E-Book, Deutsch, Band 4, 272 Seiten
Reihe: Sheltered in blue
Lundberg Sheltered in blue: Wenn wir verletzen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7546-7696-7
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 4, 272 Seiten
Reihe: Sheltered in blue
ISBN: 978-3-7546-7696-7
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Svea Lundberg & Julia Fränkle - zwei Namen, eine Autorin. Svea schreibt gefühlvolle sowie authentische Romane in den Genres Romance, New Adult, Erotik und Crime/Thrill, häufig aber nicht immer im LGBTQ*-Bereich. Sinnliche Momente, Beziehungen auf Augenhöhe und außergewöhnliche Themen sind in ihren Romanen garantiert. Julia hingegen steht für packende Fantasy voller Intrigen, Magie und einer ordentlichen Portion Blut und Dreck.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1 – Domenico
»Weißt du, was ich bei K echt vermissen werde?«
Statt mich zu Yagmur umzudrehen, lehne ich mich noch ein bisschen weiter über die Rückbank des Streifenwagens, um mit einem Desinfektionstuch über die Stellen zu wischen, auf die sich unser Beschuldigter vorhin erbrochen hat.
»Nee, was?«, gebe ich fragend zurück. »Kotze auf Sitzbezügen wohl kaum.«
Schräg hinter mir vernehme ich Yagmurs Kichern. »Tatsache. Nein. Deinen Knackarsch in Uniform.«
Wäre es nicht meine Streifenpartnerin, die mir diesen Spruch an den Kopf knallt, hätte ich mir selbigen beim überraschten Rückzug aus dem Streifenwagen vermutlich heftig angestoßen. So jedoch krabble ich vorsichtig rückwärts aus dem Auto, ehe ich Yagmur über die Schulter hinweg einen schiefen Blick zuwerfe.
»Tja, selbst schuld. Du wolltest ja unbedingt zur Kripo.«
»Jaaa.« Sie seufzt gespielt theatralisch und hält mir den Plastikeimer entgegen, in dem bereits der versiffte Lappen liegt, mit dem ich die Sitzpolster zuvor abgewaschen habe. »Aber irgendwie hab ich bei meiner Bewerbung nicht bedacht, dass bei K fast alle zivil rumlaufen.«
Lachend zerre ich mir die Gummihandschuhe von den Fingern, die gleich darauf mitsamt Desinfektionstuch ebenfalls im Eimer landen.
»Man sollte meinen, du wärst Polizistin geworden, weil du Gutes tun und für Recht und Ordnung sorgen willst und nicht, weil du einen Uniform-Fetisch hast.«
»Ach so?« Unter ihrem nahezu schwarzen Pony hinweg blinzelt Yagmur mir zu, ihre Miene dabei eine herrliche Mischung aus Schalk und gespielter Unschuld. Als ob ... Wenn wir mit unserer Schicht beim Feierabend sitzen, ist es meist Yagmur, die mit ihren Sprüchen ihre männlichen Kollegen sprachlos macht.
»Wenn’s dich glücklich macht, schick ich dir in jeder Dienstrunde ein Selfie von mir in Uniform«, verspreche ich ihr spaßhaft und drücke auf den Funkschlüssel, höre gleich darauf die Verriegelung des Streifenwagens klicken. Gemeinsam mit Yagmur sprinte ich die wenigen Stufen zum Revier nach oben.
»Ich bitte darum.«
Wüsste ich nicht ganz genau, dass Yagmur erstens in einer festen, monogamen und meines Erachtens glücklichen Beziehung ist und sie zweitens über meine Vorliebe für Männer Bescheid weiß, würde ich mir vielleicht langsam Sorgen machen. So jedoch ziehe ich sie spontan an mich, ehe sie die Hand nach der Klingel ausstrecken kann. Mit der freien Hand schnappe ich mir ihre Dienstmütze, sodass ich ihr einen Kuss auf ihren glänzend dunklen Schopf setzen kann.
»Werd dich auch vermissen, Yaya.« Noch während ich ihren Spitznamen nuschle, lasse ich sie bereits wieder los. Direkt vor dem Innenstadtrevier auf der vielbesuchten Theodor-Heuss-Straße stehend, ist sicher nicht der richtige Ort, um in Dienstkleidung derartige Gesten auszutauschen. Doch egal, ob wir gerade noch im Dienst sind oder schon Feierabend haben, es stimmt: Ich werde Yagmur vermissen. Als Streifenpartnerin und als Freundin. Sicher werden wir in Kontakt bleiben, aber wir wissen doch alle, wie es läuft: Anfangs schreibt man sich noch häufig, trifft sich zum Kaffee oder zum gemütlichen Wein trinken, aber mit der Zeit wird der Kontakt lose. Ich hoffe nur, dass er nicht ganz abreißen wird.
Von unten herauf blinzelt Yagmur mir zu. Für einen kurzen Moment teilen wir vertraute Blicke, ehe sie sich abwendet und endlich auf die Klingel drückt. Keine drei Sekunden später summt der Türöffner.
Die große Wanduhr im Eingangsbereich zur Wache zeigt sieben Minuten nach sechs – wir haben also tatsächlich schon Feierabend. Die Nachtschicht war anstrengend und der kotzende Typ im Streifenwagen nur der krönende Abschluss. Ich bin müde und außerdem warten zu Hause meine beiden Hunde auf mich. Heute allerdings werde ich mir das Feierabendbier – oder eher: Feiermorgenbier – nicht entgehen lassen. Und die Baklava, die Yagmur für ihren Ausstand gebacken hat, eignen sich sicherlich auch bestens als Frühstück.
Wenige Minuten später bediene ich mich an den mit Nuss gefüllten Blätterteigtaschen. Besonders viele sind nicht mehr übrig; unsere Kollegen haben während des zurückliegenden Nachtdienstes schon ordentlich zugeschlagen. Statt Bier habe ich mich dann doch für Kaffee entschieden. Auch Yagmur nippt neben mir an ihrer Tasse und sieht dabei aus, als würde ihr gerade erst so richtig bewusst werden, dass dies der letzte Feierabend im Kreise ihrer Schichtkollegen ist. Ich weiß, wie sehr sie darauf gehofft hat, die Stelle bei der Kripo zu bekommen. Der Streifendienst war nie ihr erklärtes Ziel bei der Polizei und doch war sie immer motiviert und vor allem zuverlässig bei der Sache. Wir waren ein verdammt gutes Team, und auch wenn ich all meine anderen Kollegen mag und gut mit ihnen auskomme, würde ich zukünftig mit keinem von ihnen lieber rausfahren als mit meiner Yaya.
Während ich mir ein weiteres Stück Baklava in den Mund schiebe und mit halbem Ohr den Worten Jochens lausche, die er an unsere Abtrünnige richtet, lasse ich den Blick durch die Runde unserer Kollegen schweifen. Im Grunde haben wir fest eingeteilte Streifenteams, auch wenn es natürlich hin und wieder aufgrund von Urlaub oder Krankheit zu kurzzeitigen Wechseln kommt. Ich bin also wirklich gespannt darauf, mit wem Jochen mich in den nächsten Wochen rausschicken wird.
Pia und Jens sind wohl raus, denn beide haben momentan je einen Praktikanten, was eigentlich schade ist, denn gerade Pia und ich haben eine sehr ähnliche Herangehensweise an bestimmte Situationen, sodass wir als Team gut harmonieren würden. Privat verstehe ich mich auch mit Tim sehr gut, aber seine andauernden Raucherpausen gehen mir tierisch auf den Keks.
Insgeheim hoffe ich daher ein bisschen auf Sekou. Er ist noch nicht lange bei uns auf dem Revier und überhaupt noch nicht allzu lange bei der Polizei. Er ist Quereinsteiger, war vorher Physiotherapeut. In einer ruhigen Minute hat er mir allerdings anvertraut, dass er eigentlich schon immer Polizist werden wollte, doch seine Eltern, die vor vielen Jahren aus Ghana nach Deutschland gekommen sind, haben ihn nach der Schule davon abgehalten, da sie wohl befürchteten, er würde kein leichtes Standing bei der deutschen Polizei haben. Ich selbst habe nie miterlebt, dass er von Kollegen angegangen worden wäre, und er selbst hat schlechte Erfahrungen verneint, als ich ihn einmal danach gefragt habe. Per se anzunehmen, dass es nie zu solchen kommen könnte, erschiene mir allerdings reichlich verblendet. Ich selbst schätze ihn – als Kollegen ebenso wie als Mensch.
»... kann ich euch auch gleich noch mitteilen, dass ich gestern von der Führungsgruppe Bescheid bekommen habe: Wir kriegen zum Monatsanfang einen neuen Kollegen.«
Bei Jochens Worten horche ich auf und bemerke aus dem Augenwinkel, dass auch die Blicke einiger Kollegen unweigerlich zu mir huschen. Theoretisch wäre es auch möglich, dass unser Dienstgruppenleiter die personellen Veränderungen auf der Schicht zum Anlass nimmt, die Streifenteams ganz neu durchzumischen, aber schon verkündet er: »Den drücke ich dir aufs Auge, Domenico.«
»War klar«, entgegne ich mit einem Zwinkern. Abgesehen davon, dass meine Streifenpartnerin das Revier verlässt, bin ich auch einer derjenigen aus unserer Truppe, die bereits am längsten auf dem Innenstadtrevier arbeiten. Das Polizeirevier 1 ist so was wie ein Durchgangsrevier. Viele der Kollegen, die hier landen, haben eigentlich keine Lust auf den zugegebenermaßen manchmal sehr stressigen Arbeitsalltag direkt in der Stuttgarter Innenstadt, sodass sich viele wieder wegbewerben. Nicht unbedingt aufs Land, aber doch in die Außenbezirke Stuttgarts. Ich hingegen bin sozusagen Ich liebe den Trubel der Stadt, den Umstand, dass es immer etwas zu tun gibt und ja, mich reizt auch der Umgang mit der teilweise doch sehr speziellen Klientel, mit welcher wir es hier im Dienst zu tun haben. Auch wenn ich weiß Gott nicht jede Nacht Lust darauf habe, Kotze oder diverse Körperflüssigkeiten aus dem Streifenwagen oder von meiner Uniform zu wischen.
»Weiß man schon was über den Kollegen?«, hake ich an Jochen gewandt nach.
»Nicht viel. Unsere Revierleitung hat mir nur quasi im Vorbeigehen Bescheid gegeben. Sind noch zwei Wochen bis dahin, er hat anscheinend gerade noch Urlaub wegen des Umzugs. Jansen war sein Name. Sascha. Wenn ich richtig informiert bin, ist er POK und kommt aus einem anderen Bundesland. Hamburg, glaube ich. Ausm Norden jedenfalls.«
»Mhm, na dann«, murmele ich in meine Kaffeetasse und nehme einen weiteren großen Schluck. Ebenso wie der Kaffee hinterlassen auch die Worte des Dienstgruppenleiters einen leicht bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Dass der neue Polizeioberkommissar ist, bedeutet entweder, dass er schon recht lange im Dienst ist, und damit älter sein dürfte als ich, oder aber es ist ein junger Aufstiegsbeamter. So oder so dürfte es spannend bleiben, ob er sich von mir – einem Hauptmeister Ende zwanzig – etwas wird sagen lassen. Nicht, dass ich mich vor einem möglichen Konflikt scheuen würde oder Angst hätte, dem Neuen nicht gewachsen zu sein. Ich habe einiges an Erfahrung und kann durchaus deutlich werden, wenn es sein muss. Ich habe nur einfach keine Lust auf irgendwelche unterschwelligen Machtkämpfe im Dienst, schon gar nicht mit meinem Streifenpartner. Mit dem will ich ein Team sein, mich notfalls blind auf ihn – oder sie – verlassen können. Eben so, wie es mit Yagmur war.
Mit einem lautlosen Seufzen auf den Lippen lege ich einen Arm um meine nun Ex-Streifenpartnerin und drücke sie leicht an mich.
~*~*~*~*~*~
Zum wiederholten Mal, seit ich die...