E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Maar Die Stille der Herbstblume
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7546-2018-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
ISBN: 978-3-7546-2018-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Eine zauberhafte Stimme Ein Flügelschlag in der Nacht Eine stumme Nachtigall Emily ist unglücklich mit dem BWL-Studium, zu dem ihre Eltern sie überredet haben. Viel lieber wäre sie Sängerin. Kurzentschlossen nimmt sie an einer Castingshow teil, um ihrem Traum näher zu kommen. Emil sorgt sich um seine Freundin Emily. Je länger sie bei der Show ist, desto mehr distanziert sie sich von ihm, bis sie schließlich nicht mehr auf seine Nachrichten reagiert. Was steckt hinter ihrem untypischen Verhalten? Um das herauszufinden, muss Emil akzeptieren, dass Magie realer ist, als er je gedacht hätte. Mit »Die Stille der Herbstblume« schreibt Julia Maar eine moderne Version des Märchens Jorinde & Joringel der Gebrüder Grimm. Darin ist es Emils Liebe zu Emily, die sie bei der Verwirklichung ihrer Träume unterstützt und durch düstere Zeiten begleitet.
Julia Maar wurde 1993 im Rheinland geboren und ist dort noch immer fest verwurzelt. Seit der Grundschule schlägt ihr Herz für Bücher und das Schreiben, am liebsten taucht sie hierbei in fantastische Welten ein. Im Oktober 2017 erschien mit der Aschenputtel-Adaption 'Der siebte Sohn' ihr Debüt.
Autoren/Hrsg.
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Die Sonne war schon untergegangen, als ich die Wohnungstür aufschloss. Aus dem Wohnzimmer drangen die leisen Geräusche des Fernsehers, es klang nach einer der Talkshows, die nachts auf allen Kanälen ausgestrahlt wurden. Vermutlich waren meine Eltern in friedlicher Eintracht auf dem Sofa eingeschlafen. Leise verstaute ich meine Sandalen im Schrank und schlich barfuß durch den Flur zu meinem Zimmer. Der Holzboden war angenehm kühl an meiner Haut. In meinem Reich angekommen, legte ich meinen Rucksack ab, nahm das Top und die kurze Hose vom Bett, die ich zum Schlafen trug, und tapste ins Badezimmer. Als ich es kurz darauf umgezogen und mit Minzgeschmack im Mund wieder verließ, trat gerade mein Vater aus dem Wohnzimmer. »Hey, Papa«, begrüßte ich ihn mit gedämpfter Stimme, für den Fall, dass meine Mutter schlief. Er lächelte mich müde an. »Hallo, mein Engel. Hat Emil dich gebracht?« Ich nickte. »Das ist gut. Ein junges Mädchen sollte um diese Uhrzeit nicht mehr allein draußen unterwegs sein.« Da waren er und Emil einer Meinung. Mir hingegen behagte ganz und gar nicht, dass Letzterer danach allein und im Dunkeln wieder zurückfahren musste. Trotzdem sagte ich: »Das weiß ich doch. Gute Nacht, Papa.« »Gute Nacht, Emily. Schlaf gut.« Ich drehte mich um und zog mich in mein Zimmer zurück. Emil hatte an diesem Abend nicht weiter versucht, mich davon zu überzeugen, mit meinen Eltern zu reden. Doch eigentlich wusste ich, dass ich um dieses Gespräch früher oder später nicht herumkommen würde. Ich kippte das Fenster und genoss für einen kurzen Moment den leichten Windzug, dann schlüpfte ich ins Bett und unter eine dünne Sommerdecke. Trotz der sommerlichen Wärme brauchte ich das Gefühl des Stoffes auf meiner Haut. Die Decke eng um mich gewickelt, gähnte ich herzhaft und schloss die Augen. Egal, wie wach ich noch im einen Moment war, kaum lag ich im Bett, überkam mich die Müdigkeit. Letztendlich konnte ich nicht sagen, ob die zwitschernden Vögel oder die Geräuschkulisse in der Küche mich geweckt hatten. Beides hätte mich nicht weiter verwundert. Stöhnend rollte ich mich auf die andere Seite und starrte die Zimmertür an. Von dort lächelten mich die Musicaldarsteller aus Tanz der Vampire an. Ein Besuch hatte gereicht, um mich unsterblich in die Musik zu verlieben, und zumindest gedanklich konnte ich mittlerweile ebenfalls eine 1A-Vorstellung abliefern. Die Songtexte kannte ich in- und auswendig und nach mehreren Musicalbesuchen machten mir auch die Textszenen keine großen Schwierigkeiten mehr. Selbst meinen Eltern gefielen meine Wohnzimmer-Darbietungen. Einzig mit den Bewegungen hatte ich so meine Probleme, von den Tanzchoreografien ganz zu schweigen. Ich seufzte und stand auf. Wenn ich schon einmal wach war, konnte ich ebenso gut mit meinen Eltern frühstücken. In der Küche deckte meine Mutter gerade den Tisch, während mein Vater Zeitung las. Klischee pur, dachte ich. Dann begrüßte ich meine Eltern mit einem: »Guten Morgen.« Beide bedachten mich mit einem wohlwollenden Lächeln und meine Mutter drückte mir im Vorbeigehen einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Guten Morgen, Emily. Hast du gut geschlafen?« Nein. »Ja, habe ich.« Tatsächlich hatte ich von einer Matheprüfung geträumt. Diese hatte mich zwar einige Male aus dem Schlaf gerissen, aber nie genug, um den Traum gänzlich abzuschütteln. »Möchte noch jemand Saft?«, fragte ich, während ich eine Flasche aus dem Kühlschrank holte. Hinter der Zeitung erklang ein verneinendes Murmeln. Zumindest interpretierte ich die Geräusche als solches. Meine Mutter schob gerade die letzten Stücke Grünzeug in den Mixer und schüttelte den Kopf. »Orangensaft ist sehr säurehaltig und überhaupt nicht gut für die Zähne. Von dem Fruchtzucker mal abgesehen. Möchtest du nicht lieber etwas von meinem grünen Smoothie abhaben?« Ich goss mir ein großes Glas Orangensaft ein. »Nein, danke, Mama.« Sie zuckte mit den Schultern und erweckte per Knopfdruck den Mixer zum Leben. Währenddessen setzte ich mich an den Küchentisch, griff nach einer Scheibe Körnerbrot und begann, diese zu belegen. Mein Vater schien die Lektüre der Zeitung beendet zu haben, denn sein Gesicht kam wieder zum Vorschein. Raschelnd faltete er das Papier zusammen und legte es hinter sich auf die Fensterbank. Er setzte an, etwas zu sagen, warf dann jedoch dem Mixer einen missbilligenden Blick zu. Meine Mutter beendete das Gemüsemassaker und seine Miene glättete sich. »Wie läuft es in der Uni?« Ich stockte inmitten meiner Bewegung und es dauerte einige Sekunden, bis ich mich aus der Starre löste. Lüge oder Wahrheit? Nun setzte sich auch meine Mutter an den Tisch, vor sich ein großes Glas grünes Etwas. Ihr Gesicht drückte Besorgnis aus. Vielleicht war meine Lüge über den guten Schlaf nicht glaubhaft genug gewesen. »Ähm.« Ich dachte an Emil und wagte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. »Also ehrlich gesagt, läuft es nicht so gut.« Meine Mutter warf meinem Vater einen kurzen Blick zu, der etwas ausdrückte wie »Ich habe es dir doch gesagt«. Er ließ die Kaffeetasse sinken. »Was heißt, nicht so gut?« Ich schluckte gegen Kloß an, der sich in meiner Kehle bildete, und versuchte gleichzeitig, den Druck auf meinem Brustkorb zu ignorieren. »Die Themen liegen mir nicht sonderlich.« »Was heißt, die Themen liegen dir nicht sonderlich? Dir ist doch bewusst, dass ein Studium dir nicht so hinterhergeschmissen wird wie das Abitur!« Seine Stimme war einige Stufen lauter geworden. »Herbert!«, mahnte meine Mutter. »Mein Abi ist mir nicht hinterhergeschmissen worden«, protestierte ich leise. Tatsächlich hatte ich hart für meine Noten gearbeitet. »Aber Mathe hat mir schon immer Schwierigkeiten bereitet und die wirtschaftlichen Zusammenhänge machen es nicht besser.« »Dann wirst du dich halt hinsetzen und lernen, so wie ich es in deinem Alter getan habe.« Ein harter Zug zeigte sich um die Mundwinkel meines Vaters. Jetzt, Emily. Wenn es einen Zeitpunkt gibt, zu sagen, dass du etwas anderes machen möchtest, dann jetzt. »Aber Herbert, nun sei doch nicht so streng mit ihr. Emily braucht bestimmt nur etwas Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Nicht wahr, Schatz?«, kam meine Mutter mir zu Hilfe. Doch damit machte sie alles nur schlimmer. Ich wollte keine Zeit, um mich an die Situation zu gewöhnen. Ich wollte diese Situation nicht. »Ehrlich gesagt hatte ich darüber nachgedacht die Uni zu wechseln.« Die Worte waren raus, ehe ich es mir doch noch anders überlegen konnte. Der Druck auf meinem Brustkorb schien auch das letzte bisschen Luft aus mir herauszupressen. »Wieso sollte ein Wechsel der Uni etwas daran ändern? Das ist doch totaler Schwachsinn! Welche Uni soll es denn sein?« Langsam, aber sicher verlor mein Vater die Geduld mit mir, das erkannte ich an dem Trommeln seiner Finger auf dem Tisch. »Genau genommen würde ich nicht nur die Uni sondern auch den Studiengang wechseln. Und zwar möchte ich an die Hochschule für Musik und Tanz.« Nun war es raus und ließ sich auch nicht mehr zurücknehmen, egal, wie piepsig meine Stimme klang. Meine Mutter presste lediglich die Lippen etwas fester aufeinander als üblich, während meinem Vater in jedem guten Comic Rauch aus den Ohren gequollen wäre. »Fängst du etwa wieder mit diesem Schwachsinn an?«, polterte er los. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du in deiner Freizeit so viel singen kannst, wie du willst. Aber für deine Zukunft lernst du etwas Vernünftiges! Träumereien bezahlen keine Miete und damit ist das Thema beendet!« »Aber Papa«, setzte ich an, doch er unterbrach mich mit einer unwirschen Handbewegung. »Nein, Emily! Genug von diesen Albernheiten. Darüber diskutiere ich nicht mit dir.« Ich kämpfte gegen die Tränen an. Spürte, wie sie mir den Hals zuschnürten, und stand auf, ehe ich sie nicht länger zurückhalten konnte. Mit schnellen Schritten verließ ich die Küche, ignorierte das Rufen meiner Mutter und floh in mein Zimmer. Dort warf ich mich aufs Bett und vergrub weinend mein Gesicht im Kissen. Das hatte ich nun davon. So viel zum Thema Verständnis der Eltern. Das Geräusch der sich öffnenden Tür ließ mich den Kopf anheben. Im Türrahmen stand meine Mutter und sah mich besorgt an. »Was … willst du?«, fragte ich, von einem erstickten Schluchzen unterbrochen. Sie machte zögernd einen Schritt ins Zimmer. »Emily … was dein Vater damit sagen wollte …« »Dass es egal ist, was ich möchte? Ist angekommen.« Ich spürte, wie Tränen über meine Wangen liefen und schließlich von meinem Kinn tropften. Ich rollte mich auf die Seite und kehrte ihr den Rücken zu. »War es denn wirklich notwendig, ihn so zu reizen? Eine Schule für Musik und Tanz. Hätte es nicht einfach nur eine andere Richtung sein können? VWL zum Beispiel? Du weißt doch, wie er ist.« Ein Laut entwich mir, halb Lachen, halb Schluchzen. »Ich habe euch gesagt, was ich mir wünsche. Was sich richtig anfühlt. Aber ihr interessiert euch überhaupt nicht dafür, was ich möchte. Ihr seid gefangen in der Illusion, es gäbe nur einen richtigen Weg. Dass es nicht mein Weg ist, blendet ihr komplett aus.« »Das stimmt doch nicht, Emily. Wir wollen nur das Beste für dich.« »Vielleicht ist das Beste für mich aber nicht das, was ihr darunter versteht. Und jetzt lass mich in Ruhe.« Ohne mich umzudrehen, zog ich die Decke über mich. Später am Tag, als die letzten Tränen versiegt waren, floh ich zu Emil. Vorgewarnt durch eine knappe...