Loh | Trans- und Posthumanismus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

Reihe: zur Einführung

Loh Trans- und Posthumanismus

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-091-6
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In diesem Band setzt sich Janina Loh kritisch mit den unterschiedlichen Theorien zur Perfektionierung sowie zur Überwindung des Menschen und seiner Sterblichkeit auseinander, die in den Strömungen des Transhumanismus und Posthumanismus versammelt sind. Sie stellt die wichtigsten Ansätzen vor und diskutiert die zahlreichen Herausforderungen, die mit den Technologien des Human Enhancements, der Verschmelzung von Mensch und Maschine sowie einer technologischen Weiterführung des Humanismus bzw. seiner Verabschiedung verbunden sind. Die Entwicklung einer artifiziellen Superintelligenz, die Übertragung des menschlichen Geistes auf den Computer und die Infragestellung tradierter Kategorien wie Natur/Kultur, Frau/Mann und Subjekt/Objekt durch Trans- und Posthumanismus sind weitere Themen dieser Einführung.
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Einleitung
Ist die menschliche Evolution bereits abgeschlossen oder befindet sich die Menschheit auf dem Weg zu einer anderen, vielleicht besseren Form des menschlichen Daseins? Was kann, was wird aus ihr werden in einer Welt, in der eine technologische Entwicklung der Superlative die nächste jagt? Kann der Mensch seinen Status als ›Krone der Schöpfung‹ behaupten? Hat er ihn überhaupt jemals besessen? In welchem Verhältnis stehen artifizielle Kreaturen zu ihren menschlichen Schöpferinnen und Schöpfern? Sind sie deren Freund oder Feind, Konkurrenten um den Platz an der Spitze der Evolution gar, eine neue Spezies, die die Menschen überflügeln wird, oder bleiben sie stets nur Erweiterungen der Menschen, die sich mit ihrer Hilfe künstlich zu optimieren versuchen? Um die Beantwortung dieser Fragen, die seit längerer Zeit die philosophische Reflexion herausfordern, bemühen sich zwei heterogene Strömungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts: der Transhumanismus und der Posthumanismus. Beide vereinen Diskurse aus der Philosophie, den Sozial- und Kulturwissenschaften, den Neurowissenschaften, der Informatik, der Robotik und KI-Forschung und lassen sich an der Grenze von philosophischer Anthropologie und Technikphilosophie verorten (Irrgang 2005; Wilson/Haslam 2009). Ihre Vertreter*innen1 begreifen sich einerseits in der technologisch erweiterten Tradition des Renaissance-Humanismus, andererseits in kritischer Distanz zu diesem und schließen teils an das Programm der Postmoderne an. Sowohl der Trans- als auch der Posthumanismus setzen einen unter humanistischen Vorzeichen verstandenen Menschen als Ausgangspunkt für ihre technologischen und wissenschaftstheoretischen Überlegungen. Der Transhumanismus (TH) will den Menschen weiterentwickeln, optimieren, modifizieren und verbessern. Aber obwohl von ihm eine Aufforderung an die Menschen wie jene des Paulus an die Epheserinnen und Epheser ergehen könnte – »Legt von euch ab den alten Menschen […] und zieht den neuen Menschen an« (Neues Testament, Brief des Paulus an die Epheser 4, 22/24) –, könnte er dem christlichen Denken nicht ferner stehen. Die transhumanistische Methode ist die technologische Transformation des Menschen zu einem posthumanen Wesen.2 In diesem Sinne kann man nicht sagen, dass der TH ›den‹ Menschen zu überwinden sucht, sondern er will durch den Menschen, wie er ihn gegenwärtig erkennt, hindurch (»trans«) zu einem Posthumanen gelangen, zu einem Menschen x.0 (ich danke Michael Schumann für diesen Vorschlag zur Benennung des transhumanistischen Posthumanen). Die menschliche Evolution wird im TH als generell unabgeschlossen verstanden (Birnbacher 2015, 2008; Garreau 2005: 231 f.; Niemeyer 2015; Philbeck 2014; Rötzer 1998; Woll 2013). Die Technik spielt im transhumanistischen Denken die Rolle des Mediums und Mittels zum Zweck der Optimierung des Menschen zu einem Menschen x.0. Anders als dem TH ist dem Posthumanismus (PH) nicht mehr primär an ›dem‹ Menschen gelegen, sondern er hinterfragt die tradierten, zumeist humanistischen Dichotomien wie etwa Frau/Mann, Natur/Kultur oder Subjekt/Objekt, die zur Entstehung unseres gegenwärtigen Menschen- und Weltbilds maßgeblich beigetragen haben. Der PH möchte ›den‹ Menschen überwinden, indem er mit konventionellen Kategorien und dem mit ihnen einhergehenden Denken bricht. So gelangt der PH an einen philosophischen Standort hinter oder jenseits (»post«) eines spezifischen und für die Gegenwart essenziellen Verständnisses des Menschen. Dieser PH als Kritik des humanistischen Menschen-bildes wird in Anlehnung an Stefan Herbrechter kritischer PH (2009: 7) genannt, im Folgenden abgekürzt mit »kPH«. Auch der kPH hat eine Vision des Posthumanen, die allerdings nicht in einer verbesserten Variante des jetzigen Menschen zu sehen ist wie im TH, sondern in einem neuen Verständnis vom Menschen. Aufgrund der fundamentalen Umwälzungen, die mit einer radikalen Hinterfragung des Humanismus einhergehen, wird in dieser Strömung darüber hinaus in letzter Instanz auch der Kosmos im Ganzen einer Totalrevision unterzogen (Braidotti 2016; Callus/Herbrechter 2013; Franklin 2009; Gane 2006; Krüger 2007; Nayar 2014). Das »Kritische« des kPH ist mit seinen Ursprüngen in der »critical and cultural theory« und dem Poststrukturalismus auch im Sinne einer Literatur- und insbesondere Kulturkritik zu verstehen, die die kritische Lektüre wissenschaftlicher und fiktionaler Texte unternimmt (Herbrechter/Callus 2008; ich danke Stefan Herbrechter für diese Spezifizierung). Zwischen TH und kPH ist eine weitere Strömung zu verorten, die zuweilen als technologischer PH (Tirosh-Samuelson 2014: 55) bezeichnet wird, im Folgenden abgekürzt mit »tPH« (Badmington 2003: 11; Herbrechter 2009: 10, 19; Nayar 2014: 2–5 sowie Philbeck 2014: 174–176).3 Sowohl kPH als auch tPH haben nicht primär eine Veränderung ›des‹ Menschen im Blick. Aus diesem Grund stellen beide Variationen des PH dar. Allerdings ist dem tPH nicht an einer Infragestellung tradierter Kategorien oder an einer Kritik des (humanistischen) Menschenbildes gelegen, sondern primär an der Erschaffung einer artifiziellen Alterität, die die menschliche Spezies ablösen und damit ›den‹ Menschen überwinden soll. Auf dem Weg dorthin soll zwar auch der Mensch von den technologischen Errungenschaften profitieren, er werde modifiziert und so zu einer weitaus besseren Version seiner selbst – insbesondere durch die Verschmelzung mit sogenannten Nanobots, worauf später das Mind Uploading folgt, das ›Hochladen‹ des menschlichen Geistes auf einen Computer (vgl. die Abschnitte 7.1 und 7.3). Jedoch stellen diese Entwicklungen, die von einigen Transhumanist*innen als Grund dafür angeführt werden, den tPH als dem transhumanistischen Paradigma zugehörig zu betrachten (wie etwa Stefan Lorenz Sorgner, Max More und Martine Rothblatt), eher automatische Schritte auf einem Weg dar, auf dem es nicht an erster Stelle um den Menschen, gar um einen Menschen x.0, geht, sondern vorrangig um die Kreation einer maschinellen ›Superspezies‹. Die Modifizierung des Menschen stellt im Denken des tPH eine Art angenehmer Nebenfolge dar. Aus diesem Grund wird die Technik im tPH eher als Ziel und Zweck denn als Medium und Mittel (wie im TH) verstanden. Im kPH hingegen steht Technik (inklusive Kultur und Wissenschaft) als Gegenspielerin zur Natur insbesondere für eine Stellvertreter-Kategorie innerhalb einer die Menschen und ihr Verständnis von der Welt fundamental prägenden Dichotomie, die zugleich ein progressives Potenzial zum Ausbruch aus diesen konventionellen Deutungsmustern verspricht. Auch der tPH schließt eine Vorstellung vom Posthumanen ein. Dabei handelt es sich allerdings weder um einen Menschen x.0 wie im TH noch um ein neues nach-humanistisches Verständnis des Menschen wie im kPH, sondern eben um eine artifizielle Alterität, eine künstliche Superintelligenz. »Ich hege keine Nostalgie für ›den Menschen‹« (Braidotti 2014: 197) – dieser Aussage würden sicherlich die Vertreter*innen aller dieser Strömungen zustimmen. Während der TH den überkommenen Menschen insgesamt für baufällig und überholungsbedürftig hält, hat der tPH schlicht kein besonderes Interesse an ihm, wogegen der kPH, wie ihn Rosi Braidotti vertritt, in ihm gerade nicht das »Maß aller Dinge« (Braidotti 2014: 197) sieht und demzufolge auch nicht an den »von ihm ersonnenen Wissensformen und Selbstbilder[n]« (2014: 197) hängt. Diese Einführung wird Gemeinsamkeiten und Unterschiede des TH und PH herausarbeiten, einen Überblick über die wichtigsten Themen und Motive beider Denkrichtungen geben und ihre bekanntesten Ansätze skizzieren. Dabei bleibt eine gewisse Vereinfachung der teils stark divergierenden Positionen durch die notgedrungene Einordnung und Systematisierung manchmal nicht aus. Hinzu kommt, dass es sich bei einigen der bedeutenden Vertreter*innen insbesondere des TH und tPH nicht in erster Linie um Philosophinnen und Philosophen handelt. In vielen Fällen sind prominente Transhumanist*innen und technologische Posthumanist*innen in anderen Disziplinen zu Hause, was leider nicht selten eine Vernachlässigung philosophischer Fragestellungen zur Folge hat sowie ein mangelndes Bewusstsein gegenüber den mit diesen Phänomenen einhergehenden ethischen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen. So übergeht etwa der technologische Posthumanist Ray Kurzweil in The Singularity is Near (2005) die Frage nach dem Bewusstsein als »lästig« bzw. »verzwickt« (2005: 251), ohne sich der Tragweite dieser in seinen Augen bloßen ›Gedankenspielerei‹ bewusst zu sein. Und der technologische Posthumanist Marvin Minsky will in The Society of Mind (1986) gar nicht so recht verstehen, warum ›alle Welt‹ so ein Aufhebens um das Verhältnis von Körper und Geist macht und inwiefern es überhaupt als Dualismus verstanden werden kann bzw. welche Probleme sich ggf. mit einer konkreten Auffassung dieses Verhältnisses einstellen (1986: 287). Aus dieser philosophischen Unbedarftheit resultieren nicht selten Ambiguitäten...


Janina Loh ist Universitätsassistentin (Post-Doc) im Bereich Technik- und Medienphilosophie an der Universität Wien. Forschungsgebiete u.a.: Verantwortungstheorie, Hannah Arendt, Roboterethik.


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