Luik | "Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna." | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Luik "Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna."

Gespräche über den Wahnsinn unserer Zeit. Mit einem Vorwort von Markus Lanz
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-86489-857-0
Verlag: Westend Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Gespräche über den Wahnsinn unserer Zeit. Mit einem Vorwort von Markus Lanz

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-86489-857-0
Verlag: Westend Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Arno Luiks Interviews beginnen oft mit provozierenden Fragen, schon mit der ersten Antwort wird der Leser in diese Gespräche hineingezogen - und liest Dinge, die er anderswo nicht gelesen hat. Arno Luik verführt seine Gegenüber von Beginn an zu einer erstaunlichen Offenheit und schafft es, Brisantes aus ihnen herauszukitzeln. Dieser Gesprächsband ist eine faszinierende Zeitreise, in der sich Geschichte auf eine mitreißende Weise entfaltet: anekdotisch, politisch, intim. Sie zeigt, warum wir wurden, wer wir sind: eine zerrissene, eine verstörte, manchmal trotzdem schöne Welt - um die es sich lohnt, zu kämpfen.

Arno Luik, geboren 1955, war Reporter für Geo und den Berliner Tagesspiegel, Chefredakteur der taz, Vizechef der Münchner Abendzeitung und langjähriger Autor der Zeitschrift Stern. Gespräche von "Deutschlands führendem Interviewer" (taz, Peter Unfried) sind in mehr als 25 Sprachen übersetzt worden; für sein Gespräch mit Inge und Walter Jens wurde Luik 2008 als "Kulturjournalist des Jahres" ausgezeichnet. Für seine Enthüllungen in Sachen Stuttgart 21 erhielt er den "Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen" des Netzwerks Recherche. Zuletzt erschien von ihm bei Westend der Bestseller "Schaden in der Oberleitung - Das geplante Desaster der Deutschen Bahn" (2019).

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Yanis Varoufakis
»Sie hielten Tsipras, unserem Regierungschef, die Pistole an die Schläfe – und so verhandelt es sich schlecht. Wie soll man da frei entscheiden, wenn einem gesagt wird, klipp und klar: »Wenn du nicht zustimmst, bleiben die Banken zu. Wir zerquetschen dich!« Ein gestresster Autor, ein entspannter Politiker. © Arno Luik »Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!« (Athen, 2015) Kurz vor meinem Abflug nach Athen meldet sich Yanis Varoufakis, der ein paar Tage zuvor noch griechischer Finanzminister war, am Telefon. Es seien »hektische, harte Zeiten«, es fänden ständig Sitzungen, Konferenzen, kurzfristig anberaumte Parlamentsdebatten statt, Zeit für ein »substanzielles Gespräch« habe er kaum. Um sicherzugehen, dass es überhaupt zu einem ernsthaften Gespräch komme, solle ich doch zu ihm in die Wohnung kommen, das sei die einzige Möglichkeit. Drei Tage war ich in Athen, und es war dann, wie Varoufakis gesagt hatte: hektisch. Mal war er in seiner Wohnung, dann im Parlament, er war hier, er war dort, kaum greifbar. Unser Gespräch (das im stern in einer stark gekürzten Version erschien, hier nun die Originalfassung) fand in neun Etappen statt. Mal nur für ein paar kurze Augenblicke, mal für eine, mal für zwei Stunden, mal für 30 Minuten; mal trafen wir uns kurz vor Mitternacht, nach Mitternacht, mal mittags, mal in der Küche bei einem schnellen Kaffee, oder spätabends im Restaurant – wonach wir dann, er mit seinem Motorrad vorneweg, seine Frau mit ihrem Motorrad hinterher und mit mir auf dem Soziussitz, durch Athen zu seiner Wohnung bretterten. Nur fünf Monate lang war Yanis Varoufakis griechischer Finanzminister der sozialistischen Partei Syriza. Aber das hat gereicht, um seine Kollegen, Europas Finanzminister und Präsidenten und Kanzler, fast in den Wahnsinn zu treiben – und seine Fans in Ekstase. Wer ist dieser Yanis Varoufakis? Der unter Beschuss war und ist, national, international – der umstrittenste Politiker in Europa, der mich in seine Wohnung ließ, einfach so, einen Fremden? »Feel at home«, hatte er bei der Begrüßung gesagt. Ein Gespenst geht um in Europa, Herr Varoufakis, das Gespenst von Syriza. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet, die Troika und die Eurogruppe, Merkel, Schäuble und Gabriel, Finnlands Regierung und die Investoren von Goldman-Sachs. Jetzt muss ich doch lachen, dass einer aus Deutschland, dem Land, dessen Regierung uns hier so quält, mit einer Variation von Marx’ Kommunistischem Manifest daherkommt. Aber es ist natürlich hinterhältig, mir so zu kommen, also Syriza mit Kommunismus gleichzusetzen. Das machen unsere Gegner, die uns diskreditieren wollen. Das ist nicht mehr nötig: Das Gespenst, Syriza, ist ja mit dem letzten Abkommen gezähmt, gedemütigt. So kann man es sehen. Sie haben Auflagen der Eurogruppe akzeptiert, unter anderem drastische Kürzungen bei Renten und eine dramatische Erhöhung der Mehrwertsteuer – lauter Dinge, gegen die Sie vehement waren, jahrelang. So ist es. Und ich bin immer noch dagegen. Ich habe ja in der Regierung gegen dieses sogenannte Rettungspaket, das noch mehr Elend, aber garantiert kein Wirtschaftswachstum bringen wird, gekämpft. Aber ich würde nicht von einer Niederlage oder einem Betrug am Volk sprechen wollen. Es ist vielleicht fast noch schlimmer: Wir haben uns selbst betrogen. Ich habe Ihnen ein Bild mitgebracht, das Wolfgang Schäuble und den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem zeigt – kurz nachdem Ihr Ministerpräsident Alexis Tsipras das Hilfspaket akzeptiert hat. Es ist kein Hilfspaket! Es ist ein Diktat. Zeigen Sie mal das Bild. Mein Gott! Das habe ich noch nie gesehen, ich muss das abfotografieren. Das ist ja unglaublich, wie die sich freuen! Es ist Montag, der 13. Juli. Griechenland hängt am Galgen. Sie alle aber feiern den größten Angriff auf die europäische Demokratie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie lachen, in dem Moment, in dem sie die Werte und Ideale und Prinzipien der europäischen Demokratie beerdigen. Das geht ein bisschen weit, was Sie hier sagen. Es geht um ein Rettungspaket … Nein! … um Hilfe für Ihr Land! Nochmals: Nein! Es werden wieder einmal zig Milliarden Euro nach Griechenland gepumpt. Lasst uns allein mit dieser Hilfe, die uns nur in ewige Knechtschaft zwingt! Mit dem Hilfsprogramm wurde Griechenland faktisch zu einem Protektorat. Die Eurogruppe, die demokratisch überhaupt nicht legitimiert ist, eigentlich ein informelles Forum ohne Machtbefugnisse, erteilt Völkern Befehle: Sie wollen Untertanen, die den Kopf beugen, nicken, demütig sind und tun, was ihnen befohlen wird. Diese Eurogruppe agiert ohne jede Kontrolle – und trifft Entscheidungen über Leben und Tod. Als die Eurogruppe gegründet wurde, starb die Demokratie. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek hat neulich davon geredet, dass es bei diesem Kampf um Griechenland um Fundamentales geht, nämlich »die Leitkultur«. Wer hat das Sagen in Europa? Die Banken? Die Völker? Ihr Volk hat Syriza gewählt. Das ist ein großes Problem. Ich habe mal mit dem ehemaligen US-Finanzsekretär Larry Summers gesprochen, er sagte zu mir: »Yanis, Sie haben einen großen strategischen Fehler gemacht.« Was denn? »Sie haben die Wahlen gewonnen.« Die Wut auf Syriza war von Anfang an riesengroß, denn wir stellten ein Programm infrage, das seit Jahren die herrschende, nicht zu hinterfragende Doktrin in Europa ist: Austerität. Eine Sparpolitik, die seit Jahren versagt, aber unsere Bevölkerung systematisch verarmt. Und hoffnungslos macht. Die Jugend. Die Alten. Wir haben eine epidemische Explosion von Selbstmorden, die Kindersterblichkeit steigt. Wir reden über den ökonomischen und mentalen Zusammenbruch eines Volkes. Was wir erleben, ist der totale Triumph des Neoliberalismus. Das Ende der Menschlichkeit. Wenn es so ist, warum, verdammt noch mal, hat dann Ihr Freund Tsipras diesen Vereinbarungen zugestimmt. Aber was konnte er denn tun? Ich will Ihnen nicht ausweichen, Herr Luik, aber ich muss jetzt schnell rüber ins Parlament! Bis später, tschüss Danae! *** Danae Stratou, Ehefrau von Varoufakis: Unser Leben hat sich in den letzten sechs Monaten radikal geändert. In Amerika, in Austin, wo mein Mann an der Uni unterrichtete, lebten wir wie Studenten. Wir waren viel zusammen, er arbeitete zu Hause an seinen Büchern und Studien, ich an meiner Kunst. Wir kamen Anfang Januar zurück nach Athen, im letzten Moment kam mein Mann auf die Wahlliste, plötzlich war er im Parlament, plötzlich war er Finanzminister, plötzlich war er mitten im Wirbelsturm. Ich bin ja nicht die klassische Hausfrau, ich hatte mit 30 eine Ausstellung auf der Biennale in Venedig, aber jetzt habe ich versucht, ihm hier zu Hause einen Rückzugsort von der Hektik zu geben. *** Herr Varoufakis, ich war vorhin am Parlament: Tausende demons­trierten gegen Sie und Ihre Regierung, das waren verzweifelte, verbitterte, enttäuschte Menschen. Haben Sie auch gegen mich demonstriert? Das glaube ich kaum, denn ich bin ja auch gegen das uns auferlegte Spardiktat. Was fragten Sie vorher, bevor ich ging? Tsipras hätte mit »Nein« gegen das Rettungspaket stimmen können! Es war quälend für ihn. Sie hielten ihm die Pistole an die Schläfe – und so verhandelt es sich schlecht. Wie soll man da frei entscheiden, wenn einem gesagt wird, klipp und klar: »Wenn du nicht zustimmst, bleiben die Banken zu. Wir zerquetschen dich!« Tsipras, als Regierungschef, muss an die Rentner denken, die Geld brauchen, an die vielen Menschen, die weiter in die Armut absinken würden oder sogar verhungern. Sie sind mit großen Worten in den Wahlkampf gegangen, Ihr Spruch war: »Die Hoffnung kommt!« Ja. Und die Menschen glaubten Ihnen. Die Lage war so verzweifelt, dass sie uns wählten. Trotz der brutalen Propaganda in den Oligarchen-Medien. Ende 2014, kurz vor der Wahl, hieß es, der Aufschwung sei da. Dieser Aufschwung war aber nur ein Wunderwerk der Statistiken, er hatte nichts mit der Realität zu tun. Die Menschen wussten genau, dass es ihnen nicht besser geht. Sie wussten, dass das alles Lügen sind. Das war ihnen schon fünf Jahre lang gesagt worden. Sie stimmten für uns, obwohl vorher in den Medien eine Katastrophen- und Untergangsstimmung inszeniert worden war. Die amtierende Regierung, so etwas hat es noch nie gegeben, hat noch kurz vor der Wahl einen politisch motivierten Bankrun herbeigeführt. Die Botschaft: Wenn ihr Syriza wählt, dann seid ihr endgültig verloren! Aber dann, vor sechs Monaten, stand der triumphierende Wahlsieger Tsipras vor seinen Anhängern, er tanzte, er sang, und er rief: »Für Griechenland beginnt ein neues Kapitel! Wir lassen die zerstörerische Sparpolitik hinter uns!« Ja. Das war der Traum und die Hoffnung. Der Traum ist nun ein Albtraum. Ja. Ich versteh das nicht: Sie machen ein Referendum über die Sparpolitik. Sie gewinnen dieses Referendum eindeutig, aber dann … Was dann? Dann macht Ihre Regierung, die sich ja dem Volk angeblich verpflichtet fühlt, genau das, was...



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