E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Lusin Let's live – Wie das Tanzen uns im Leben stark macht
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98922-071-3
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Von Gänsehaut-Momenten, Leidenschaft und der puren Lust aufs Leben | aus der RTL-Kultshow "Let's Dance", SPIEGEL-Bestseller
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-98922-071-3
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Franziska Ku?era, 1982 geboren und in Oberbayern aufgewachsen, entwickelt und betreut als Redakteurin in der Medienagentur DiE WORTSTATT unterschiedliche Print- und Onlineprojekte. Als Autorin liebt sie es, in Menschen und deren Geschichten einzutauchen. Sie lebt mit ihrer Familie in Grafing bei München.
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Kapitel 1
Das kleinste Team der Welt
»Iiih, nein, ich tanze mit keinem Jungen!« Entrüstet stand ich mit meinen sechs Jahren vor meiner Mutter, die mich zu einer Tanz-AG für Kinder gebracht hatte. Erst in diesem Moment realisierte ich, dass ich mit einem Jungen in meinem Alter tanzen musste. »Nie im Leben«, schimpfte ich, »dazu habe ich keine Lust!« Irgendwie hatte ich das mit den zwei verschiedenen Geschlechtern schon verstanden und das ging mir einfach zu nah. Da half auch kein Überredungsversuch meiner Mutter – ich wollte nicht tanzen.
Renata erinnert sich, als wäre es gestern gewesen, wie sie in ihrer Heimatstadt Kasan – die gut 800 Kilometer östlich von Moskau an der Wolga liegt – zum ersten Mal zum Paartanz sollte. In Russland ist es üblich, Kinder schon im frühen Alter in einen Verein zu geben, wo die unterschiedlichsten Kurse angeboten werden. Da der klassische Paartanz Renata anfangs nicht gefiel, probierte sie ein paar Jahre andere Aktivitäten wie Ballett, Malen, Sticken und Klavierspielen aus. Ihr Großvater aber liebte das Tanzen und es war sein größter Wunsch, dass Renata es noch einmal versuchte. Also fing sie mit zehn Jahren – für russische Verhältnisse schon relativ spät – doch noch mit dem Tanzen an. Große Unterstützung erfuhr Renata dabei auch von ihrer Großmutter, die sich um gute Trainer sowie Tanzpartner für ihre Enkelin bemühte. Sie stellte die für Renatas Karriere benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung und verkaufte dafür sogar ihre Datscha, ein Wochenendhaus im Wert von mehreren tausend Euro. Das Tanzen war daher bei Renata von Anfang an von einer hohen Professionalität geprägt. Das ging sogar so weit, dass sie bereits in jungen Jahren für ihre Tanzkarriere die Heimat und ihre Eltern und Freunde verließ.
Mich motivierte nicht das Zusammensein mit Freunden oder anderen Kindern. Ich war von Anfang an sehr ehrgeizig und wollte – wie in der Schule – immer die Beste sein. In Russland gilt man mit zehn Jahren schon als ziemlich erwachsen. Es wird viel Disziplin erwartet und der Tanzunterricht läuft sehr streng ab. Ich hatte sieben Privatstunden in der Woche, da war kein Platz für Quatsch und Blödelei. Ich habe auch nie in einer Kinderklasse getanzt, ich bin sofort bei den Junioren eingestiegen.
Als ich 13 Jahre alt war, befand meine Familie, dass Kasan für meine Karriere nicht mehr genug Optionen zu bieten hatte. Und so ließ mein Opa alles hinter sich und zog mit mir nach Moskau. Auch dort stand der Konkurrenzgedanke immer sehr im Vordergrund. Zwar begann ich mich ein bisschen für Jungs zu interessieren – mein damaliger Tanzpartner fand mich sehr hübsch, er war schon zwei bis drei Jahre älter und flirtete mit mir. Aber der Tanzpartner war eher Mittel zum Zweck, um selbst aufzusteigen. Es gab kein Teamgefühl. Die Devise war immer: »Du tanzt mit ihm, damit du selbst besser wirst.«
In Russland ist es üblich, dass wohlhabendere Familien den Partner oder die Partnerin des eigenen Kindes mitfinanzieren, wenn sie als besonders talentiert gelten und sich ihre Familien den Unterricht nicht leisten können – allerdings nur so lange, wie sie das eigene Kind mit ihren Fähigkeiten vorwärtsbringen. Immer dann also, wenn Renatas Eltern oder ihre Großmutter der Meinung waren, sie hätte mit ihrem Können den aktuellen Tanzpartner überholt, suchten sie ihr einen neuen. Im Alter zwischen 10 und 16 Jahren hatte Renata deshalb insgesamt zwölf Partner.
Einer ihrer ersten Partner, noch zu Hause in Kasan, wohnte sogar bei ihrer Familie. Ihre Großmutter hatte ihn aus Sibirien kommen lassen, rief Renata in die zweite Etage ihres Hauses, wo sie bereits mit dem Jungen wartete, und forderte sie zu einem Probetanz auf. Eigentlich gab es aber gar nichts mehr zu »probieren«, denn die Entscheidung war längst gefallen und der Junge bereits eingezogen. Renata hatte aber auch selbst sehr klare Vorstellungen und Ansprüche an ihre Tanzpartner.
In Moskau hatte ich kurze Zeit einen Partner, der mir aber überhaupt nicht gefiel. Er hatte keinerlei Ehrgeiz und guckte immer so gelangweilt. Das nervte mich dermaßen! Und als er dann auch noch bei einem Tanz die Choreografie vergaß, bin ich ihm mit meinem Schuhabsatz mit voller Kraft auf den Fuß getreten, damit er nicht mehr mit mir tanzen wollte – was auch so kam. Er verstand meinen »Wink mit dem Zaunpfahl«, und rief schließlich nach der Tanzstunde meinen Opa an: »Entschuldigung, ich würde gerne nicht mehr mit Renata tanzen.«
Ich war schon immer unglaublich temperamentvoll und ehrgeizig. Wenn mir etwas nicht passte, sorgte ich dafür, dass es sich änderte – auch mit solchen Aktionen. In Moskau stritt ich mit jedem einzelnen Partner, den ich hatte, und mein Opa sagte nach gefühlt jedem Training zu mir: »Renata, dein Charakter ist eine Katastrophe, halt doch bitte endlich mal deinen Mund!« Mein armer Opa! Hoffentlich hat er nicht wegen mir schon vier Herzinfarkte gehabt.
Aber es war auch für mich eine schwierige Zeit. Ich steckte mitten in der Pubertät, war weit weg von meinen Eltern und ging mit meinem Opa durch all die Phasen eines jungen Mädchens: die Veränderung des Körpers, die erste Periode, das erste Verliebtsein – und das alles eingebettet in den leistungssportlichen Tanzunterricht. Erst Valentin konnte mich zügeln, aber auch das brauchte seine Zeit ...
Valentin verbrachte seine ersten Lebensjahre ebenfalls in Russland. Er stammt aus einer sehr musischen Familie und besuchte in seiner Geburtsstadt St. Petersburg ebenfalls eine Tanz-AG. Außerdem ging er zum Klavierunterricht.
Valentins Urgroßmutter war Deutsche. 1995, als er acht Jahre alt war, emigrierte seine Familie dann als Spätaussiedler nach Düsseldorf. Um ihrem Sohn in der neuen Heimat möglichst schnell eine feste Struktur zu bieten, nahmen Valentins Eltern alles verfügbare Geld zusammen und kauften ihm ein gebrauchtes Klavier, obwohl sie nur in einer Einzimmerwohnung lebten. Valentin hatte nämlich großes Talent, und so nahm er schon bald an Jugend musiziert-Wettbewerben bis zur Bundesebene teil. Aber auch das Tanzen geriet nicht in Vergessenheit, nach etwa einem Jahr begann er, zusätzlich zu den täglichen Klavierstunden, jeden zweiten Tag zum Tanztraining zu gehen. Mit der Zeit merkte Valentin aber, dass ihm das Einstudieren von klassischen Musikstücken immer weniger Spaß machte, während er das Tanzen stets im Kopf hatte und sich besonders auf das Training zusammen mit Gleichaltrigen freute. Also entschied er sich, das professionelle Klavierspielen aufzugeben und sich dafür ganz dem Tanzen zu widmen.
Ich liebte von Anfang an das Zusammensein mit anderen Kindern. Die Gruppendynamik beim Tanzunterricht faszinierte mich. Schon in Russland freute ich mich jedes Mal sehr auf das Tanztraining, weil ich wusste: Dort treffe ich meine Freunde, dort kann ich ein bisschen aus der strengen russischen Schule ausbrechen. Und ich gab schon immer gerne den Klassenclown, ich mochte es einfach, im Zentrum zu stehen, die Aufmerksamkeit der anderen auf mich zu ziehen und mich zu präsentieren – was in der Regelschule natürlich bestraft wurde, sich jedoch im Tanzunterricht aber auf einmal richtig gut machte, weil ich der Mutige war, der vortanzen wollte. Und wenn du da Späßchen machen und dich bewegen konntest, war das natürlich schon von Vorteil. Natürlich war meine erste Trainingsphase in St. Petersburg trotzdem von viel Disziplin geprägt und auch hier durfte ich nicht übertreiben. Aber ich fühlte mich da wirklich gut aufgehoben.
In Deutschland war es dann ähnlich: Ich erinnere mich noch gut an eine Phase, in der mir das Training unglaublich viel Spaß machte, gerade weil es ein Gruppentraining gab und ich das Tanzerlebnis in der Gruppe liebte. Wir hatten zwei sehr junge Trainer und ich konnte meinen Drang zur Kreativität voll ausleben und einfach Kind sein. Und dann kam plötzlich der Moment, als ich realisierte: Hier sind ja viele Mädels um mich herum, einige davon hübsch und auf eine besondere Art reizend!
DAS Großereignis war von da an der Abschlussball des Vereins, für den alle Kinder und Jugendlichen als Gruppe, aber auch schon im Paar etwas einstudierten. Die Mädchen machten sich schon richtig zurecht, und als am späteren Abend der »freie« Tanz begann, war es immer sehr spannend, wer wohl mit welchem Mädchen tanzen würde und wie lange. Da ist noch gar nichts passiert, aber es war ein erstes Flirten auf kindliche Art. Ich entdeckte einfach das Interesse am anderen Geschlecht. Es war aber nicht immer die eigene Tanzpartnerin und es gab auch keine erste große Liebe, bevor Renata meine Tanzpartnerin wurde.
Renata ist Valentins dritte Tanzpartnerin. Zuvor war er bereits sehr erfolgreich mit einer deutschen und mit einer ukrainischen Tänzerin. Als die direkte Vorgängerin von Renata von einem Tag auf den anderen zurück in die Ukraine ging, machte sich Valentins Mutter 2003 auf die Suche nach einer neuen...