Lucarelli | Italienische Intrige | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Lucarelli Italienische Intrige

Ein Commissario-De-Luca-Krimi
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-99037-082-7
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Commissario-De-Luca-Krimi

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-99037-082-7
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Weihnachtszeit 1953, mitten im Kalten Krieg. Im eiskalten, schneebedeckten Bologna geschieht ein Mord: Die schöne Professorengattin wird in der Badewanne der Stadtwohnung ihres Mannes ertränkt. Commissario De Luca, ehemals 'bester Polizist Italiens', nimmt nach fünf Jahren unfreiwilligen Urlaubs die Ermittlungen auf. Doch nichts ist, wie es scheint. Die Nachforschungen und die Leidenschaft für eine junge, dunkelhäutige Jazzsängerin kosten De Luca fast Kopf und Kragen, und am Ende steht er vor einer schwerwiegenden Entscheidung.

DER AUTOR Carlo Lucarelli, 1960 in Parma geboren, lebt bei Bologna. Er ist Schriftsteller, Drehbuchautor, Journalist, Regisseur und Fernsehmoderator. International bekannt wurde er durch seine Kriminalromane, die in viele Sprachen übersetzt, mehrfach preisgekrönt und verfilmt wurden. Mitbegründer des 'Gruppo 13' und Lehrer an der 'Scuola Holden' für kreatives Schreiben. Auf Deutsch liegen zahlreiche Bände vor, zuletzt erschien bei Folio 'Bestie' (2014).
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22. Dezember 1953, Dienstag


Am Morgen darauf war Bologna von einer Schneeschickt bedeckt, die so dicht und flockig war wie Sahne. Der Schnee war nachts lautlos gefallen, und De Luca bemerkte ihn erst, als er auf die Gasse hinaustrat, der Portier hatte gerade die Einfahrt freigeschaufelt.

Giannino wartete ein Stück weiter vorne mit laufendem Motor, fast mitten auf der Straße, denn der Schnee lag wellenförmig um die vorstehenden Säulen der Arkaden, dort konnte man nicht parken.

Im Inneren der Aurelia war die Heizung an, aber De Luca hatte sich mit eiskaltem Wasser im Lavoir gewaschen, und es reichte ihm nicht, sich tief in den Sitz zu drücken und den Mantel fest zuzuziehen. Er dachte, er müsse sich etwas Wärmeres besorgen, vielleicht sogar einen Schal wie Giannino, der heute anstelle des gefütterten Trenchcoats einen Kamelhaarmantel trug. Er passte farblich zu dem Kaschmirschal, den er wie ein Foulard geknotet hatte und dessen Enden im V-Ausschnitt des Pullovers steckten. Der Rest war so wie immer, Brillantine in den Haaren, Seitenscheitel und Lächeln wie auf einer Werbung.

Es war nicht einfach, aus Bologna hinauszufahren. Die Schneeschaufler der Gemeinde hatten den Schnee noch nicht weggeräumt, und viele Straßenbahnen waren auf den verstopften Gleisen stecken geblieben, Giannino musste um sie herumfahren. Außerhalb der Stadtmauern war es dann einfacher, auch wenn sie nicht schneller vorankamen, Giannino musste aufpassen, dass sie nicht ins Rutschen kamen.

Seit der Abfahrt redete er ununterbrochen. De Luca duldete es, einerseits, weil er sich daran gewöhnt hatte, andererseits, weil er ihm die Liste mit den Telefonanschlüssen gebracht hatte, die in den letzten Tagen vom Telefon in der Mansarde in der Via Riva di Reno aus angerufen worden waren. Eigentlich hatte der Kommissar der Einsatzpolizei sie sofort verlangt, doch sie waren nicht in der cremefarbenen Akte gewesen. Giannino hatte sie schnell besorgt.

Am Tag des Mordes und an den beiden Tagen davor hatte es sechs ausgehende und drei eingehende Telefonate gegeben. Alle von und zu derselben Nummer. Das Telefon gehörte einer Apotheke in der Via Galliera in Bologna.

– Da, sagte De Luca und zog das Blatt aus der Tasche, auf dem er die Buchstaben notiert hatte, die auf dem roten Streifen des Farbbands angeschlagen worden waren. – Kannst du herausfinden, ob es einen Doktor Pirro gibt? Pirro Ores, Name und Nachname, doch er könnte auch Oreste heißen, wenn es eine Abkürzung ist.

Giannino zog eine Schnute. – Es wäre hilfreich zu wissen, um was für eine Art Doktor es sich handelt, Herr Ingenieur. Um einen Doktor der Medizin? Der Sprachwissenschaft? Der Philosophie? Es heißt, in Rom kann jeder Doktor werden, geschweige denn in Bologna, wo es seit neunhundert Jahren eine Universität gibt.

– Nicht nur in Bologna. Überall.

Giannino nahm die Notiz und steckte sie in die Tasche.

– Doktor Pirro Ores, in Italien und auf der ganzen Welt. Ist gut, Herr Ingenieur, das wird ein wenig dauern, aber ich versuche es.

Sie brauchten eineinhalb Stunden, um die sechzig Kilometer lange Strecke nach Bondeno zurückzulegen, und als sie ankamen, war das Begräbnis fast vorbei, aber es gab eine Art Leichenschmaus in der Villa von Stefanias Mutter, zu dem nur Verwandte und Freunde geladen waren. Sie hatten vor, sich als Freunde vorzustellen, und das taten sie auch, als entfernte Bekannte Stefanias und des Herrn Professors, je nachdem, aber das nützte nichts, denn die Familie schottete sich so ab, dass nicht einmal Giannino mit seinem süßlichen Getue es schaffte, mehr als ein paar beiläufige Worte zu wechseln.

Dann sah De Luca sie.

Sie hing am Arm eines kleinen Mannes mit Glatze und großem Bauch, auch sie hatte ein paar Kilo zugelegt, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte, aber sie sah trotzdem gut aus, ganz in Schwarz, vom Hut bis zu den Stiefeln, und schwarz war auch das Spitzentaschentuch, mit dem sie sich die Tränen abwischte. De Luca wies Giannino mit einer Bewegung des Kinns auf sie hin, und als sie sich von dem kleinen Dicken löste, trat er diskret auf sie zu, flüsterte , und er war sich sicher, dass sie blass wurde, sogar unter dem Schleier.

Sie hatte sich so daran gewöhnt, Ferrareser Dialekt zu sprechen, dass es ganz natürlich klang, wenn sie das l doppelt so lange aussprach. Dabei stammte sie aus einem Dorf in der Nähe von Salerno und hieß nicht Wanda, sondern Concetta. Wenn die Bordelle in der Via delle Oche oder in der Via Bertiera ein Schild an die Tür hängten, „Heute arbeitet die Ferraresin“, konnten sich die Freier darauf verlassen, dass sie da war. Als De Luca Direktor der Sittenpolizei in Bologna gewesen war, hatte er herauszufinden versucht, wofür die Mädchen aus Ferrara so berühmt waren, jedoch ohne Erfolg.

Wanda saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Sitz der Aurelia zwischen De Luca und Giannino und hatte den Rock bis auf halbe Höhe der Schenkel hochgeschoben; mit der Fingerspitze umkreiste sie die Kniescheibe, strich langsam über den dunklen Strumpf, doch auch das war nur eine Gewohnheit. Sie sprach ohne Eile und ohne Emotion, als ob sie an etwas anderes dächte, ihr Blick ruhte zerstreut auf dem Schnee hinter der Windschutzscheibe. So machte Wanda den Polizisten ihre vertraulichen Mitteilungen, tatsächlich sprach sie De Luca mit an.

– Arrogant, unsympathisch und sehr eingebildet. Mario hat sie nur geheiratet, weil sie während ihrer Verlobung schwanger wurde. Sie war damals erst neunzehn, er hielt sie für zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig. Abgesehen davon, dass er nicht der Typ ist, der ein Mädchen sitzen lässt, musste er sie auch deshalb heiraten, weil ihr Vater nach dem Krieg gestorben ist. Er war ein großes Tier, er hatte dafür gesorgt, dass er nicht zum Militär gehen musste und stattdessen die Universität besuchen konnte, und als es für alle brenzlig wurde, schickte er ihn in die Schweiz, wo er den Abschluss machte. Mario war ein bedeutender Professor, das wissen Sie doch, oder?

Wanda schlug die Beine andersherum übereinander, sie zeichnete wieder die Konturen ihres Knies nach, diesmal mit der Spitze des Mittelfingers.

– Ach ja, Stefania. Im Gegensatz zu Mario gibt es über sie nicht viel zu sagen. Er war sympathisch, sie nicht, er war gebildet, sie nicht, er sehr aktiv, voller Interessen, sie nicht. Eifersüchtig wie ein Affe, aber nicht nur auf seine Geliebten, obwohl er gar nicht so viele hatte, das war vielmehr eine Pose, so etwas erwartete man ja von einem wie ihm. Ich weiß das, denn als ich zu arbeiten aufgehört habe, habe ich jemanden gesucht, der mich aushält, und da habe ich es zuerst bei Mario probiert, wir hatten gemeinsame Freunde, aber er hat mir zu verstehen gegeben, dass er kein Interesse habe, nein danke. Doch er hat mich meinem späteren Mann, Pucci, vorgestellt, dem Commendatore Raggi, übrigens ein Cousin Stefanias. Ich werde ihn nie vergessen, wirklich nicht. Was für ein Unglück, dass er an diesem Tag … Haben Sie die Blumen an der Straße gesehen, ein paar Kilometer vor Malalbergo? Nein, wahrscheinlich nicht bei dem vielen Schnee.

Wanda zog den Rotz hoch. Sie warf einen Blick auf das Tor der Villa und flüsterte: .

– Feinde? Viele und keine, aber eher keine. Das war nicht ihr Verdienst, es gab vielmehr keinen Grund, sie ernst zu nehmen. Freunde? Genauso wenige. Nach Marios Tod war ich zweimal zum Abendessen dort, Pucci fühlte sich verpflichtet, sie zu trösten, wir kannten einander schon eine Zeit lang, aber sie erinnerte sich nicht mal an meinen Namen. Jetzt heiße ich Marcella, Herr Kommissar, bitte vergessen Sie das nicht. Aber, warten Sie, in letzter Zeit hatte sie einen neuen Freund, vielleicht sogar mehr als einen Freund. Aldino Scaglianti. Er war ein Freund Marios, er spielte in seiner Band. Mario hingegen spielte nichts, er war ein leidenschaftlicher Jazzfan und als er von seinen Reisen in die USA zurückkehrte, stellte er diese Band zusammen, lauter Universitätsleute, Aldino spielte Saxofon. Ich kenne ihn, weil wir uns ein wenig nähergekommen sind, ihr habt Pucci ja gesehen, er ist ein braver Ehemann, aber er sieht nicht gerade aus wie Clark Gable. Nach Marios Tod hat Aldino sich verändert, wir haben uns zwar alle verändert, aber er am meisten. Er hat mich sozusagen sitzen lassen und sich Stefania angenähert, obwohl sie einander davor richtiggehend hassten. Heute war er nicht da. Keine Ahnung, warum nicht. Er spielt zwar heute Abend mit der Band im Modernissimo, aber auf einen Sprung hätte er schon kommen können.

Wanda streckte die Beine unter dem Armaturenbrett aus. Sie strich die Strümpfe über den Schenkeln glatt, das Kleid über den Strümpfen und den schwarzen Samtmantel über dem Kleid.

– Keine Ahnung, wer Stefania umgebracht hat und warum. Jetzt muss ich aber wirklich gehen.

Giannino sah De Luca an, dieser nickte. Er stieg aus und hielt ihr mit einer kleinen Verbeugung die Tür auf. Wanda rutschte über den Sitz und sprang in den Schnee hinaus. Bevor sie...


DER AUTOR Carlo Lucarelli, 1960 in Parma geboren, lebt bei Bologna. Er ist Schriftsteller, Drehbuchautor, Journalist, Regisseur und Fernsehmoderator. International bekannt wurde er durch seine Kriminalromane, die in viele Sprachen übersetzt, mehrfach preisgekrönt und verfilmt wurden. Mitbegründer des "Gruppo 13" und Lehrer an der "Scuola Holden" für kreatives Schreiben. Auf Deutsch liegen zahlreiche Bände vor, zuletzt erschien bei Folio "Bestie" (2014).



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