E-Book, Deutsch, Band 311, 320 Seiten
Reihe: Historical Gold
London Der Abenteurer und die Lady
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7337-6830-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 311, 320 Seiten
Reihe: Historical Gold
ISBN: 978-3-7337-6830-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Skandal um ihre Familie hält jeden Ehekandidaten fern! Die zauberhafte Miss Prudence Cabot fürchtet, als alte Jungfer zu enden. Aus Verzweiflung beschließt sie, eine weit entfernt lebende Cousine zu besuchen. Doch auf dem Weg dorthin trifft sie einen waghalsigen Amerikaner, der ihr Herz in allergrößte Unruhe versetzt. Roan Matheson ist so ganz anders als die stocksteifen englischen Gentlemen. Er hat breite Schultern, ein freches Lächeln, warme, starke Hände ... und küsst so zärtlich und verführerisch! Ein Abenteuer beginnt, das Prudence' Ruf für immer zerstören könnte - oder macht es sie vielleicht zur glücklichsten Engländerin auf Erden?
Julia London hat sich schon als kleines Mädchen gern Geschichten ausgedacht. Später arbeitete sie zunächst für die US-Bundesregierung, sogar im Weißen Haus, kehrte aber dann zu ihren Wurzeln zurück und schrieb sich mit mehr als zwei Dutzend historischen und zeitgenössischen Romanzen auf die Bestsellerlisten von New York Times und USA Today. Sie lebt mit ihrer Familie in Austin, Texas.
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2. KAPITEL
Der Innenraum der Kutsche war für vier Passagiere gedacht, außerdem gab es extra Sitzgelegenheiten auf dem Dach, doch diese waren bereits belegt. So musste Roan sich hineinzwängen; er quetschte sich in die äußerste Ecke auf eine unglaublich harte Bank, dabei berührten seine Knie die knochigen Beine seines Gegenübers – ein alter Mann, der ihn unverhohlen musterte. Neben dem alten Mann saß ein Junge, der vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein mochte. Er hatte die Mütze so tief in die Stirn gezogen, dass Roan nichts weiter von ihm sehen konnte als eine scharf geschnittene Nase und ein schmales Kinn. Auf den Knien hatte der Bursche einen kleinen zerschlissenen Koffer, den er mit beiden Armen an sich drückte.
Neben dem Jungen saß eine von zwei stämmigen Frauen, deren Spitzenhäubchen etwas zu knapp auf ihren Köpfen saßen, wo sich dichte kleine Löckchen um die Ohren kringelten. Zwillinge schienen sie nicht zu sein, aber sie sahen einander so ähnlich, dass Roan sie für Schwestern hielt. Sie trugen identische Kleider aus grauem Musselin, und über ihre breit gewölbte Brust spannte sich eine solche Menge an Spitze, dass man auf den ersten Blick an Zierüberwürfe dachte.
Das Auffälligste an den beiden Frauen war ihre Fähigkeit, ohne Pause zu reden. Sie saßen einander gegenüber, und keine schien auch nur einmal Luft holen zu müssen – sie erzählten und erzählten, seit Roan in die Kutsche gestiegen war, und fielen sich gegenseitig ins Wort. Außerdem sprachen sie sehr schnell und mit so starkem Akzent, dass er kein Wort verstand.
Als die frischen Pferde eingespannt wurden, ruckte die Kutsche. Es gelang Roan dennoch, seine Taschenuhr hervorzuholen, ohne jemandem seinen Ellenbogen ins Auge zu stoßen. Es war gerade halb eins vorbei. Sie würden bald abfahren, doch die hübsche junge Frau mit den glänzenden haselnussbraunen Augen, die ihm geholfen hatte, war nirgendwo zu sehen.
Sie war seine Rettung gewesen an einem ansonsten schrecklichen Tag, das Einzige, was die ganze Anstrengung irgendwie weniger ermüdend gemacht hatte. Es war zumindest für ihn eine Überraschung, wie hübsch Miss Cabot war, wahrscheinlich sogar hübscher als alle Mädchen, die er vor seiner Abreise aus New York gesehen hatte, und ganz sicher hübscher als alle, denen er bisher in England begegnet war. Vielleicht war das nicht so ungewöhnlich, schließlich war er in Liverpool angekommen, und der Hafen dort galt ganz sicher nicht als der schönste Ort der Welt. Ihre wohlgeformte Figur gefiel ihm außerordentlich, ihr Mund war groß und ihre Lippen voll und rot, außerdem hatte sie dunkle Wimpern, die ihre schönen mandelförmigen Augen umrahmten, die ihn eher an den Sommer als an den Winter erinnerten. Er hatte sich nicht dagegen wehren können, dass seine Männlichkeit aufgewacht war, als er sie in diesem kleinen Dorf zum ersten Mal gesehen hatte.
Die ältere Frau neben ihm setzte sich zurecht und rückte von der Außenwand ab, sodass sie fast den ganzen noch freien Platz auf der Sitzbank einnahm; zwischen ihnen gab es höchstens noch zehn Zentimeter Luft, das reichte nicht einmal für eine so zierliche Person wie Miss Cabot. Hatte sie sich etwa einen Platz auf dem Dach suchen müssen?
Wie als Antwort auf diese Frage öffnete sich in diesem Moment der Schlag, und Miss Cabots Haube war zu sehen. „Oje“, meinte sie, als sie einen Blick ins Innere der Kutsche warf. „Mir scheint, hier ist kein Platz mehr.“
„Unsinn, natürlich ist hier noch Platz“, erwiderte eine der redseligen Frauen. „Wenn der Gentleman ein wenig zur Seite rückt, können wir Sie hier sehr gut unterbringen. Es wird vielleicht ein wenig eng, aber wir werden schon zurechtkommen.“
Roan erkannte, dass die Frau mit dem winzigen Spitzenhäubchen ihn gemeint hatte. Er warf einen Blick auf die Wand der Kutsche, an die er sich drücken sollte, und sah dann die Frau an, die mehr Platz auf der Bank eingenommen hatte, als ihr eigentlich zustand. „Ich bitte um Verzeihung, aber ich bin bereits so weit zur Seite gerückt, wie es irgend geht.“
„Nur ein kleines Stückchen“, forderte die Frau und wedelte mit den Händen, machte jedoch keinerlei Anstalten, ihrerseits Platz zu schaffen.
„Vielen Dank.“ Miss Cabot stieg zögernd ein. Dabei streifte sie die Knie von Roan und auch die des alten Mannes. „Entschuldigung“, sagte sie, während sie sich den Weg bis in die Mitte der Kutsche bahnte. Dabei hinterließ sie einen Hauch ihres Parfüms.
Sie zuckte zusammen, als sie das schmale Stück Bank sah, das man ihr zugedacht hatte.
„Man kann nicht gerade von einem Sitz sprechen, nicht wahr?“, stellte eine der Frauen fest. „Aber Sie sind doch so ein schmales Persönchen. Sie werden schon hineinpassen.“
„Ähem …“ Miss Cabot lächelte Roan unsicher zu, und wie durch ein Wunder gelang es ihr tatsächlich, sich anmutig umzudrehen, ohne in der Enge jemanden zu berühren außer mit dem Saum ihres Kleides. Sie setzte sich vorsichtig auf die Kante der Bank, dabei hielt sie ihren schmalen Rücken sehr gerade. Roan bemerkte, dass sie mit den Knien die Knie des Jungen berührte, und man konnte dem Burschen an den Wangen ablesen, dass ihm das ebenfalls nicht entgangen war. Roan war in diesem Alter genauso gewesen – er hatte sich so schrecklich vor allen weiblichen Wesen gefürchtet, wie er verzweifelt versucht hatte, sich unauffällig in ihrer Nähe aufzuhalten.
„Sie können doch da nicht die ganze Zeit wie ein Vogel auf der Stange hocken. Das halten Sie nicht durch“, sagte Roan. „Bitte machen Sie es sich doch bequem.“
Miss Cabot drehte vorsichtig den Kopf, und obwohl Roan nichts von ihr sehen konnte außer ihrem Kinn und dem großen ausdrucksvollen Mund, spürte er, dass sie skeptisch war. Sie rutschte mit dem Hinterteil ein wenig hin und her und setzte sich ein paar Zentimeter weiter nach hinten. Die Frau rückte ein wenig zur Seite. Miss Cabot wand sich noch einmal, und Roan fühlte die Anspannung, die ihn erfasste, während sie sich mit dem Hinterteil in die schmale Lücke zwischen ihnen zwängte. Als sie es schließlich geschafft hatte – ihr zerbrechlicher Leib war gegen seinen harten Körper gepresst –, konnte er nicht anders, er musste an makellos weiße Hinterteile denken. Besonders ihres. Er stellte sich ihren Po glatt und herzförmig vor. Dann stellte er sich vor, wie er spielerisch in ihr festes Fleisch beißen würde …
Hör schon auf damit! Das war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, lüsterne Gedanken an eine Frau, die vielleicht gerade so alt war wie seine kleine Schwester.
Roan biss die Zähne zusammen und versuchte, seinen Arm wegzuziehen, doch es war ihm mit jeder Faser bewusst, dass er ihre zarte Gestalt an seinem harten Leib spüren konnte. Innerlich stritt er mit sich selbst, ob das daran lag, dass er ein Draufgänger und Halunke war, oder daran, dass er auf der langen Überfahrt über den Atlantik nichts als Männer gesehen hatte und anschließend nur auf holprigen englischen Straßen wie dieser hier unterwegs gewesen war. Er hatte seit Wochen keine Frau mehr angefasst.
Im Grunde genommen stimmte beides. Er mochte wirklich ein Halunke sein. Aber seit der Ankunft von Miss Susannah Pratt in New York hatte er auch keine lustvolle weibliche Gesellschaft mehr genossen.
„Also dann!“, sagte Miss Cabot, die gute Miene zum bösen Spiel zu machen versuchte und noch einen Anlauf unternahm, sich etwas bequemer hinzusetzen. Sie faltete ihre Hände im Schoß über dem kleinen Päckchen, das sie dabeihatte. „Wenn die Straßen so schlecht sind, wie man immer behauptet, werde ich wie ein Korken aus der Flasche schießen.“
Niemand entgegnete etwas, zweifellos befürchteten alle, dass sie recht behalten würde. Der Junge ihr gegenüber sank in seinem Sitz zusammen und versteckte sich in seinem Mantel. Der Alte starrte Roan noch immer aus seinen schwarzen Knopfaugen so unverhohlen an, dass Roan sich fragte, ob ihm seine erotischen Fantasien anzusehen waren.
„Alles in allem ist es aber ein guter Tag für eine Reise, nicht wahr?“, meinte Miss Cabot fröhlich.
Roan hoffte inständig, dass sie nicht zu denjenigen Frauen gehörte, die in allem das Gute sehen wollten und dies auch bei jeder Gelegenheit verkünden mussten. Er zog es vor, in Gesellschaft von Leuten zu reisen, die das Reisen ebenso mürrisch machte wie ihn selbst und die sich dabei genauso unwohl fühlten.
„Ein schöner Tag“, entgegnete eine der Frauen und fing so schnell und mit so viel Nachdruck an zu erzählen, dass Roan ihr nicht mehr folgen konnte.
Also nutzte er die Gelegenheit, Miss Cabot verstohlen zu mustern. Ihre Kleidung wirkte kostspielig. Er kannte sich auf diesem Gebiet aus, seitdem es zu seinen Aufgaben gehörte, die Schneiderrechnungen für seine Schwester Aurora zu bezahlen; er wusste, was Seide, Musselin, Brokat und feiner Wollstoff kosteten. Miss Cabot hatte feingliedrige Hände, wahrscheinlich machte sie die zartesten Stickereien damit. Er bemerkte, dass eine Strähne ihres Haars sich gelöst hatte und ihr über die Schulter hing – es hatte die Farbe von reifem Weizen.
Ob es sehr verwerflich war, wenn er sich eingestand, dass Miss Cabot genauso aussah, wie er sich Susannah Pratt immer vorgestellt hatte, bevor er sie schließlich kennenlernte? Goldblond und sehr elegant, mit einem Gesicht und einer Erscheinung, die in einem Mann die heftigsten Sehnsüchte auslöste? Susannah hingegen war dunkel, breit und unförmig. Roan hielt sich nicht für oberflächlich, er bewertete eine Frau nicht allein nach ihrem Aussehen, aber dass Miss Pratt außerdem auch nicht viel zu...