Luh | Der Kronprinz und das Dritte Reich | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 6530, 192 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Luh Der Kronprinz und das Dritte Reich

Wilhelm von Preußen und der Aufstieg des Nationalsozialismus

E-Book, Deutsch, Band 6530, 192 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-80547-9
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wilhelm von Preußen präsentierte sich gern in Uniform mit Hakenkreuzbinde und im Tête-à-Tête mit Nazigrößen. Dass er für die NSDAP und Hitler eintrat, ist unstrittig. Aber eine nennenswerte Rolle auf dem Weg zur «Machtergreifung» der Nationalsozialisten will er dennoch nicht gespielt haben. In diesem Buch geht der Historiker Jürgen Luh akribisch genau der Absicht und dem Tun Wilhelms auf den Grund.
Über die Hohenzollern und die Frage, ob sie dem Aufstieg des Nationalsozialismus «erheblichen Vorschub» geleistet haben, ist eine heftige Kontroverse entbrannt. In ihrem Zentrum steht der Exkronprinz Wilhelm von Preußen, dessen öffentliches Auftreten in der Zeit von 1932 bis 1934 auch rechtlich für die Klärung dieser Frage von erheblicher Bedeutung ist. Jürgen Luh, ein ausgewiesener Kenner des Themas, setzt sich in präzisen, ganz aus den Quellen gearbeiteten Einzelstudien mit dem Verhalten des Exkronprinzen auseinander und zeigt an belastbaren Beispielen, wie Wilhelm öffentlichkeitswirksam nicht nur für ein Zusammenwirken der alten Eliten mit dem Nationalsozialismus, sondern auch für den «Führerstaat» Hitlers eintrat.
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Vorwort
Evidenz, Debatte und Deutung Georg Herbert und Stephan Malinowski Es ist nicht ungewöhnlich, dass historische Arbeiten über das 20. Jahrhundert politisch und emotional aufgeladene Auseinandersetzungen auslösen, die den Kreidekreis des Fachwissenschaftlichen durchbrechen und sich zu öffentlich ausgetragenen, über Jahre oder Jahrzehnte anhaltenden Deutungsdebatten entwickeln. In aller Regel entstehen in solchen Debatten Lager, die nicht nur mit verschiedenen Deutungen, sondern auch mit verschiedenen Quellenfunden gegeneinander antreten und unter Spezialisten wie in der Öffentlichkeit um Plausibilität konkurrieren. Ungewöhnlich an der Debatte um die politische Rolle des letzten deutschen Kronprinzen, Wilhelm Prinz von Preußen (1882–?1951), die bis 2014 in vertrauliche Gutachten und behördliche Prüfungen gebannt war und seit Juli 2019 öffentlich fortgesetzt wird, ist zunächst, dass die gängige Kopplung von Geschichtswissenschaft und öffentlicher Debatte in diesem Fall deutlich überschritten ist. Die im Ursprung rechtliche, auf das politische Verhalten des ältesten Sohnes des letzten deutschen Kaisers bezogene Kontroverse wird inzwischen auf nicht weniger als fünf Ebenen geführt, die zwar partiell eigene Logiken verfolgen, einander jedoch beeinflussen. Die Debatte, die leicht erkennbar auch Fragen der politischen Identität, Traditionsbildung und Erinnerungspolitik berührt, bewegt sich auf dem Terrain des Verwaltungsrechts, der Geschichtswissenschaft, der Massenmedien, der Politik und der Meinungsfreiheit. Neben dem Verfahren über die Rückgabe enteigneten Vermögens und neben der historischen Einordnung des höchsten Vertreters der Hohenzollern auf deutschem Boden zur Zeit der Etablierung der NS-Diktatur deckt sie damit ein erstaunliches Spektrum ab.[1] In fünf historischen Fachgutachten,[2] praktisch allen deutschen Leitmedien, Plenardebatten im Bundestag und in zwei Länderparlamenten, in Expertenanhörungen des Bundestags und des Landtags Brandenburg, Monographien,[3] Sammelbänden, Aufsätzen in historischen und verwaltungsrechtlichen Fachzeitschriften, Proseminaren an historischen Fakultäten, Vortragsveranstaltungen, Online-Formaten, Leserbrieffluten, publizistischen Abschlussarbeiten, in ausländischen Medien von CNN über die Times bis zur New York Review of Books sowie in Abiturprüfungen an deutschen Gymnasien hat sich die Debatte seit 2019 vor einem Millionenpublikum entfaltet. Ungewöhnlich erscheint neben der Breite der Debatte auch, dass die streitenden Lager sich im Kern auf dieselben Vorgänge und dieselben Quellen stützen. Während Historiker, die von einer nennenswerten Unterstützung des letzten Kronprinzen für die NS-Bewegung ausgehen, Tatsachen heranziehen, die vielfach bereits aus Biografien und Forschungen der 1950er und 1960er Jahre bekannt sind,[4] argumentiert die Gegenseite vor allem damit, dass sich eine Wirkung der Handlungen des Exkronprinzen empirisch nicht zweifelsfrei nachweisen lasse, der bisherige Kenntnisstand nicht ausreiche und durch Quellen aus dem Familienarchiv ergänzt werden müsse. Profitiert vom Verhalten der Hohenzollern habe eher der Republikanismus als die NS-Bewegung. Vorhandene fotografische Dokumentationen seien wertlos,[5] Fakten von einem kleinen, ideologisch getriebenen Kreis von Akteuren parteiisch, verzerrt und tendenziös interpretiert worden.[6] Stattdessen präsentierte man kontrafaktische Szenarien mit der Folgerung, das NS-Regime wäre auch ohne die Handlungen und Äußerungen des ehemaligen Kronprinzen entstanden. Diese Behauptung trifft zweifellos zu, wurde allerdings von niemandem bestritten und ließe sich im Übrigen auf praktisch alle NS-Führer mit Ausnahme Hitlers plausibel übertragen. Zudem trägt die theoretische Klärung dieses irrealen Bedingungsgefüges weder im Juristischen noch im Historischen etwas zu der Frage bei, über die gestritten wird. In der historischen Diskussion sind die Unterstützungsleistungen Wilhelms für das Regime unterdessen sehr dicht belegt. In der juristischen Diskussion geht es nicht um die Verursachung des NS-Regimes, sondern um die Frage nach seiner erheblichen Förderung. Ungewöhnlich für eine historische Debatte ist somit das Fehlen jeglicher Gegen-Evidenz, auf der sich eine abweichende Deutung aufbauen ließe. Der einzige Text, in dem dies jemals ernstlich versucht wurde und der den Exkronprinzen als «Hitler-Gegner» interpretierte,[7] hat das Tageslicht der Fachkritik keine vier Wochen überstanden und ist danach nie wieder eingesetzt worden. Historiker, Juristen und Journalisten, die den Entschädigungsanspruch der Hohenzollern verteidigen, erklären den Exkronprinzen zu einer unbedeutenden Randfigur, zum Spieler und Filou, der nach 1918 in Deutschland im inneren Kreis der konservativen Machteliten nicht ernst genommen worden und dessen öffentliches Werben für den Nationalsozialismus an keiner Stelle von messbarer Wirkung gewesen sei. So gelten in dieser Deutung etwa das im März 1932 geplante Machtbündnis zwischen dem letzten Kronprinzen und Hitler als belanglose Episode, der Wahlaufruf für Hitler im April 1932 als kontraproduktiv, die Mitgliedschaft im Stahlhelm als Ausweis der Distanz zur NS-Bewegung, das Eintreten für die SA als Versuch, die NSDAP finanziell zu ruinieren, und die Teilnahme des ehemaligen Kronprinzen und weiterer Mitglieder seiner Familie am Tag von Potsdam als irrelevant. Jahrelang kreiste die Debatte immer wieder um wenige Einzelmomente. Der Streit um die öffentlich stark beachtete Präsenz des letzten Kronprinzen am sogenannten Tag von Potsdam (21. März 1933), erst in der Potsdamer Garnisonkirche und dann, am selben Tag, bei der Eröffnung des Reichstags in der Berliner Kroll-Oper, gedieh zu einer Spezialisten-Debatte über die Sitzordnung und die Bestuhlung in der Garnisonkirche. Darüber geriet ein wenig aus dem Blick, dass der national und international beachtete Aufmarsch diverser Mitglieder der Familie von Preußen auf der bis dahin größten und wichtigsten Propaganda-Veranstaltung des noch jungen Regimes nicht mehr als ein Glied in einer langen Reihe von symbolpolitischen Auftritten des ehemaligen Kronprinzen darstellte, deren stetiges Ziel es war, die Vereinigung konservativer und nationalsozialistischer Funktionseliten und Gruppierungen zu befördern und nach außen darzustellen. Während die über Jahre entwickelten Formen politischer und symbolischer Kollaboration detailliert aufgearbeitet wurden, gibt es beim Stand der Forschung keinen Text, in dem zusätzliche und von der älteren Forschung nicht beachtete Formen kommunikativer Unterstützung des NS-Regimes durch Wilhelm Prinz von Preußen so präzise und so nüchtern dargestellt werden wie in den hier vorgelegten Arbeiten des Potsdamer Historikers Jürgen Luh. Die hier in bemerkenswerter Genauigkeit dokumentierten kleinen und großen Akte ergeben in ihrer Addition eine wichtige Ergänzung des historischen Forschungsstands. Einem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam, ob der ehemalige Kronprinz Wilhelm dem nationalsozialistischen System «erheblichen Vorschub geleistet» hat, will Georg Friedrich Prinz von Preußen unterdessen durch eine Klagerücknahme aus dem Weg gehen. Denn bei einer «erheblichen Vorschubleistung» ist eine Entschädigung für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, nach § 1 Abs. 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes ausgeschlossen. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg lehnte nach Einholung dreier historischer Gutachten den vom Generalbevollmächtigten von Louis Ferdinand Prinz von Preußen (1907–?1994), Sohn und Universalerben Wilhelms von Preußen, vor fast drei Jahrzehnten gestellten Antrag auf Entschädigung wegen Enteignung von Grundeigentum in der sowjetisch besetzten Zone im Oktober 2015 ab, weil es den Ausschlusstatbestand als erfüllt erachtete. Seit Veröffentlichung dieser und eines weiteren historischen Gutachtens im Jahr 2019 entbrannte um die Frage der «erheblichen Vorschubleistung» ein öffentlicher Streit mit einer kaum noch überschaubaren Fülle von mehr oder weniger wissenschaftlichen Stellungnahmen. Die Intensität der Kontroverse ist angesichts ihres Gegenstands, der um Rechtsfragen, geschichtliche Ereignisse und moralische Bewertungen kreist, kaum verwunderlich. Anders jedoch als in der Debatte immer wieder behauptet, ist der Tatbestand der «erheblichen Vorschubleistung» keineswegs eine kaum beherrschbare Konstruktion, sondern ein unbestimmter Rechtsbegriff, mit dem umzugehen zu den Standards deutscher Gerichte gehört.[8] Sie lösen dieses Problem durch juristische Methoden wie...


Jürgen Luh ist leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ressort Wissenschaft und Forschung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg sowie Direktor am Research Center Sanssouci für Wissen und Gesellschaft. Er hat 2012 die Ausstellung "Friederisiko" kuratiert und u.a. Biografien über Friedrich den Großen und den Großen Kurfürsten vorgelegt.


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