Linowski | Deutsch-chinesische Beziehungen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 136 Seiten

Reihe: nuggets

Linowski Deutsch-chinesische Beziehungen

Wirtschaft, Politik, Gesellschaft
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-381-11733-8
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wirtschaft, Politik, Gesellschaft

E-Book, Deutsch, 136 Seiten

Reihe: nuggets

ISBN: 978-3-381-11733-8
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der 'Wiederaufstieg' Chinas ist das dominierende geopolitische Ereignis seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990. Wir befinden uns seit Ende der 2010er Jahre in einer Phase offener politischer, wirtschaftlicher und militärischer Rivalität, in der die beiden Supermächte USA und China versuchen, ihre Einflusszonen zu stabilisieren und auszuweiten. Zahlreiche deutsche Großunternehmen wie Adidas, die BASF und Siemens sowie in der Öffentlichkeit weniger bekannte Mittelständler sind sowohl im US-amerikanischen als auch im chinesischen Markt engagiert und damit direkt von der Rivalität zwischen den USA und China betroffen. Im Westen weiß man heute kaum mehr, was in China gedacht und getan wird. Das Buch setzt sich zum Ziel, neben den vorhandenen Unterschieden Positives, d.h. Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. China und Deutschland können gemeinsam Beiträge für eine bessere Welt leisten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Dirk Linowski studierte an der Universität Rostock und an der Université Paris I, Panthéon Sorbonne, Mathematik und Mathematische Statistik. Im Jahre 1999 promovierte er an der Universität Rostock in Betriebswirtschaftslehre. Nach einer Assistenzprofessur an der Universiteit Nijmegen in den Niederlanden und einem einjährigen Lehr- und Forschungsaufenthalt an der Tongji Universität Shanghai und der Shanghai Normal University in China wurde er im Jahre 2004 auf den Lehrstuhl für Asset Management mit ab 2006 verbundenem Direktorat des Instituts for International Business Studies an der wissenschaftlichen Steinbeis-Hochschule Berlin berufen, das er bis 2021 innehatte. Prof. Linowski ist seit 2004 'Distinguished Guest Professor' an der Shanghai Normal University und seit 2008 dauerhafter Gastprofessor an der Riga Graduate School of Law in Lettland.

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1 Auftakt
Stellen wir uns einen zwanzigjährigen Leser, vielleicht Sie selbst, vor, der dieses oder auch ein anderes Buch in die Hand nimmt. Sie sind ein noch teilweise unbeschriebenes Blatt, Sie eint mit Gleichaltrigen, dass Sie vermutlich vor Kurzem das Abitur abgelegt haben, auch wenn Sie auf unterschiedliche Weise, auf einer Waldorf-Schule, einem klassischen Gymnasium oder einem Wirtschaftsgymnasium, darauf vorbereitet wurden. Sie denken also „ähnlich“ bzw. Sie sind ähnlich konditioniert. Wenn Sie sich weitere 20 Jahre später mit Ihren ehemaligen Klassenkameraden treffen, sitzen u. a. Juristen, Ärzte, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler und Naturwissenschaftler am Tisch. Wenn Sie dann das Terrain der Jugendgeschichten verlassen und sich Gesellschaft und Politik zuwenden, könnten Sie feststellen, dass es berufliche Besonderheiten gibt, die die Art der Menschen, die Welt zu betrachten, prägen. Anders ausgedrückt. Ein Mathematiker hat im Allgemeinen eine andere Art, Probleme zu analysieren und zu lösen bzw. „durchs Leben zu gehen“ als ein Jurist. Wir sind gewohnt, Entscheidungen zu treffen, ohne jedes Mal die Voraussetzungen zu hinterfragen. Ein Großteil unseres Verhaltens basiert auf der Art, wie wir konditioniert sind bzw. auf Konventionen, die sich im Laufe der Zeit ändern können (z. B. Damen den Vortritt lassen, ihnen in den Mantel helfen, Gendern, usw.) oder die sehr zeitstabil sind (Rechtsverkehr auf dem europäischen Kontinent, in weiten Teilen von Festlandasien und auf dem amerikanischen Doppelkontinent, Linksverkehr in Großbritannien, Indien, Thailand, Australien, Japan und Neuseeland). In keinem dieser Fälle handelt es sich um Naturgesetze, sondern um verbindliche Regeln, die in einer Gesellschaft existieren und eingehalten werden, um das Leben der Menschen berechenbarer zu gestalten. Je mehr Menschen auf engem Raum leben, umso wichtiger werden funktionierende Regeln und deren Einhaltung, um Ordnung zu bewahren. Konventionen sind kein Wissen. Im Allgemeinen glauben wir auch viel mehr zu wissen, als dass dies tatsächlich der Fall ist. Wir leben zudem – zumeist gut – mit Theorien, ohne uns daran zu erinnern, dass es Theorien sind. Grundsätzlich wissen wir, dass einige der Theorien, mit denen wir hantieren, falsch sind. Wir wissen nur nicht welche. Über hunderte Jahre waren auch die klügsten Menschen ihrer Zeit davon überzeugt, dass Phlogiston, ein Feuerstoff, existiere, der aus brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht sowie bei Erwärmung in sie eindringt. Es war schließlich der französische Chemiker Antoine de Lavoisier (1743 – 1794), der am Ende des 18. Jahrhunderts Gewichtsveränderungen verschiedener Stoffe bei Oxidation und Reduktion untersuchte und entdeckte, dass das Element Sauerstoff dabei die entscheidende Rolle spielte. Etwas, was sehr lange als gesichertes Wissen angesehen wurde, war quasi über Nacht widerlegt. Wenn Sie nun ob der Unwissenheit unserer Vorfahren die Achseln zucken, so ist das etwas voreilig. Bewegen wir uns fast in die Gegenwart: Jahrzehnte haben Studenten der Wirtschaftswissenschaften und Ingenieure und Juristen im Nebenfach gelernt, dass Geld drei Funktionen erfüllt, nämlich die des allgemeinen Tauschmittels, der Rechnungsweseneinheit und des Wertaufbewahrungsmittels. Der Ursprung des Geldes wird über zwei Personen illustriert, die üblicherweise Männer sind. Einer stellt nun z. B. Schuhe und der andere Mann Tische her. Leider braucht der Tischler nicht immer Schuhe, wenn er einen Tisch fertiggestellt hat und umgekehrt, zudem ist das Austauschverhältnis von Tischen und Schuhen nicht geklärt. Dann fällt plötzlich Geld vom Himmel und die Menschen beginnen zu produzieren und zu konsumieren. Alles war theoretisch in zufriedenstellender Ordnung, der Ursprung des Geldes in seiner Eigenschaft als allgemeines Tauschmittel dargestellt: bis der inzwischen verstorbene amerikanische Anthropologe David Graeber (1961 – 2020) in seinem im Jahre 2011 erschienenen Buch „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ [6] einem breiten Publikum darlegte, dass der Ursprung des Geldes in seiner Eigenschaft als Rechnungsweseneinheit liegt. Graeber beginnt seine Argumentation mit der übrigens leicht beobachtbaren Tatsache, dass bisher kein physisches Geld, d. h. Münzen, gefunden wurde, das älter ist als 2.800 Jahre, Zeugnisse menschlicher Zivilisationen wie die ägyptischen Pyramiden aber 2.000 Jahre oder noch deutlich früher entstanden. Dies ist insbesondere deshalb interessant, als die ältesten Keilschrifttexte fast ausschließlich Buchhaltung widerspiegeln. Münzgeld erschien dann in historischen Dimensionen fast zugleich in Griechenland, Nordindien und in China. [8] Um es kurz zu machen: Die Theorie, dass der Ursprung des Geldes in seiner Eigenschaft als Tauschmittel liegt, erwies sich als offensichtlich falsch. Irrelevant ist das nicht, es liegt in unseren geldbasierten Gesellschaften sehr wohl in unserem Interesse zu verstehen, wo das Geld herkommt bzw. wie es entstand. Erkenntnis kann auf unterschiedliche Arten entstehen: Die Philosophen Immanuel Kant (1724 – 1804) und Karl Marx (1818 – 1883) arbeiteten fast ausschließlich am Schreibtisch; Kant verließ Zeit seines Lebens nicht einmal seine Geburtsstadt Königsberg. Nichtsdestotrotz war er einer der wirkmächtigsten Denker der Neuzeit. Am anderen Extrem: Dem zweieinhalbfachen Weltumsegler James Cook (1728 – 1779) verdanken wir nicht nur zahlreiche geographische Entdeckungen im Pazifik, sondern auch Erkenntnisse, wie der Seefahrerkrankheit Skorbut begegnet werden konnte. Charles Darwin (1809 – 1882) umrundete ebenfalls die Erde per Schiff, bevor er seine Evolutionstheorie entwickelte. Tatsächlich waren aber Marx und Kant keine reinen „Schreibtischdenker“; Marx profitierte von den Beobachtungen und Erkenntnissen des Kapitalisten Friedrich Engels (1820 – 1895) und Immanuel Kant korrespondierte mit vielen namhaften Naturwissenschaftlern seiner Zeit. Er war wissenschaftlich auf der Höhe seiner Zeit! Der Kant zugesprochene Ausspruch „Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind.“ ist nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch für das hinreichende Verständnis fremder Kulturen richtig. Wir sollten also zunächst beobachten (oder auf vertrauenswürdige Beobachtungen abstellen) und Fragen stellen, bevor wir zu Wertaussagen kommen. Wenn wir uns also fremden Kulturen zuwenden, so erkennen wir, dass diese auf Konventionen beruhen, die wir oft nicht oder nicht hinreichend verstehen (von Verinnerlichung ist hier überhaupt nicht die Rede). Die auf den ersten Blick wichtigste Konvention in China, die für fast alle Europäer und Amerikaner eine quasi unüberwindbare Barriere darstellt, ist die Verständigung über die chinesische Schrift. Es gibt derart viele Zeichen, dass auch der gebildetste Chinese mitunter mit Schriftzeichen konfrontiert wird, die er nicht kennt, anderseits verwendet er im Mündlichen mitunter Worte, für die er das Schriftzeichen nicht kennt. Dies sind Erfahrungen, die uns im Westen völlig fremd sind! Wenn Sie der Argumentation folgen, dass deutsche Juristen in bestimmten Lebenssituationen grundsätzlich anders „ticken“ als deutsche Mathematiker, sollten Sie rasch zugestehen können, dass das Erlernen einer Zeichenschrift Menschen anders prägt als das Erlernen einer Schriftsprache, die auf sechsundzwanzig Buchstaben und einigen zusätzlichen Sonderzeichen beruht. Beachten Sie bereits hier, dass es keine Schriftsprache gibt, die dem Chinesischen bezüglich Eindeutigkeit überlegen ist. Im Deutschen sind wir übrigens gewohnt, die Zukunft durch die Gegenwart auszudrücken. Auch das ist eine Konvention, die wir mit sehr wenigen Sprachen, eine der wenigen ist tatsächlich das Chinesische, gemeinsam haben. In den meisten Sprachen ist das anders, wenn Sie also z. B. auf Englisch sagen „Tomorrow I fly home“, würde man Sie verstehen. Das ist aber grammatisch falsch oder mindestens schlechtes Englisch. Um also zu verstehen, warum viele Dinge in China anders sind als bei uns, müssen wir uns neben Wirtschaft und Politik mit Geschichte und mit Philosophie beschäftigen. Hinter dem im Westen in den vergangenen Jahrzehnten propagierten Konzept des Wandels durch Annäherung steht bzw. stand die implizite Annahme, dass das westliche System dem chinesischen (wie auch allen anderen, die sich uns durch Handel annähern sollten) überlegen sei. Dass die Mehrheit der Chinesen mit „freiheitlichen Werten“ wenig anfangen kann, wie in zahlreichen westlichen Medien dauerhaft behauptet, bezweifle ich in dieser Pauschalität. Reisefreiheit und die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern, sind positiv konnotiert, die Freiheit, öffentlich Bücher zu verbrennen und Drogen zu konsumieren oder auch nur Häuserwände zu beschmieren sind es allerdings nicht. Während der Westen noch vor 20 Jahren in vieler Hinsicht als Vorbild angesehen wurde, hat sich sein Bild in China langsam, aber stetig eingetrübt. Das Gesamtkonzept des heutigen Westens wird meines Erachtens von der überwältigenden Mehrheit der Chinesen, und dazu gehören auch meine gebildeten und weltoffenen Shanghaier Freunde und Kollegen, nicht als wünschenswert oder überlegen anerkannt. Mit Bezug auf China wird bei uns zudem ignoriert, dass ein substanzieller Teil des derzeitigen deutschen Wohlstandes mit Chinas Wiederaufstieg verbunden ist, und hier reden wir keinesfalls nur über die Gehälter in Wolfsburg oder Ludwigshafen, die ohne die China-Aktivitäten von Volkswagen und der BASF deutlich geringer ausfallen würden. Der ehemalige BASF-Chef Martin Brudermüller stellte Ende 2023 zum wiederholten Male fest, dass nicht nur...



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