Loebe / Nerreter / Hübner | Victor Loebe Chronik | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 572 Seiten

Loebe / Nerreter / Hübner Victor Loebe Chronik


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-347-29867-5
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 572 Seiten

ISBN: 978-3-347-29867-5
Verlag: tredition
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Victor Loebe hat eine Chronik seines Lebens verfasst

Prof. Dr. Victor Loebe war von 1864 bis 1916 Lehrer am Pädagogium in Putbus auf Rügen

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2 Studium in Jena Nun besorgten die guten Eltern meine Ausstattung zur Universität, wenn das auch damals nicht in so reichlicher und üppiger Weise geschah, wie es heutzutage der Herr Studiosus verlangt. Am 17. April reiste ich mit meinem Vetter Max Ramshorn aus Leipzig ab. Die Sachen, ein Lederkoffer, den ich neu bekam, waren an einen Spediteur in Jena abgeschickt. Wir wanderten nach Gera, fuhren von da mit der Bahn nach Crossen und gingen von da über Eisenberg nach Jena. Mein Schulfreund Richard Löbe und Victor Lomma bezogen ebenfalls die Universität Jena, waren aber bis dahin mit der Post gefahren. Ich zog ein in die Meierei in der Leutengasse. In demselben Hause wohnte auch Lomma und über mir Max Meissner, mein Vetter Ramshorn mir gegenüber. Wir beide hatten die Absicht, bei den Teutonen aktiv zu werden, da meine älteren Brüder dieser Burschenschaft angehört hatten. Wir besuchten deshalb auch in den ersten Tagen ihre Kneipe, und Vetter Max hatte sich schon alle Insignien von einem älteren Burschen gekauft. Da mir aber der ganze Ton in dieser Verbindung nicht gefiel und endlich nicht die vielen heftigen Streitigkeiten unter diesen Bundesbrüdern, so entschloss ich mich, da mein Vater mir eine andere Verbindung nicht erlaubt hätte, farblos zu bleiben, und mein Vetter sprang auch nicht ein. Zudem hätte auch mein Monatsgeld, das 10 Taler betrug, nicht gereicht. Zwar bekam ich Wohnung, Kolleg und die notwendigen Bücher außerdem bezahlt, hatte auch herzoglichen Freitisch, aber das Leben eines Studenten erforderte damals schon nicht allzu wenig. Die Anschaffung mancher für einen Studenten-Haushalt nötig erscheinenden Dinge hatte bald eine bedenkliche Lücke in die Kasse gerissen. Zwar gingen wir mit unseren Lederfüchsen nicht so weit wie Richard Löbe, der von zu Hause unter anderem auch eine Kaffeemühle, eine Laterne und einen Leimtopf mitgebracht hatte, aber einen Stock und ein Kännchen für Lichtenheimer Bier meinten wir doch haben zu müssen. Auch musste ich nun anfangen zu rauchen, mir also eine Pfeife und Tabak kaufen, kurz das Geld war immer eine schwache Seite unseres Studenten-Daseins, und ich weiß nicht, woher wir den Mut bekamen, noch gegen Ende des ersten Monats am 28. April nach Weimar zu gehen, um im Theater Richard III von Shakespeare zu sehen, denn einiges Geld kostete die Tour, wenn sie auch zu Fuß gemacht wurde. Doch wurde dort bare Bezahlung verlangt, während man in Jena erstaunlich viel auf Pump bekam. Vermutlich war aber der Mangel an größerem Geld der Grund, dass ich mich von meinem Vetter, der sich die Füße durchgelaufen hatte, nicht bereden ließ, die Nacht in Weimar zu bleiben, sondern des Nachts zurückging, und zwar in solcher Schnelligkeit, dass ich den 4 Stunden langen Weg trotz stockfinsterer Nacht in 2 1/2 Stunden zurücklegte. Allerdings war ich den nächsten Tag etwas lahm. Am 21. Mai, es war am Tag vor Pfingsten, machten wir mit einigen Bekannten einen Ausflug ins Saaletal über Dornburg, Camburg nach Saaleck, wo wir die Nacht blieben, und als wir schon nach dem opulenten Abendessen mit Naumburger Rotwein eine Zeitlang in unseren mächtig aufgetürmten Betten geruht hatten und unten Tanzmusik gehört hatten, standen wir wieder auf und nahmen am Tanz im Wirtshaus teil, manche in ihren Hausschuhen. Am folgenden Tag, nachdem wir noch dem Herrn Pastor von Saaleck unsere Visitenkarte geschickt hatten und von demselben zum Frühstück eingeladen waren, das wir aber, weil wir schon weiterwandern wollten, abgelehnt hatten, ging es weiter nach Rudelsburg, wo damals noch der alte Samiel als Wirt lebte, und über Schulpforte nach Naumburg, wo wir uns den schönen interessanten Dom ansahen. Hier verließen uns unsere anderen Reisegefährten. Vetter Max und ich fuhren mit der Eisenbahn nach Weißenfels und wanderten von hier in heißester Sonnenglut den etwa zwei Meilen1) weiten Weg nach dem Flecken Hohenmölsen, wo ein entfernter Onkel, der Pastor Notrott, wohnte, der zwei erwachsene Söhne und zwei sehr nette Töchter hatte. Wir wurden freundlich aufgenommen, konnten aber weder den Herrn Pastor sehen, da derselbe plötzlich sehr heftig erkrankt war, noch die Frau Pastorin, die den Onkel pflegen musste, genießen, und auch der älteste Sohn, ein Kandidat der Theologie, entzog sich am ersten Tage unserer Gesellschaft, da er nun eilig eine Predigt machen musste, um am zweiten Feiertag seinen Vater zu vertreten. Wir amüsierten uns deshalb mit dem jüngeren Vetter Alfred und den beiden Cousinen in dem allerdings sehr öden Orte. Mit ihnen gingen wir in die Umgegend, wo einige weite Aussichten sein sollten, selbst bis zu den Turmspitzen von Leipzig. In die Kirche durften wir am zweiten Festtag auch nicht gehen, da der Vetter sich nicht für sattelfest genug hielt, vor zwei Studenten zu bestehen. Das Befinden des Onkels besserte sich nun langsam, und wir haben ihn nur beim Abschied einen Augenblick gesehen. Nachdem wir einige Tage hier zugebracht hatten, reisten wir wieder ab. Ein Stück begleiteten uns die liebenswürdigen Cousinen und Vetter Alfred, um uns den geradesten Weg nach Jena zu zeigen. Wieder wanderten wir in völlig schattenloser Gegend auf öden Feldwegen in heißer Sonnenglut. Wir gingen über Teuchern und kamen nach Osterfeld, das gerade durch eine verheerende Überschwemmung heimgesucht war. Der Bach war zwar wieder in seine Ufer zurückgetreten, aber wir sahen, wie seine Fluten Häuser eingestürzt oder unterwaschen hatten, sahen das mit Schlamm überzogene dürftige Hausgerät der Einwohner auf der Straße liegen, sahen, wie diese ihre Habe zusammensuchten, sahen auch auf dem Friedhof die Reihe der ausgeworfenen Gräber, die die Leichen der Ertrunkenen aufnehmen sollten. Je näher wir dem Saaletal kamen, desto schöner wurde die Gegend, aber wir auch dann umso müder, und gänzlich erschöpft kamen wir spätabends nach 12-stündigem Marsch in Jena an, wo wir die Nachricht vorfanden, dass die Großmutter Ramshorn am 21. Mai gestorben war. Am 9. Juni machten wir mit dem Onkel Karl Ramshorn aus Leipzig, der seinen Sohn und seinen Freund Gille zu besuchen kam, eine Tour zu Wagen nach der Rudelsburg. Der Onkel war mit seinem Sohn Max nicht zufrieden, derselbe war ihm zusehends bloß dem Vergnügen ergeben, und er bat mich, doch möglichst auf ihn einzuwirken, dass er fleißiger würde. Das wollte ich zwar gern tun, aber es gelang mir nur vorübergehend. Max war zu leichtsinnig und arbeitete nicht, kam kaum ins Kolleg und brauchte viel Geld. Ich kam immer weniger mit ihm zusammen, da er einer Gesellschaft beitrat, die sich Tapieren nannte und ich meist andere zu Freunden hatte. Am 13. Juli nach einem Spaziergang nach Zwätzen, von dem ich vor Mattigkeit kaum heimkehren konnte, bekam ich die Masern, wurde von Moritz Seidel, dessen Dissertation de tumoribus cerebri ich gerade ins Lateinische übersetzte, behandelt und setzte diese Arbeit nach meiner Genesung vom 20. Juli an fort. Am 7. August war Seidels Doktor-Promotion. Ein Mediziner und ich opponierten und nahmen natürlich dann auch an dem Doktorschmaus auf dem Gildehaus teil, wo es hoch herging, für mich sogar zu hoch, und ich schlief meinen Rausch in einem Nebenzimmer auf einem Sofa aus und erwachte erst, als die Festgenossen schon aufgebrochen und nach dem Felsenkeller gegangen waren. Dahin folgte ich ihnen, und es folgte dort eine Fortsetzung des Festes in Bier. Am 11. und 12. August machte ich mit Lomma eine Tour über Lichtenhain, Ammerbach nach Reinstädt zum Pastor, bei dem wir übernachteten, und gingen den nächsten Tag nach Kahla zur Leuchtenburg, die damals noch Zuchthaus war, und nach Seitenroda zum Pastor und von da nach Jena zurück. Am 19. August kamen meine Eltern nach Jena. Die Mutter lernte dort Ernsts Verlobte, Emma Kalbitz, kennen. Wen der Vater aufgesucht hatte, weiß ich nicht mehr, auch nicht, wo die Eltern wohnten. Den nächsten Tag machten wir von Jena aus über Apolda eine Reise nach Eisenach und zur Wartburg, dann zurück über Fröttstädt und Waltershausen nach Friedrichsroda. Hier trennten wir uns, indem wir noch einen Abstecher nach dem Inselsberg machten, wo ich übernachtete und am nächsten Tag den Eltern nach Ohrdruf folgte, die dort einen alten Freund, Herrn Amtmann Kügelstein besuchten. Von Ohrdruf aus machten wir eine gemeinsame Fahrt nach Oberhof und über den Rennsteig nach dem Kickelhahn, einem Aussichtspunkt im Thüringer Wald, leider bei regnerischem Wetter. Am 24. August fuhren wir über Gotha und Leipzig nach Altenburg und in Rasephas verlebte ich meine Ferien. Mein erstes Semester war zu Ende. Ich hatte bei K. Fischer Logik gehört und bei M. Schmidt Enzyklopädie der Philologie, bei Göttling Griechische Altertümer usw. Am 20. September machte ich eine Fußtour nach Reichsstädt, wo Ernst bei einem Herrn von Beus Hauslehrer war, und kehrte denselben Tag zurück. Am 23. Oktober reiste ich wieder nach Jena. Das zweite Semester verlief unter fleißigem Arbeiten. Ich hörte bei Schmidt Aeschylos, bei Göttling Große Archäologie, bei...



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