Lorei | Zeitschrift Polizei & Wissenschaft | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 84 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: Polizei & Wissenschaft

Lorei Zeitschrift Polizei & Wissenschaft

Ausgabe 2/2023
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-86676-804-8
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ausgabe 2/2023

E-Book, Deutsch, 84 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: Polizei & Wissenschaft

ISBN: 978-3-86676-804-8
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Kompetentes Handeln basiert allgemein auf der Kombination praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Grundlage hierfür ist die Kommunikation und Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Dies gilt ganz besonders für eine moderne Polizei. Die Zeitschrift Polizei & Wissenschaft bietet die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Kommunikation polizeirelevanter Themenbereiche. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Polizei. Durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung werden unterschiedlichste wissenschaftliche und praktische Perspektiven miteinander vernetzt. Dazu zählen insbesondere die Bereiche Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin, Arbeitswissenschaft und Sportwissenschaft. Aber natürlich wird auch polizeirelevantes Wissen der Disziplinen genutzt, die nicht klassisch mit dem Begriff Polizei verknüpft sind, wie z.B. Wirtschaftswissenschaften, Sprachwissenschaften, Informatik, Elektrotechnik und ähnliche. Polizei & Wissenschaft regt als breit angelegtes Informationsmedium zur Diskussion an und verknüpft Themenbereiche. Sie erscheint vierteljährlich und geht mit ihrer interdisziplinären Interaktivität über einen einseitigen und fachlich eingeschränkten Informationsfluss hinaus. Dazu nutzt sie die Möglichkeiten des Internets und fördert durch die Organisation von Veranstaltungen auch eine direkte Kommunikation.

Herausgegeben durch Prof. Dr. Clemens Lorei
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Jochen Kinast, Volker Gehrau & Katja Driesel-Langer
Polizeikarriere in Serie und Realität

Karl-Heinz Fittkau & Thilo Teske
Gesundheitsförderliche Führung im Schichtdienst

Matthias Frey & Maxine Ott
Generation Z ist in der Polizei angekommen – Betrachtung einer neuen Generation von Ermittler:innen in Berlin

Karl Kipping
Neue Reaktionsformen auf Jugendkriminalität.
Sinnhaft innovative Handlungskonzepte oder inszenierte Fassaden?

Manfred Reuter
Die Repräsentanz der Polizeigewerkschaften in den deutschen Kriminalpolizeien

Kerstin Kocab & Clemens Lorei
Die Bereitschaft zum Zeigen von Emotionen bei Polizeibeamt*innen und ihr Zusammenhang mit der Stressbewältigung


Gesundheitsförderliche Führung im Schichtdienst


Zwei quantitativ-empirische Untersuchungen im Schichtdienst der Berliner Polizei

Karl-Heinz Fittkau & Thilo Teske

1. Einleitung


Schichtarbeit ist notwendig. Darauf müssen sich viele Beschäftigte über lange Phasen ihres Berufslebens einstellen; einige Beschäftigte werden ihr gesamtes Berufsleben im Schichtdienst verbringen müssen. Dies ist nicht neu und schon gar nicht eine Erscheinung der aktuellen modernen Arbeitswelt. Auch in früheren Gesellschaften gab es Bereiche, die rund um die Uhr Dienstleistungen und Produkte für das Gemeinwesen wie auch für den privaten Kunden anboten: das Gesundheitswesen, die Altenpflege (oft im privaten Bereich von weiblichen Angehörigen rund um die Uhr geleistet), die Bereiche der Ordnung und Sicherheit, die Schifffahrt (der internationale Handel), die Hotellerie wie auch die Gastronomie und ab dem 19. Jahrhundert die Industrie mit ihren kapitalintensiven Investitionen und z. T. dramatischen Modernisierungsschüben. Dabei sind es selten Staaten und deren Regierungen, die solche Prozesse forcierten; es war eine immer steigende Nachfrage des Kunden (nach Produkten und privaten Dienstleistungen) und des Bürgers (nach allumfassender staatlicher Fürsorge und Sicherung), die solche Prozesse initiierten und von Regierungen letztendlich aufgegriffen und in gesetzliche Rahmenbedingungen eingepasst wurden. So sehr gewerkschaftliche Forderungen nach weniger Schichtarbeit und mehr Work-Life-Balance auf der Individualebene verständlich sind, so sehr gehen sie gerade in einer alternden Gesellschaft mit abnehmender Fertilitätsrate an der wirtschaftlichen wie auch sozialen Realität vorbei. Nur Arbeit schafft Wohlstand.

Zusammenfassung

Welche Folgen hat Schichtdienst für die betroffenen Mitarbeitenden? Und können mögliche negative Folgen durch entsprechendes Führungsverhalten oder durch gezielte organisatorische Maßnahmen gemildert werden? Dieser Beitrag bespricht zwei selbst durchgeführte Studien in der Berliner Polizei. Studie 1 (N = 203) hat Work-Life-Balance, sozialen Stress und die Burnout-Neigung von Schichtdiensttuenden untersucht. Studie 2 (N = 163) beschäftigte sich mit der Wirksamkeit transformationaler Führung im Schichtdienst. Mittels hierarchischer und moderierter Regressionen konnten wir nachweisen, dass Schichtdienst nicht zwingend die empfundene Work-Life-Balance wie auch die Burnout-Neigung negativ beeinflussen muss. Lediglich der wahrgenommene soziale Stress vermag die Burnout-Neigung zu steigern. Zudem ist die positive Wirkung transaktionaler Führung nicht zu unterschätzen. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass besonders Führungskräfte negativen Wirkungen von Schichtarbeit entgegenwirken können.

Schichtdienst, Work-Life-Balance, Burnout, Sozialer Stress, Polizei.

Abstract

What are the consequences of shift work for the employees concerned? And can possible negative consequences be mitigated by appropriate leadership behavior or by targeted organizational measures? This paper discusses two self-conducted studies in the Berlin police force. Study 1 (N = 203) examined work-life balance, social stress, and burnout propensity among shift workers. Study 2 (N = 163) focused on the effectiveness of transformational leadership in shift work. Using hierarchical and moderated regressions, we were able to show that shift work does not necessarily have a negative impact on the perceived work-life balance or the propensity to burnout. Only the perceived social stress is able to increase the burnout tendency. In addition, the positive effect of transactional leadership should not be underestimated. The results indicate that managers in particular can counteract the negative effects of shift work.

Shift work, work-life balance, burnout, social stress, police.

Die Notwendigkeit von Schichtarbeit anzuerkennen, verlangt aber auch zu fragen, welche Folgen Schichtarbeit für die Betroffenen hat? Wie können negative soziale und vor allem gesundheitliche Folgen minimiert werden. Schließlich gilt es, Mitarbeiter möglichst lange (bis zum Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters bzw. des Pensionsalters) und möglichst ununterbrochen (also mit wenigen Erkrankungen) im Wertschöpfungsprozess zu halten.

In diesem Beitrag geht es um die Frage, was Führungskräfte leisten können, um die kritischen Folgen von Schichtarbeit zu minimieren. Einführend wird eine 2018 in Deutschland durchgeführte Vergleichsstudie zwischen Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten und Schichtarbeitern zur Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und psychosomatischen Beschwerden vorgestellt (Müller & Lück, 2019) und mit vorliegenden Befunden in der deutschen Polizei abgeglichen. Anschließend wird die generelle Wirksamkeit transformationaler Führung (auch in der Polizei) besprochen. Den Hauptteil bilden zwei aktuelle eigene Studien zur Problematik Schichtarbeit in der Polizei. Die erste Studie hinterfragt die Wirkungen von Schichtarbeit in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht der Beschäftigten und untersucht, inwieweit länger andauernde Schichtarbeit zur Verstärkung von Burnout-Neigungen führt. Die zweite Studie bezieht sich auf eine Untersuchung von Koch (Koch, 2019) zur Wirksamkeit transformationaler Führung im Schichtdienst (Funkwageneinsatzdienst) der Berliner Schutzpolizei.

Abschließend versuchen wir eine Diskussion über mögliche Konsequenzen für das Führungsverhalten im Schichtdienst und erörtern zugleich Limitationen der eigenen Untersuchung.

2. Problem Schichtarbeit


In einer deutschlandweit angelegten Erwerbstätigenbefragung mit etwas über 20.000 Befragungsteilnehmern im Zeitraum Oktober 2017 bis April 2018 wurde hinterfragt (Müller & Lück, 2019, S. 442):

  • Gibt es Unterschiede in der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zwischen Schichtarbeitern und Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten?
  • Wirkt sich eine erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben auf den Gesundheitszustand Beschäftigter aus?
  • Ist eine erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bei Schichtarbeitern eine mögliche Ursache für negative Gesundheitsfolgen?

Alle drei Fragen mussten bejaht werden. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben gestaltet sich bei Schichtarbeitern schwieriger als bei Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten. Zudem berichten Schichtarbeiter häufiger psychosomatische Beschwerden. Die verstärkt berichteten psychosomatischen Beschwerden bei Schichtarbeitern werden mediiert durch die verschlechterte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben (Müller & Lück, 2019, S. 446 - 448). Die Studienergebnisse bestätigen, die in der Literatur hinlänglich berichteten Ergebnisse (Müller & Lück, 2019, S. 448).

Für die deutsche Polizei liegen bis jetzt relativ wenige Studien vor, die explizit den Einfluss von Schichtarbeit auf die Work-Life-Balance, das arbeitsbezogene Belastungsempfinden und die Burnout-Neigung von Mitarbeitenden untersucht haben. An dieser Stelle besprechen wir drei Studien, die eine Differenzierung von schichtdiensttuenden Polizeivollzugsbeamten und anderen Polizeivollzugsbeamten hinsichtlich Belastungsempfinden, Burnout-Neigung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgenommen haben.

In einem Forschungsbericht zur Situation in der niedersächsischen Polizei aus dem Jahre 2002 (Bosold, Ohlemacher, Kirchberg & Lauterbach, 2002) berichten die Autoren, eine arbeitsbelastungsbezogene Unterforderung der Beschäftigten im Einsatz- und Streifendienst und in der Bereitschaftspolizei (also überwiegend Schichtdienst) im Verhältnis zu anderen Bereichen der Polizei mit überwiegend Normaldienstzeiten (Bosold, Ohlemacher, Kirchberg & Lauterbach, 2002, S. 56). Hinsichtlich Burnout-Neigung konnten die Autoren lediglich im Bereich der „Depersonalisierung“1 signifikant höhere Werte bei Beschäftigten des Streifendienstes feststellen (Bosold, Ohlemacher, Kirchberg, & Lauterbach, 2002, S. 90-91).

Zu partiell anderen Ergebnissen kamen 2017 Kleiber und Renneberg in ihrer Berliner Studie „Gesundheitsmonitoring in der Polizeidirektion B“ (Kleiber & Renneberg, 2017). Auch sie konnten lediglich feststellen, dass Polizeivollzugsbeamte mit Bürgerkontakt in den Abschnitten (u. a. Streifendienst, Schichtdienst2) nur z. T. etwas belasteter zu sein scheinen als Mitarbeitende ohne Bürgerkontakt (Kleiber & Renneberg, 2017, S. 45). Hingegen ist die Befundlage bei allen drei Burnout-Skalen3 anders als bei Bosold et al. eindeutig. Für alle drei Skalen zeigten sich bei den Polizeivollzugsbeamten im Außendienst (Schichtdienst) signifikant höhere mittlere Summenwerte (Kleiber & Renneberg, 2017, S. 54). Ähnlich eindeutig ist die Aussage zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben: „Das Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen, ist besonders aufgrund des Schichtsystems eine Herausforderung für viele PVB.“ (Kleiber & Renneberg, 2017, S. 71).

In einer groß angelegten Studie mit N = 1.239 und einer Rücklaufquote...



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