Lukian | Hetärengespräche | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 615 Seiten

Lukian Hetärengespräche


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3097-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 615 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3097-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Hetärengespräche' ist der Titel einer Sammlung von fünfzehn dialogischen Miniaturen des Lukian von Samosata, geschrieben wahrscheinlich nach 160 n. Chr. Die kleinbürgerliche Halbwelt Athens (Hetären, ihre Liebhaber, Nebenbuhlerinnen, Quacksalber, Matrosen) tritt in Alltagsdramen voller Sorgen, Sentimentalität und Komik auf, ihre Akteure reden die attische Gossensprache. Die voneinander unabhängigen Genreszenen drehen sich um den an eine andere Frau verlorenen Freund; um den Liebhaber, der womöglich heiraten wird; um einen ganzen Eifersuchtsreigen; um die syrische Zauberin, die das Objekt des Verlangens verliebt machen soll; um die Freuden der Homoerotik; um die Feinheiten des Hetärenmetiers und die Psychologie der Kundschaft; um die heimkehrenden angeblichen Kriegshelden; um die Philosophie, die liebesunlustig macht; um die Rückgewinnung eines untreuen Liebhabers; oder auch um den armen Matrosen, den seine Angebetete wegjagt, weil er immer nur Zwiebeln, Käse und Heringe schenkt.

Lukian Hetärengespräche jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Der Hahn



oder

Der Traum des Micyllus



Der Schuster Micyllus und sein Haushahn.

MICYLLUS. O du vertrackter Hahn, daß dich und die verdammte Trompete in deinem Halse der große Jupiter zerschmettre, du neidische Bestie! Mich aus dem angenehmsten Traume von der Welt, einem Traume, der mich zum reichen Manne gemacht hatte, mit deiner durchdringenden Nachtwächterstimme aufzukrähen, so daß ich der Armut, die mir noch verhaßter ist als du selbst, nicht einmal im Schlaf entgehen kann! Gleichwohl, nach der überall herrschenden tiefen Stille und da mich der Morgenfrost noch nicht peinigt, der mir sonst der unfehlbarste Vorbote des annahenden Tages ist, kann es noch nicht um Mitternacht sein. Was fehlt denn dem schlaflosen Ungetüm, daß er schon so früh zu krähen anfängt, als ob er das berühmte Goldne Vlies zu bewachen hätte? Aber warte nur, es soll dir übel bekommen! Ich will dir das Hirn dafür aus dem Kopfe schlagen, sobald der Tag angebrochen ist! Jetzt würdest du mich doch nur vergebens herumtreiben, wenn ich im Dunkeln aufstehen wollte.

DER HAHN. Micyllus, mein geliebter Herr und Meister, ich bildete mir ein, was ich dir für einen großen Gefallen tun würde, wenn ich dir eine recht kurze Nacht machte, damit du noch vor Tag an deine viele Arbeit gehen und desto bälder fertig werden könntest. Denn wenn du vor Sonnenaufgang auch nur einen Pantoffel fertig kriegst, so ist schon so viel an deinem Unterhalt für den nächsten Tag verdient. Indessen, wenn du lieber schlafen willst, so will ich schweigen, und kein Fisch soll dir stummer sein als ich: aber dann magst du auch zusehen, daß du nicht, um im Traume reich zu sein, wachend hungern müssest.

MICYLLUS. O wundertätiger Jupiter und Nothelfer Herkules, steht mir bei! Was für ein Unglück bedeutet mir das! Mein Hahn spricht wie ein Mensch!

DER HAHN. Hältst du denn das für ein so großes Wunder, daß ich eure Sprache rede?

MICYLLUS. Gott behüte und bewahre! Das sollte kein Wunder sein?

DER HAHN. Ich sehe, mein guter Micyllus, daß du es nicht weit in der Gelehrsamkeit gebracht und nicht einmal den Homer gelesen hast, in dessen Gedichten Xanthus, eines der Rosse des Achilles, mitten in der Schlacht zu sprechen anfängt, als ob es in seinem Leben nicht gewußt hätte, was Wiehern wäre; und nicht etwa in gemeiner Prose wie ich: es deklamiert eine ganze Tirade von Hexametern daher und sagt seinem Herrn zukünftige Dinge zuvor so gut wie der beste Prophet, ohne daß ein Mensch sich darüber aufhält und es als etwas Unnatürliches betrachtet, ohne daß Achilles, wie du, einen Nothelfer anruft, um die Vorbedeutung von ihm abzuwenden. Was hättest du erst getan, wenn du den Kielbalken des Schiffes »Argo« reden oder die berühmte Buche im dodonischen Walde mit klarer Stimme Orakel von sich geben oder die Häute der geschlachteten Sonnenrinder herumkriechen und das Fleisch an den Spießen, gesottenes und gebratenes, hättest brüllen hören? Was mich betrifft, da ich dem sprachseligsten und beredtesten aller Götter, dem Merkur, zur Seite bin und überdies immer unter euch Menschen als ein gewöhnlicher Hausgenosse wohne, konnte es mir so schwer eben nicht werden, auch euere Sprache reden zu lernen. Wenn du mir aber heilig versprechen willst, reinen Mund zu halten, so will ich mich's nicht verdrießen lassen, dir eine noch wahrere Ursache meiner menschlichen Sprache und wie ich dazu gekommen bin, zu offenbaren.

MICYLLUS. Aber ist's denn möglich, daß das kein Traum wäre? Ein Hahn, der sich ordentlich in ein Gespräch mit mir einläßt! Wohl dann, weil es nun einmal nicht anders ist, mein edler Herr Hahn, so entdecke mir dann, worin diese noch wahrere Ursache deiner Redseligkeit besteht. Daß ich einem Menschen was davon sagen sollte, hast du nicht zu besorgen; denn wer würde mir's glauben, wenn ich sagte, daß ich's von einem Hahn gehört hätte?

DER HAHN. So höre denn! Ich weiß sehr wohl, daß ich dir etwas höchst Unglaubliches sage, allein es ist nun so: ich, der ich dir jetzt ein Hahn zu sein scheine, bin vor nicht gar langer Zeit ein Mensch gewesen.

MICYLLUS. Ich erinnere mich, in meiner Kindheit so was von dir gehört zu haben. Ein gewisser junger Mensch, namens Alektor, hieß es, sei ein besonderer Günstling des Kriegsgottes gewesen, habe mit ihm getrunken und geschmauset und ihm in seinen Liebeshändeln Dienste getan. Denn sooft Mars der Liebesgöttin einen heimlichen Besuch gegeben, habe der junge Alektor im Vorzimmer Wache stehen müssen, um seinem Herrn anzuzeigen, wenn sich der Sonnengott sehen lasse, von welchem Mars immer entdeckt und verraten zu werden befürchtet habe. Zum Unglück sei der arme Alektor einsmals auf seinem Posten eingeschlafen; der Sonnengott habe die beiden Verliebten, die sich auf ihren Wächter verließen, unversehens überrascht und sogleich dem Vulkan davon Nachricht gegeben, der sie dann in einem schon lange für sie verfertigten Netze gefangen und dem ganzen Himmel zur Schau dargestellt habe: Mars aber, sobald er wieder losgekommen, habe in seinem Zorne den Alektor in einen Hahn verwandelt; und daher komme es, daß ihr Hähne, um euch bei ihm außer Verantwortung zu setzen (wiewohl es ihm jetzt nichts mehr helfen kann), wenn ihr merkt, daß die Sonne bald aufgehen werde, schon eine gute Weile vorher zu krähen anfangt.

DER HAHN. Ich kenne das Märchen, Micyllus; aber mit mir ist es ein anderes: denn es ist noch gar nicht lange, daß ich aus einem Menschen ein Hahn geworden bin.

MICYLLUS. Nun da möcht ich doch wissen, wie das zuging.

DER HAHN. Ist dir etwas von Pythagoras, Mnesarchus' Sohn, von Samos bekannt?

MICYLLUS. Du meinst doch wohl den Sophisten, den närrischen Kerl, der das Fleischessen verbot und meine Leibspeise, die Bohnen, von den Tafeln verbannete und die Leute überredete, fünf Jahre lang kein Wort miteinander zu reden?

DER HAHN. Du weißt also vermutlich auch, daß er, eh er Pythagoras wurde, Euphorbus war?

MICYLLUS. Er soll ein großer Scharlatan und Wundermann gewesen sein.

DER HAHN. Dieser nämliche besagte Pythagoras – bin ich selbst; also keine Schimpfwörter, wenn ich bitten darf! Zumal da du, wie es scheint, meinen damaligen Charakter sehr schlecht kennest.

MICYLLUS. Immer besser! Ein Gockelhahn, der ein Philosoph ist, das ist noch das allertollste! Nun, so erkläre uns denn, o Sohn des Mnesarchus, wie du aus einem Menschen ein Vogel, aus einem Samier ein Tanagräer geworden bist! Denn was du da sagst, ist weder wahrscheinlich noch auf irgendeine Art leicht zu glauben; zumal da ich bereits zwei Dinge an dir bemerkt habe, die auf den Pythagoras ganz und gar nicht passen.

DER HAHN. Und was wäre das?

MICYLLUS. Fürs erste bist du ein Schwätzer und Schreier, und das reimt sich schlecht zu dem fünfjährigen Stillschweigen, wozu er seine Leute anhielt; zweitens beobachtest du seine Gesetze nicht: denn noch erst gestern, da ich dir sonst nichts zu essen geben konnte, picktest du die Puffbohnen auf, die ich dir nach Hause mitgebracht hatte. Also eines von beiden: entweder du lügst, wenn du dich für den Pythagoras ausgibst, oder du hast dein eigenes Gesetz übertreten und eine sehr gottlose Tat begangen, da du die Puffbohnen verschlucktest, »weil es ebensoviel ist, als ob du deines Vaters Kopf gefressen hättest«.

DER HAHN. Ich sehe wohl, daß dir der geheime Sinn dieses Verbotes unbekannt ist: und dann bedenkst du nicht, daß sich für einen Hahn sehr wohl schicken kann, was sich für einen Philosophen nicht schickt. Damals aß ich keine Bohnen, weil ich ein Philosoph war: jetzt, da ich ein Hahn bin, esse ich sie als eine meinesgleichen Vögeln gewöhnliche und unverbotene Speise. Aber wenn du Lust hast, will ich dir erzählen, wie ich aus dem Pythagoras das, was ich jetzt vorstelle, geworden bin, wie vielerlei Arten von Existenz ich durchlaufen und was ich aus jedem vorigen Leben davongebracht.

MICYLLUS. Rede, solange du willst; ich höre dir mit dem größten Vergnügen zu; und wirklich, wenn mir die Wahl gelassen würde, was ich lieber wollte, dich so schwatzen und erzählen zu hören oder meinen vorigen wonnevollen Traum fortzuträumen, ich wüßte nicht, was ich wählen sollte.

DER HAHN. Wie ich höre, kannst du dir deinen Traum noch immer nicht aus dem Sinne schlagen, der dir doch, wie schön er auch gewesen sein mag, nichts als eitle Bilder einer wesenlosen Glückseligkeit vorhielt, die dir, indem du nach ihnen haschest, wie Schatten aus den Händen schlüpfen.

...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.