersten Sponsor gewinnen, installierte die erste PlayPump und gab seinen Job auf, um sich vollkommen dem Projekt widmen zu können. Mittlerweile war es eine registrierte Hilfsorganisation namens PlayPumps International. Anfangs machte das Projekt nur schleppend Fortschritte, aber Field arbeitete beharrlich weiter und bezahlte mehrere Pumpen von seinem eigenen Geld. Im Lauf der Zeit knüpfte er Verbindungen zu Großunternehmen und staatlichen Stellen im ganzen Land, die weitere Pumpen finanzierten. Bis zur Jahrtausendwende war es ihm gelungen, 50 Pumpen in Südafrika zu installieren.

Sein erster großer Durchbruch gelang ihm im Jahr 2000, als er mit einem World Bank Development Marketplace Award ausgezeichnet wurde, um den sich 3000 Organisationen beworben hatten. Der Preis wird an »innovative Entwicklungsprojekte in einem frühen Entwicklungsstadium vergeben, die ausgeweitet und/oder wiederholt werden können und ein großes Potential zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung haben«.2 Diese Auszeichnung lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Projekt und lockte Geldgeber an. AOL-Chef Steve Case stattete der Organisation gemeinsam mit seiner Frau Jean einen Besuch ab, um sich die Pumpen vor Ort anzusehen. »Sie fanden die PlayPump unglaublich«, erklärte Field. »Nachdem sie die Pumpen in Aktion gesehen hatten, waren sie überzeugt.«3 Im Jahr 2005 willigten die Cases ein, das Projekt zu finanzieren und gemeinsam mit Field den amerikanischen Zweig von PlayPumps International aufzubauen. Das Ziel: Überall in Afrika sollten Tausende Pumpen gebaut werden.

Die PlayPump rückte in den Mittelpunkt einer großangelegten Marketingkampagne. Steve Case nutzte seine Erfahrung als Unternehmensleiter und führte neue Formen der Online-Spendensammlung ein. Die The One Foundation, eine britische Spendensammlungsstiftung, brachte eine Wassermarke namens One Water auf den Markt, deren Verkaufserlös PlayPumps International zufloss.4 Das Produkt war ein großer Erfolg und verwandelte sich in das offizielle Flaschenwasser der Live-8-Konzerte und der Kampagne »Make Poverty History«.5 Die PlayPump verwandelte sich in einen Liebling der internationalen Medien, die mit Schlagzeilen wie »Wasser pumpen ist ein Kinderspiel«6 und »Das magische Karussell«7 spielte. Bill Clinton bezeichnete die PlayPump 2006 in einem Artikel in der Time als »wunderbare Innovation«.8

Prominente sprangen auf den fahrenden Zug auf. Jay-Z sammelte mit seiner Konzerttour »The Diary of Jay-Z: Water for Life« Zehntausende Dollar für das Projekt ein.9 Kurze Zeit später feierte PlayPumps International seinen bis dahin größten Erfolg: Die damalige amerikanische First Lady Laura Bush gewährte dem Programm einen Zuschuss von 16,4 Millionen Dollar zu einer Kampagne, die zum Ziel hatte, bis 2010 Spenden in Höhe von 60 Millionen Dollar zu sammeln, um auf insgesamt 4000 Pumpen zu kommen.10 Im Jahr 2007 hatte sich PlayPump in ein Flaggschiff der internationalen Entwicklungsarbeit verwandelt und Trevor Field in einen Rockstar der wohltätigen Arbeit.

»Das Projekt ist durch die Decke gegangen!«, sagte Field im Jahr 2008, als er nach dem verblüffenden Erfolg von PlayPump International gefragt wurde. »Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass diese Pumpe tatsächlich die Welt verändern könnte.«11 In einem anderen Interview erklärte er: »Es macht mich glücklich, zu wissen, dass wir das Leben vieler Menschen verbessern, die keine der Privilegien kennen, die ich oder meine Familie genießen dürfen.«12 Bis 2009 hatte seine Organisation 1800 PlayPumps in Südafrika, Mosambik, Swasiland und Sambia gebaut.

Aber dann wendete sich das Blatt. UNICEF und das Swiss Resource Centre and Consultancies for Development (SKAT) veröffentlichten vernichtende Berichte über das Projekt.13 Wie sich herausstellte, hatte sich trotz all des Medienrummels und der Millionenausgaben niemand ernsthaft mit dem praktischen Nutzen der PlayPump befasst. Die meisten Karusselle drehen sich eine Weile, wenn sie einmal genug Schwung haben – deshalb machen sie ja Spaß. Aber die PlayPumps müssen unentwegt angeschoben werden, damit sie Wasser pumpen, und die Kinder, die damit spielten, waren rasch erschöpft. In dem UNICEF-Bericht hieß es, dass hin und wieder Kinder vom Karussell fielen und sich Brüche zuzogen, und einigen wurde beim Drehen des Karussells übel. In einem Dorf wurden die Kinder dafür bezahlt, mit der Pumpe zu »spielen«. Meistens mussten am Ende die Frauen selbst das Karussell anschieben, und sie empfanden diese Arbeit als ermüdend und erniedrigend.14

Obendrein hatte niemand die Gemeinden gefragt, ob sie überhaupt eine PlayPump wollten. Als die Experten von SKAT Einwohner fragten, was sie von ihrer neuen Pumpe hielten, antworteten viele, sie zögen die früheren Handpumpen vor. Mit einer Handpumpe des Typs »Zimbabwe Bush« konnte man mit weniger Anstrengung in einer Stunde 1300 Liter Wasser fördern – fünfmal so viel wie mit einer PlayPump mit derselben Zylindergröße. Eine Frau in Mosambik sagte: »Ab fünf Uhr morgens sind wir auf dem Feld und arbeiten sechs Stunden. Dann kommen wir zu dieser Pumpe und müssen sie drehen. Bald schmerzen die Arme. Die alte Handpumpe war viel leichter zu bedienen.«15 Ein Journalist schätzte, dass sich das Karussell 27 Stunden am Tag drehen müsste, um den Wasserbedarf eines typischen Dorfes befriedigen zu können.16

Selbst wenn eine Gemeinde anfangs glücklich über die Pumpe war, währte die Freude nicht lang. Oft brachen die Pumpen innerhalb weniger Monate zusammen, aber anders als bei der Zimbabwe Bush Pump war die Mechanik in einem Metallkasten eingeschlossen, weshalb die Dorfbewohner sie nicht selbst reparieren konnten.17 Stattdessen war vorgesehen, dass sie eine Telefonnummer des Wartungsdienstes bekamen, aber bei den meisten Gemeinden wurde das vergessen, und jene, die tatsächlich eine Nummer erhielten, riefen diese im Schadensfall vergeblich an. Es meldete sich niemand. Die Plakatwände auf den Wasserspeichern blieben leer: Die Dörfer waren zu arm, als dass ein Unternehmen Interesse gehabt hätte, dort für seine Produkte zu werben. Das Fazit: Die PlayPump war den unattraktiven, aber funktionalen Handpumpen in fast jeder Beziehung unterlegen. Trotzdem kostete sie mit einem Preis von 14.000 Dollar pro Stück viermal so viel.18

Es dauerte nicht lange, bis sich die Medien gegen ihr Lieblingskind wandten. In einer Dokumentation vom Public Broadcasting Service (PBS) wurden die zahlreichen Mängel der PlayPump angeprangert.19 (Was sich nicht änderte, war die Vorliebe der Medien für Wortspiele: Die Dokumentation trug den Titel »Südafrika: Die Wogen gehen hoch«, und The Guardian berichtete wiederholt, das in die PlayPumps investierte Geld sei »im Abfluss...


Gebauer, Stephan
Stephan Gebauer, geboren 1968, lebt in Berlin und Madrid. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen Carl Bernstein, Bill Clinton, Hillary Clinton, Billy Crystal, Angus Deaton, Frank Dikötter, Niall Ferguson, Garry Kasparow, Ian Morris, Barack Obama, Robert Shiller und Joseph Stiglitz.

William Mac Askill, geboren 1987, hat in Oxford in Philosophie promoviert und war Fulbright Stipendiat in Princeton. Derzeit arbeitet er als Research Fellow an der Cambridge University und ist Professor für Philosophie in Oxford. Er hat die Organisationen Giving what we can und 80 000 Hours, eine Karriereberatung für effektive Altruisten, gegründet.



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