Lukas Für die Liebe, für die Kunst
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-943876-23-9
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Stories ohne Kompromisse
E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Reihe: Edition MundWerk
ISBN: 978-3-943876-23-9
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Clint Lukas' kompromissloser Held geht malochen, obwohl er Arbeit scheiße findet, macht Filme, obwohl er Filmleute nicht ertragen kann, hält sich für einen Frauenversteher und hat trotzdem immer Streit mit ihnen. Woran das liegt, dass immer alles so kompliziert sein muss? An ihm wohl kaum. Findet er jedenfalls. Clint Lukas ist Mitglied der Surfpoeten, der ältesten Lesebühne Berlins. Dieses Buch enthält eine Auswahl seiner besten Geschichten.
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Lindenbügel
Herr Lindenbügel hatte Prostata-Krebs und war mal Bulle gewesen und war auch sonst ganz in Ordnung. Er tat immer so, als könne er mich nicht leiden, aber ich wusste es besser. Dummerweise hatte ich mich gerade wieder versprochen und ihn Lindendübel genannt. „Verdammt noch mal, es heißt Lindenbügel!“, rief er. „Was hab ich denn gesagt?“ „Lindendübel!“ „Tschuldigung.“ „Wie blöd muss man sein, um Bügel und Dübel zu verwechseln?“ „Das kann doch mal passieren.“ „Ich geb dir gleich, du!“ „Was ist das überhaupt für’n Name, Lindendübel?“ „Lindenbügel!“ „Ja, ich meine, wenn ich einfach Horst zu Ihnen sagen dürfte-…“ „Soweit kommt’s noch!“ „Na, dann eben nicht.“ „Häh?“ „Ist auch egal.“ „Jetzt werd mal nicht pampig, Freundchen!“ „Sollen wir jetzt spazieren gehen, oder nicht?“ „Frag nicht so blöd. Siehst doch, dass ich schon fertig angezogen bin.“ Ich half ihm in den Rollstuhl, wobei ich natürlich auch wieder alles falsch machte. Dann waren wir auf der Straße. „Mensch, was ruckelt hier denn so?“, maulte er. „Ich scheiß mir ja in die Hosen.“ „Sie sehen doch, dass die den Schnee nicht weggeräumt haben. Wie soll ich das denn machen?“ „Pah, mit so einem Klugscheißer schicken die mich auf die Straße!“ „Ich würd ja gern sagen, ich hab’s mir auch nicht ausgesucht, aber das stimmt ja nicht.“ „Ein Samariter und ein Klugscheißer.“ Er hielt ein paar Minuten lang den Mund, während wir eine Runde auf dem Kranoldplatz drehten. Dann fing er wieder an. „Und sowas macht dir Spaß?“ „Was?“ „Alte Deppen wie mich durch die Gegend zu schieben.“ „Keine Ahnung. Sieht so aus.“ „Oder haben sie dir Sozialstunden aufgebrummt?“ „Nein.“ „Soso. Und was sagt dann deine Freundin dazu, dass du so ein Gutmensch bist?“ „Ich hab keine Freundin.“ „Na, dann halt dein Mädchen, oder was. Wie sagt ihr denn jetzt dazu?“ „Ich bin ungebunden.“ „Bist du schwul?“ „Das geht Sie doch nichts an.“ „Du bist schwul!“ „Nein, ich bin nicht schwul.“ „Warum hast du dann keine Freundin?“ „Einfach so.“ „Versteh ich nicht.“ „Hat sich halt in letzter Zeit nicht ergeben.“ „Na, dann raus mit dir und such dir eine! Und trödel nicht in diesem scheiß Hospiz rum.“ „Ach, wobei…“ „Was?“ „Da sind ja auch noch die Schwesternschülerinnen.“ „Ach so?“ „Bei denen komm ich natürlich ganz gut an.“ „Ja?“ „Ja, es irritiert sie irgendwie. Dass ich so ein selbstloser Humanist bin. Aber wenn ich dann auch noch anfange, Klavier zu spielen…“ „Wirklich?“ Das schien ihm zu gefallen. Ich sah von hinten, wie er grinste. „Aber die sind ja auch nicht hübsch, oder? Zu mir kommt immer nur diese dicke Nudel.“ „Welche?“, fragte ich. „Die, die immer alles fallen lässt.“ „Ach so, na ja.“ „Jedes mal haut sie irgendwas runter.“ Ich musste lachen. „Und die gefällt dir?“ „Es gibt ja auch noch andere.“ „Und wieso kommen die nicht zu mir?“ „Tun sie, aber nur wenn Sie schlafen.“ „An einen tollen Verein bin ich da geraten.“ „Wahrscheinlich haben sie Angst, Ihren Namen falsch auszusprechen.“ „Blöder Hund.“ Ich schob ihn zurück zum Hospiz und in sein Zimmer. Auf dem Flur kamen wir an einer rothaarigen, flotten Schülerin vorbei und er verdrehte den Kopf nach ihr und hätte nicht anzüglicher grinsen können. „Muss das sein?“, fragte ich ihn nachher. „Sei nicht so zimperlich. Du bist doch hier der abgebrühte Schürzenjäger.“ „Das hab ich doch nur so gesagt.“ „Jetzt komm mir nicht so. Hast du nicht gesehen, wie die dich angeschaut hat?“ „Doch.“ „Na, dann ran an den Speck.“ „Nein.“ „Warum denn nicht?“ „Das wäre einfach zu leicht.“ „Die Pflaume ist reif, um gepflückt zu werden!“ „Mein Gott!“ „Was hast du denn auf einmal?“ „Naja, sie ist zwanzig. Natürlich himmelt die mich an. Aber das wär so, als wenn ich’n Fisch in ner Tonne abschieße.“ „Na, bitte.“ „Nein.“ „Himmel Herrgott! Du bist ja doch schwul!“ „Ja, wahrscheinlich.“ Ich half ihm ins Bett und ging raus. Im Schwesternzimmer saß nur die Kleine, die anderen waren beim Frühstück. Ich hockte mich neben sie. „Alles klar bei dir?“ „Hm...“, machte ich. Dann piepte die Patientenklingel. „Kannst du sehen, wer’s ist?“, fragte sie. „Zimmer 7“ „Der Lindenkübel?“ „Ja… genau der.“ „Bei dem warst du doch grade, oder? Na, dann schau ich mal nach ihm.“ Sie ging hin und ich saß da und grübelte und dann kam sie wieder und guckte so komisch. „Was ist?“, fragte ich. „Weißt du, was der gerade gesagt hat?“ „Nein.“ „Also, ich weiß gar nicht, ob ich’s dir sagen soll.“ „Sag schon.“ „Er glaubt, dass du… selbstmordgefährdet bist.“ „Was?“ „Er meint, dass du dir Tabletten klauen willst, um…“ Sie fuhr sich mit einem Finger über die Kehle. „Wegen deiner Freundin…“ „Häh!“ „Weil sie dich verlassen hat.“ „Oh Mann, ähh, weißt du was, vergiss es einfach. Okay? Ich will mich nicht umbringen.“ „Ja, das dachte ich auch gar nicht.“ „Dann ist ja gut. So ein Spinner.“ „Aber… willst du vielleicht drüber reden?“ „Worüber?“ „Ich weiß nicht. Ich kenn das nur von mir, dass man manchmal gern jemanden hätte, der einen tröstet.“ Sie rückte jetzt ein wenig näher und ihr Bein berührte meins wie zufällig unterm Tisch. „Ähmm, hör mal…“ Ich schaute auf ihr Namensschild. Sowas praktisches. „Anna. Das ist wirklich nett, aber ich hab keinen Liebeskummer. Ich glaub, der Alte will uns nur verkuppeln.“ Sie wurde jetzt rot, aber blinzelte nur einmal und schaute nicht weg. „Findest du das schlimm?“, fragte sie. „Nein. Aber ich glaube, das würde nichts werden.“ „Bist du schwul?“ „Nein, Mann. Das fragt der Lindendübel auch dauernd.“ „Heißt der nicht Lindenkübel?“ „Er heißt Lindenbügel.“ „Ist ja auch egal.“ „Aber wirklich.“ „Und warum willst du nicht?“ „Naja, du kennst mich doch gar nicht.“ „Ich find dich aber gut.“ „Ach so?“ Sie lächelte und dann lächelte ich halt auch und fragte mich, warum ich so eine Zicke war und mich so zierte. Wir haben uns dann auch ein paar Mal getroffen und es war anfangs sogar nett. Aber sie himmelte mich zu sehr an, beziehungsweise den Humanisten in mir. Der kam aber nur selten zum Vorschein und war dann auch noch ziemlich ruppig. Das wurde für sie ein Problem. Jetzt gibt’s ’ne neue Praktikantin mit kurzen schwarzen Haaren, die sagt Lindenhügel zu ihm und findet, dass mein soziales Engagement überhaupt nichts Besonderes ist und...