E-Book, Deutsch, 247 Seiten
Lorenz Nie zu spät für ein Date
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7487-8232-2
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Geschichten über die zweite Pubertät
E-Book, Deutsch, 247 Seiten
ISBN: 978-3-7487-8232-2
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Christian Lorenz, Jahrgang 1948, war lange Jahre als Journalist und Verleger tätig. Stand dabei die fachliche Berichterstattung im Vordergrund, so waren es dann in späteren Jahren heitere Begebenheiten aus dem Leben des Autors, die ihn zu Büchern animierten. Sein erstes Buch, 'Groß genug für kleine Sünden' (2012) schildert Erlebnisse aus pubertären Jugendzeiten, und nun in reiferem Alter schließt sich ein Kreis. Das Thema taucht wieder auf: Alterspubertät. 'Nie zu spät für ein Date' ist der Versuch, auch gerade dieser Lebensphase lustige Seiten abzugewinnen. Männer neigen in dieser Phase zu übermäßiger Aktivität. Sie beginnen zu laufen, schwitzen sich in Fitnessstudios ab, oder kaufen sich zumindest ein Motorrad. Sie testen ihre Wirkung auf das weibliche Geschlecht, bevorzugt auf Jüngere. Gleichzeitig fragen sie sich aber auch, ob ihre sexuelle Aktivität noch in der Norm liegt. Auch Frauen wollen sich in dieser Zeit neu entdecken. Die Kinder sind aus dem Haus, es bleibt Zeit, neue Erfahrungen zu machen. Manche tun das auf innerliche Art und beschäftigen sich mit Spiritualität oder Esoterik. Andere finden neue soziale oder humanitäre Aufgaben. Auch die eigene künstlerische Begabung wird ausgelotet. Die Beziehung tritt in eine neue Phase und die Frage taucht auf. 'War's das schon oder kommt da noch was?' Oder: 'Eigentlich hätt' ich noch Lust auf mehr.' Das führt auch bei manchen Frauen zu auffälligen Verhaltensänderungen. Während die ersten Bücher aus rein persönlichem Erleben entstanden sind, lässt sich der Autor in den vorliegenden Erzählungen auch reichlich Raum für Eingebung und Fantasie. Das Ziel bleibt aber, Verhaltensweisen und Figuren so lebensnah zu zeichnen, dass die Leserschaft in der einen oder anderen auch ihre eigenen Erfahrungen wiederfindet.
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Nie zu spät für ein Date
Soviel freudestrahlende Menschen reiferen Alters hatte Rudi Tiefenbacher noch nie gesehen. Im Vorraum des großzügig ausgestatteten Büros blickten sie von einer großen Wand selig herab. Die Bilder kamen offensichtlich alle aus demselben Fotostudio, die Glücksposen zeigten auffallende Ähnlichkeiten. Erwartungsfroh betrat er das vielgelobte Institut. Sollte er dereinst auch von dieser Wand strahlen? Kurz prüfte er den Sitz seines sehr bequem geschnittenen Trachtenanzugs. Von seiner stattlichen Erscheinung überzeugt, legte er keinen Wert auf modischen Chic. Das derbe Leinenhemd stand offen, die klobigen Schuhe vermittelten Bodenständigkeit, der feste Schritt Entschlossenheit und das exakt gescheitelte, kurz geschnittene Haar Geradlinigkeit. Rudi Tiefentaler öffnete die dick gepolsterte Tür mit der Aufschrift „Empfang“ und stand in einem großen, elegant gestylten Raum den mehrere Vintage-Möbel zierten. Die bequeme Ledergarnitur, die kleine Bar in der Ecke, die exotischen Topfpflanzen, die dezente Hintergrundmusik und das sanfte Licht wirkten behaglich. Eigentlich legte Rudi Tiefenthaler auf solche Inszenierungen keinen Wert, fühlte sich aber durch die Stimmung im Raum dennoch angeregt. Dazu trug vor allem die anziehende Frau bei, die ihm gegenüber Platz genommen hatte. „Was darf ich Ihnen anbieten?“, eröffnete sie mit einladender Geste das Gespräch. Rudi Tiefenbacher verstand nicht gleich und blickte sie fragend an. „Kaffee, Tee, Mineralwasser?“ „Ach so, das meinen Sie.“ Er hatte statt einer solchen Höflichkeitsfrage eigentlich gleich Konkretes erwartet. Nun zögerte er kurz. „Nun wenn sie mich so fragen, am liebsten Kaffee ohne Milch und ohne Zucker.“ „Aber gern, ganz wie Sie wünschen, mein Herr“ Elegant erhob Tamara Sikova sich aus der Ledergarnitur und steuerte die Kaffeemaschine neben der Bar an. „Da bin ich ganz bei Ihnen, ich mag‘s auch kräftig:“ Es trat eine kurze Pause ein, während der Rudi Tiefenbacher die auf dem Tisch liegenden Papiere durchsah. Aufnahmeprotokolle, Testbögen, Persönlichkeitsprofile, Präsentationsvorschläge waren da zu finden. Das wollte er sich gar nicht erst anfangen. Um kurz zu überlegen, nippte er einige Male an der Kaffeetasse. Tamara Sikova öffnete eine Mappe, der sie einige Papiere entnahm. „Ihre persönlichen Daten haben wir ja schon. wenn Sie das jetzt bitte noch ausfüllen, wir erstellen danach gleich Ihr aussagekräftiges Persönlichkeitsprofil“. Dann überreichte sie ihm drei verschieden farbige Formulare. Also das kam jetzt für Rudi Tiefenbacher überhaupt nicht infrage. Ja er empfand es eigentlich als Zumutung. Auch wenn die Aufforderung mit atemberaubendem Augenaufschlag vorgetragen wurde. Verdammt fesche Frau, dachte er, aber das kann sie nicht von mir erwarten. Dann erhob er sich schwungvoll aus der weichen Polsterbank und versuchte ein überlegenes Lächeln aufzusetzen. „Das brauchen wir nicht. Schaun‘ Sie mich an!“ Das brachte Tamara Sikova keineswegs in Verlegenheit. Männer zu taxieren gehörte schließlich zu ihrem Beruf. Sieh da, ein ansehnliches Exemplar, schien ihr Nicken zu zeigen. Ja mehr noch: Ganz langsam ließ sie ihren Blick von seinen Beinen nach oben gleiten. Als sich Tamara Sikova dann zurücklehnte, ihre Arme über die Lehne breitete, ihre wohlgeformten Beine übereinander schlug und ihn lange aus großen dunklen Augen ansah, wurde Rudi Tiefenbacher dann doch unruhig. Sein Lächeln wich erwartungsvoller Ungeduld: „Und?“ Nach einer kleinen Pause kam die erhoffte Antwort. „Ja sie haben Recht! Natürlich haben sie noch alle Chancen bei den Frauen. Auch mit 72…“ Die erotisch-dunkle Stimme und der charmante slovakische Akzent unterstrichen das eindrücklich. Tamara Sikova verstand sich auf die Eitelkeiten von Männern. Ihrer attraktiven Erscheinung bewusst, gab sie ihnen das Gefühl, nicht nur mit einem emotionslosen Beratungsgespräch dienen zu können, sondern auch sehr persönlich auf sie einzugehen. Ganz so, als wollte sie sich selbst zum Testobjekt machen. Der Schüchterne, der gar nicht wagt, den Blick auf ihre offen gezeigte Fraulichkeit zu richten. Der Großspurige, der glaubt, gleich seine Männlichkeit unter Beweis stellen zu müssen. Der Skeptische, der fürchtet, wieder einmal hereingelegt zu werden. Noch bevor sie in ein näheres Gespräch eintrat, wusste sie mit weiblichem Spürsinn und erfahrenem Blick, die meisten Kunden schon einzuordnen. Dieser hier schien ihr ein einfacher Fall zu sein. Ein selbstsicherer Mann, mit einem unkomplizierten Verhältnis zu Frauen. Kein Träumer, der die Märchenprinzessin sucht. Keiner, der Verführungsspiele oder erotische Raffinessen liebt. Wohl auch keiner, der eine Partnerin übermäßig verwöhnt. Nach langer Ehe war Rudi Tiefenbacher zum Witwer geworden, dachte aber nicht daran, allein zu bleiben. Schon wenige Monate nach dem Tod seiner Frau, suchte er wieder eine wie sie. Eine mit Bodenhaftung, eine Unkomplizierte, eine, die anpackt und auch eine, mit der man lachen kann. Eine, die auch seinen rustikalen Humor versteht. In seiner Heimatgemeinde Lilienfeld nach einer neuen Partnerin zu suchen, kam jedoch nicht in Frage. Da hatte der erfolgreiche Geschäftsmann einige missgünstige Mitbewohner. Da gab es auch ein paar Tratsch-süchtige Lästermäuler, die christliche Moral vorgaben, um sich dann über andere das Maul zu zerreißen. Nein, undenkbar hier schon so bald mit einer Neuen aufzutauchen. Eigentlich fiel ihm da auch gar keine ein, die zu ihm passen würde. Rudi Tiefenbacher verband mit seiner Heimatgemeinde ein zwiespältiges Verhältnis. Da gab es die kleinstädtische Enge, die Traditionsverbundenheit in Kameradschaftsbund, Heimat- und Trachtenverein. Da gab es in der Schulstadt Lilienfeld aber auch viel aufgeschlossene Lehrer und sportbegeisterte junge Menschen, wie in der Skihauptschule. Er selbst liebte die dicht bewaldeten sanften Voralpenberge seiner Heimat, die ja sein Lebensraum und sein Arbeitsplatz waren. Als Waldbesitzer, Forstmaschinenhändler und Hobby-Landwirt, war er keiner, den es in die Ferne zog. Statt zu reisen, befasste er sich lieber mit seiner Traktoren-Sammlung. Auch die Wochenenden verbrachte er bevorzugt mit Fischen, Jagen oder Schwammerlsuche. Bei Kulturausflügen oder Verwandtenbesuchen machte er meist nur seiner Frau zuliebe mit. Seine Kinder würden ihm eine neue Frau sicher nicht nachtragen. Ganz im Gegenteil. „Die Mama hätt’s net wolln“, hatte er mehrmals von der Tochter gehört, wenn sie über das Alleinbleiben sprachen. Auf die neue Idee, mit der er es nun versuchen wollte, hatte ihn erst sein Sohn Klaus gebracht. Der war ja ein erfolgreicher Personalvermittler für leitendes Management. „Da find ich sicher das beste Institut für dich“, hatte er den Vater überrascht. „Ein Heiratsbüro, so was brauch ich nicht, ich doch nicht…“ Zunächst war Rudi Tiefenbacher ja sehr verwundert über den Vorschlag. Nach dem Zureden seiner Kinder, die ihm nach wie vor beste Chancen bei der Weiblichkeit bescheinigten, reizte es ihn aber dann doch. Mit seiner männlichen Ausstrahlung war er nach wie vor zu packen. Scheu oder schüchtern war der Erfolgsmensch ja ohnehin nie und mehr zu bieten als die meisten Altersgenossen hatte er allemal. „Wenn auch nichts wird daraus, den Spaß mach ich mir“, hatte sich Rudi Tiefenbacher plötzlich unternehmungslustig gezeigt, als dann von seinem Sohn der konkrete Vorschlag kam: „ Geh‘ zu Age without borders. Die haben die besten Bewertungen, die höchsten Erfolgsquoten, die sind Marktführer bei Senioren“ Das klang zwar sehr geschäftsmäßig, aber schließlich war er ja auch Geschäftsmann. Ganz sicher würde er sich sehr gut verkaufen. Ebenso sicher war er, die üblicherweise verlangten Unterlagen, wie Lebenslauf, berufliche Stellung, Interessen und Vorlieben nicht abzuliefern und dachte auch nicht daran, die von ihm erwarteten Eigenschaften und Vorzüge in irgendein Formular einzutragen. Nein, was er mitgebracht hatte, sollte wohl reichen: Ein großformatiges Hochglanzfoto im Lederrahmen. Ein großgewachsener Mann in Stiefeln, Jeans und weit geöffnetem Flanellhemd war da zu sehen. Am Kopf einen breitkrempigen Filzhut, der tief ins Gesicht reichte, in der Hand eine riesige Axt, mit der er mitleidlos auf einen Baumstamm einschlug. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, trumpfte Rudi Tiefenbacher auf und richtete seinen festen Blick erwartungsvoll auf Tamara Sikova. Sie gab sich beeindruckt, nickte anerkennend und ließ ein lautes „Wow!“ folgen. Ganz offensichtlich hatte sie sich nicht geirrt. Der Mann auf dem Foto und der Mann, der vor ihr stand, passten genau ins Bild. Entschlossen, und selbstsicher. Einer, der gradlinig auf sein Ziel lossteuert, bei dem Frauen wissen, was sie erwartet, und was...