Lüddemann | Bilderwelten einer Jahrhundertwende | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 294 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm

Lüddemann Bilderwelten einer Jahrhundertwende

Texte zur Kunstkritik. Kunstkritiken 1996–2006. E-BOOK
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-86234-026-2
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Texte zur Kunstkritik. Kunstkritiken 1996–2006. E-BOOK

E-Book, Deutsch, 294 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm

ISBN: 978-3-86234-026-2
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Kunstkritik ist publizistische Praxis und zugleich eine Form der ästhetischen Reflexion. Stefan Lüddemann führt das doppeldeutige Phänomen Kunstkritik in seinem Buch vor. Er fragt nach den aktuellen Möglichkeiten und Grenzen der Kunstkritik, indem er ihre Aufgaben in einer Zeit nach den Avantgarden untersucht. Die Frage nach dem Stellenwert der Kunstkritik in dem Tableau miteinander konkurrierender Medien der Kunstvermittlung wird ebenso behandelt, wie die Reaktionen der Kunstkritik auf die Berliner »MoMA«-Ausstellung.Einer Einführung in die fachgerechte Erarbeitung von Kunstkritiken folgen eigene Kunstkritiken des Autors aus dem Jahrzehnt, das die Jahrhundertwende umrahmt. In Beiträgen zu Künstlern von Joseph Beuys bis Gerhard Richter entsteht ein Kaleidoskop zeitgenössischer Kunstentwicklung. Diese Beiträge verbindet die leitende Frage nach den Leistungen der Kunst für ein erweitertes Verständnis unserer Gegenwart.

Dr. Stefan Lüddemann leitet das Feuilleton der Neuen Osnabrücker Zeitung und arbeitet als Kunstkritiker. Er publiziert in mehreren Zeitungen und Zeitschriften, u.a. dem Kunstmagazin »art«, und ist Lehrbeauftragter an der FernUniversität Hagen und der Universität Osnabrück.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;9
2;Vorwort;21
3;Texte zur Kunstkritik;23
3.1;Nach den Avantgarden: Was kann (und soll) Kunstkritik heute leisten?;25
3.2;Einfach schreiben, was man sieht? Über Struktur und Schreibprozess der Kunstkritik;37
3.3;Bewunderter Solitär oder Auslaufmodell? Beobachtungen aus dem medialen Alltag der Kunstkritik;69
4;Kunstkritiken 1996–2006;95
4.1;Namen;97
4.2;Gruppenausstellungen und Sammlungen;227
4.3;Jahrestage und Nachrufe;255
4.4;Documenta;275


" (S. 253-254)

Im Kreislauf kreativer Energie



Seinen Werken verlieh er die geheimnisvolle Aura tiefgründiger Esoterik und avancierte dennoch zum populären Markenzeichen der modernen Kunst: Joseph Beuys (1921–1986, Foto im Text: Sven Simon). Als Mann mit Hut und Anglerweste taugte er für Titelblätter – und als Ikone für poppige Siebdrucke seines Antipoden Andy Warhol, der ihn damit in den medialen Olymp des Pop neben Elvis Presley und Marilyn Monroe katapultierte. Zugleich machte dieser Künstler vom Niederrhein Skandal mit Kunst, die weder hübsch aussah noch Vergnügen bereitete. Vor allem die legendäre »Fettecke« zog alle Vorurteile auf sich, die zeitgenössische Kunst auszulösen vermag. Mal Scharlatan, mal Schamane – dieser Künstler hat niemanden gleichgültig gelassen.

20 Jahre nach seinem Tod scheint das jedoch nicht mehr zu gelten. Um Beuys ist es ruhig geworden. Ob Fett oder Filz, Schlitten oder Kupferstab: Installationen und Utensilien seiner Performances wirken in den Museen nun so, als habe der Kunstmagier sie endgültig abgestellt, als umwehe nur noch ein Hauch zarter Energie die Dinge, mit denen Joseph Beuys einst Kunst neu definierte. Und nicht nur das. Denn Beuys formte die Kunst im Zeichen seiner »Sozialen Plastik« zu einem Reformmotor, der parallel zu Studentenbewegung und Willy Brandts Aufbruch zu mehr Demokratie gleich die ganze Gesellschaft zu seinem Gegenstand machte. Wo Andy Warhol ebenso hellsichtig wie zynisch die Berühmtheit von Menschen im Medienzeitalter auf 15 Minuten begrenzte, erklärte Joseph Beuys jeden Menschen zum Künstler – und meinte damit nicht dilettierende Pinselei, sondern den Beitrag eines jeden zum großen Bau der Gemeinschaft.

Jenseits zerstobener Reformhoffnungen ist Beuys heute wiederzuentdecken. Nun aber nicht als Provokateur oder Guru, sondern als der – trotz Picasso – vielleicht universalste Künstler des 20. Jahrhunderts. Gehört Joseph Beuys neben Leonardo da Vinci und Johann Wolfgang Goethe? Seine Zeichnungen waren 1999 jedenfalls in München und Berlin gemeinsam mit dem »Codex Leicester« Leonardos zu sehen. Über den Zeitenabstand von viereinhalb Jahrhunderten hinweg machte die Schau die Verwandtschaft zweier Künstler greifbar, die zeichnend den Bau ihrer Welt erkundeten.

Ob Leonardo mit seinen anatomischen Studien oder Beuys mit zarten Menschenkörpern wie Tierdarstellungen von Hirsch bis Bienenkönigin: Beide Künstler entdeckten in der Analyse des verletzlichen Leibes seine Schönheit. Im Bild die Struktur aller Gestalt erkunden – allein der Uomo Universale verbindet Kunst und Forschung zu einem Medium der Erkenntnis, führt Kunst und Wissenschaft zur Synthese. Joseph Beuys verfügte über diese Kraft zur Zusammenschau.

Ihm schien sich nicht nur wie Goethe das Leben in allen seinen Gestaltungen leicht zu eröffnen; er leistete auch mehr, als künstlerische Idiome mit stupender Leichtigkeit zu handhaben. Beuys schuf einen neuen Kosmos der Kunst, indem er ihre Verfahren neu interpretierte, auf bislang unbekannte Materialien zugriff und so ihren Bedeutungshorizont in ungeahnter Weite aufspannte. Aus Fett, Filz, Tierknochen und anderem mehr formte er ein bis dahin unbekanntes Vokabular künstlerischer Zeichen, die Beuys immer wieder zu Sinnbildern des Lebens selbst machte. Seine »Honigpumpe« verkörperte auf der Documenta von 1977 den Kreislauf wärmender Energie, die gleichfalls in Kassel ausgerufene »Stadtverwaldung« holte Natur in den völlig asphaltierten Raum der Zivilisation zurück. Joseph Beuys versah Kunst so nicht nur mit dem Mandat des sozialen Projekts, sondern nahm auch das Erbe der Romantik auf, die den Künstler als Seher innerster Naturgeheimnisse beschrieb.

Ob Beuys mit vor Blattgold glänzendem Kopf dem »toten Hasen« die Bilder erklärte oder in eine Filzdecke gehüllt Tage mit einem Kojoten zubrachte – allein diese beiden in Galerien vollzogenen Performances hätten ausgereicht, diesem Künstler die Statur eines Kunstpriesters zuwachsen zu lassen. Mitten im Zeitalter massenmedialer Bilderinflation gab er der Kunst Aura und Magie zurück."


Lüddemann, Stefan
Dr. Stefan Lüddemann leitet das Feuilleton der Neuen Osnabrücker Zeitung und arbeitet als Kunstkritiker. Er publiziert in mehreren Zeitungen und Zeitschriften, u.a. dem Kunstmagazin 'art', und ist Lehrbeauftragter an der FernUniversität Hagen und der Universität Osnabrück.



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