E-Book, Deutsch, 214 Seiten
Luft Philosophie lehren
unverändertes eBook der 1. Auflage von 2019
ISBN: 978-3-7873-3766-8
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Buch zur philosophischen Hochschuldidaktik
E-Book, Deutsch, 214 Seiten
ISBN: 978-3-7873-3766-8
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sebastian Luft, der an zahlreichen Hochschulen beiderseits des Atlantiks gelehrt hat, ist Professor für Philosophie an der Marquette Universität in Milwaukee. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u.a. die Phänomenologie und die Kulturphilosophie. Sebastian Luft is professor of philosophy at Marquette University. He has worked in the areas of phenomenology and the philosophy of culture. His newer interest is a systematic comparison between phenomenology and pragmatism. Since 2019 he is, together with Konstantin Pollok and Andrea Staiti, editor of the Journal for Transcendental Philosophy (DeGruyter).
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Wozu dieses Buch, und für wen?
Frage: Haben Sie auch in Ihrem Studium sterbenslangweilige Veranstaltungen in Philosophie besucht? Und das, obwohl Sie mit Begeisterung für dieses Fach brannten, seitdem Sie als Teenager Ihre ersten Bücher großer Philosophinnen verschlungen haben? Spätestens im Studium haben Sie sich in oftmals heillos überfüllten Seminaren gelangweilt oder waren aus anderen Gründen frustriert, haben aber geglaubt, das müsse so sein, weil das in der »Wissenschaft« eben so sei? Schließlich war man an der Hochschule. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Zur Zeit meines Studiums waren die (fast ausschließlich männlichen) Professoren stolz darauf, wenige Hörer zu haben bzw. immer weniger, je weiter das Semester vorangeschritten war. Wer viele Teilnehmer hatte, galt als »populär«, und populär oder beliebt zu sein oder gar sein zu wollen als der Tod der Wissenschaft. So wurde es mir suggeriert und so habe ich es als junger Student verinnerlicht. Als ich meine erste Lehrveranstaltung abhielt, verfiel ich demselben Irrglauben. Dass Philosophie im positiven Sinne populär sein und Spaß machen kann, dass man in der Lehre die Leidenschaft für das Denken spürbar und für Studentinnen erlebbar machen kann, auf diese Idee kam ich leider erst viel später (zweifellos angeregt durch inspirierende Dozentinnen). Dieses Buch ist in der festen Überzeugung geschrieben, dass dies so ist – dass Philosophie ein aufregendes Fach ist, das Freude bereitet, bzw. dass die bemitleidenswerten Zustände so nicht sein müssen. Philosophie zu lehren ist eine der intellektuell befriedigendsten Tätigkeiten, die man sich vorstellen kann, abgesehen davon, dass dies eine große Ehre ist und in einem enormen Maß Verantwortung erfordert. Aber gut Philosophie zu lehren, zumal an der Hochschule, ist eine hohe Kunst, und die wenigsten beherrschen sie. Dieses Buch soll Anleitungen geben und Abhilfe leisten.
Für wen habe ich dieses Buch geschrieben? Dieses Buch ist für all die gedacht, die der Meinung sind, dass die philosophische Lehre Spaß machen kann, aber auch für die, die noch nicht dieser Meinung sind und die ich hiermit davon überzeugen möchte. Schließlich ist es auch für die geschrieben, denen ihre eigene akademische Lehre wichtig ist und die deren Qualität verbessern und an sich arbeiten möchten, also für solche, die sich in ihrer Lehre voranbringen wollen, nicht um sich selbst populärer zu machen, sondern weil es ihnen um die Sache geht und weil sie ihren Beruf (der ja eine Berufung ist) ernst nehmen und das Beste aus sich herausholen wollen. Das setzt voraus, dass sie sich der Schwierigkeit, Komplexität und nötigen Verantwortung bewusst sind, die die Lehre dieses Faches erfordert. Man mag zwar in die Philosophie »stolpern«, aber – so haben Sie für sich eingesehen – man muss auch lernen, den aufrechten Gang zu gehen, oder anders gesagt: Es lohnt sich, auch auf diesem Gebiet Ihres Berufes professionell zu sein – ohne dabei die Freude und die Leidenschaft auf dem Altar der »hehren Wissenschaft« opfern zu müssen.
Ich habe dieses Buch weiterhin geschrieben, weil ich der Meinung bin, dass die Hochschuldidaktik der Philosophie aus gleich mehreren Gründen von großer Bedeutung ist. Sie ist – abgesehen von Ihrer professionellen Entwicklung als Hochschullehrerin – wichtig für das Fach, sowohl in der Außendarstellung als auch für die Studentinnen, die das Recht haben, gute Lehre geboten zu bekommen. Man kann den Schaden, den man dem Fach antut, wenn man es nicht mit der besten Lehre (re-)präsentiert, kaum beziffern. Und schließlich ist die Disziplin der philosophischen Hochschuldidaktik, bis auf wenige Ausnahmen, im deutschen Sprachraum kaum entwickelt – ganz im Gegensatz zur schulischen Fachdidaktik –, und dass zwischen Fachdidaktik und Hochschuldidaktik ein großer Unterschied besteht, begründe ich gleich im ersten Kapitel.
Ganz zu Anfang mag es erlaubt sein, kurz meine persönliche Intention, warum ich dieses Buch geschrieben habe, zu verraten. Ich habe vor über zwei Jahrzehnten angefangen, mich für die philosophische Hochschuldidaktik zu interessieren, nicht, weil ich mich für einen hervorragenden Lehrer halte, sondern aus der Not: weil ich an mir selbst Defizite wahrnahm und das Gefühl nicht loswurde, Fehler über Fehler zu begehen und in dem kalten Wasser, in das ich gestoßen wurde, nur mühsam schwimmen zu lernen. Als ich merkte, dass ich nicht allein bin, aber viel zu wenig unter Kolleginnen darüber geredet wird und noch viel weniger junge Lehrende richtig auf ihre Rolle vorbereitet werden, habe ich angefangen, darüber nachzudenken, wie man diese Probleme angehen könnte. Also auch Ihnen, lieber Leserin, möchte ich in Ihrem Wunsch, eine ausgezeichnete Hochschullehrerin zu werden, zurufen: Sie sind nicht allein!
Schließlich möchte ich nicht verhehlen, dass ich, als Deutscher, nur zeitweise an deutschen Hochschulen gelehrt habe, überwiegend hingegen im Ausland, vor allem in den USA. Dort ist die Hochschuldidaktik eine etablierte Disziplin und das Lehrwesen wird professionell gesteuert, etwa durch obligatorische Trainee-Programme für junge Dozentinnen und Evaluationen. Vieles, was in den USA vorgestellt und durchgeführt wird, wird in Deutschland auch probiert und von den Lehrenden nolens volens mitgetragen, weil es – wie etwa die Umstellung der generischen Systeme auf die B.A.– und M.A.-Abschlüsse – Teil der Bologna-Reform geworden ist, die das Ziel hat, Europa bildungspolitisch zu vereinigen, womit in vielen Fällen eine »Amerikanisierung« der Systeme einhergeht. Ich bin nicht der Meinung, dass alles, was aus den USA kommt, besser ist, und daher ist es nicht meine Absicht, besserwisserisch daherzukommen. Aber ich glaube doch, dass man vieles von den USA lernen kann, zumal man sich ihrem Einfluss gerade auch im Hochschulbereich nicht entziehen kann. Ich meine aber auch, dass man vieles besser nicht imitieren sollte. Billiges Polemisieren und einseitiges Ablehnen hilft in der Regel nicht. Ich bemühe mich daher um ein differenziertes Bild und sehe mich in einer Vermittlerrolle zwischen beiden Lehrkulturen. In dieser Rolle reihe ich mich in die Tradition von Marc Roche ein, dessen – sehr empfehlenswertes – Buch über das Hochschulwesen der USA und was man davon in Deutschland übernehmen sollte (und was nicht), ebenfalls im Meiner Verlag erschienen ist.1 Der Einfluss der USA auf die deutsche Wissenschaftsszene soll hier, spezifisch im Hinblick auf die Hochschuldidaktik, mit reflektiert werden (vgl. auch den Anhang Nr. 2).
Weiterhin ist dieses Buch für ein philosophisches Publikum geschrieben. Das war meine Intention, die sich aber – wie ich im Laufe des Schreibens merkte – nicht vollständig durchhalten ließ, weil sich vieles, was ich hier ausführe, natürlich nicht auf die Lehre der Philosophie beschränken lässt und nicht nur für diese Disziplin gilt. Aber es gibt meines Erachtens nichtsdestotrotz Probleme und Herausforderungen in der Lehre der Philosophie, die der Philosophie eigen und für sie spezifisch sind. Philosophie ist in vielerlei Hinsicht etwas radikal anderes als andere Wissenschaften; sie lässt – anders als viele Disziplinen – die Wenigsten kalt, sondern, im Gegenteil, sie rüttelt für viele an den Grundfesten ihrer tiefsten und ältesten Überzeugungen. Daraus entstehen in der Lehre zahlreiche herausfordernde Probleme und potentiell intensive und auch kontroverse, zum Teil auch schwierige Situationen, mit denen Sie umgehen müssen. Hierauf muss man vorbereitet sein: Mit einer richtigen Verhaltensweise kann man damit, im besten Fall, solche Situationen entschärfen, sie zu pädagogischen Highlights umbiegen und aus ihnen »a teachable moment«2 machen, wie man im Englischen sagt.
Schließlich ist noch zu betonen, dass ich für nichts, was ich hier vorstelle, Originalität beanspruche. Was ich berichte und empfehle (oder auch nur neutral vorstelle, zum Teil auch kritisiere), entspringt zwar auch meiner eigenen Praxis, aber vor allem zahllosen Gesprächen mit Kolleginnen aus aller Welt und Beobachtungen ihrer Vorgehensweisen. Die Tipps und Vorschläge, die ich hier vorstelle, sind zum größten Teil von ihnen, und ich leite sie hier gewissermaßen nur weiter, wenn auch in komprimierter, systematischer und synthetischer Form. Und ich setze hinzu, dass ich hier nichts vortrage mit dem Anspruch, dass es so sein muss oder dass man es genau so machen muss. In manchen, eigentlich sehr wenigen Punkten habe ich feste Meinungen, die über Jahre gewachsen sind und die ich auch standhaft vertrete. Die meisten Dinge jedoch, die hier vorgestellt werden, sind wohlmeinende Vorschläge, wie man es machen kann und probieren mag, mehr nicht, aber auch nicht weniger. In der Lehre hat man es mit Menschen und verschiedenen Menschengruppen zu tun. Deshalb kann es keine vorgefertigten Schemata oder Methoden geben, sondern es ist unabdingbar, sich sorgfältig in diese Gruppen und ihre Teilnehmer einzufühlen. Dieses Einfühlungsvermögen ist das, was die ausgezeichnete Hochschullehrerin (jeder Disziplin übrigens) auszeichnet.
Dass dieses Buch aus der erlebten...